Keine Angst vor Killerphrasen.

Killerphrasen und Totschlagargumente sind meist leere Aussagen, die den anderen überzeugen oder mundtot machen sollen. In der Regel führen sie zu einer Beendigung des Geprächs. In jedem Fall signalisieren sie eine mangelnde Diskussionsbereitschaft. Nicht so für einen integrierten Mediator. Die IM sieht in Killerphrasen gute Chancen, eine Mediation einzuleiten. Wie dies in einem sozialgerichtlichen Verfahren möglich ist und wie man konstruktiv mit solchen Scheinargumenten umgehen kann, lehrt uns die (integrierte) Mediation. Hierzu und zur Anschauung wie ein integrierter Mediator aus einer Streitsituation einen konstruktiven Verhandlungsprozess gestalten kann, einige Beispiele:

Der Umgang mit Killerphrasen im sozialgerichtlichen Verfahren

Killerphasen sind Aussagen, die ein konstruktives Gespräch üblicherweise abbrechen oder verhindern. Die Teilnehmer haben Killerphrasen aus der Sicht des Klägers, des Beklagten und des Richters zusammengetragen. Gemeinsam haben wir überlegt und Strategien erarbeitet, wie man mit solchen Killerphrasen umgehen kann. Es hat sich gezeigt, dass solche Aussagen von erheblicher Bedeutung sind und dass man sie nicht übergehen sollte. Allerdings kommt es darauf an, in welchem Verhandlungsstadium diese Phrasen angebracht werden. Das Verhandlungsstadium ergibt sich aus den Phasen der Mediation. Entnehmen Sie die Bedeutung der Phasen bitte dem anliegenden Toolbox Dokument, ebenso wie Ausführungen zum Loopen.

Reaktion auf Killerphrasen von der Klägerseite

Das Ziel der nachfolgend vorgeschlagenen Interventionen besteht in erster Linie darin, die aktive und kooperative Verhandlungsbereitschaft wieder herzustellen.

Leben Sie mal von so wenig Geld

Wenn diese Aussage in Phase 1 oder 2 vorkommt, gilt der Grundsatz: Nach hinten verschieben in Phase 3. Wenn Phase 3 erreicht wird (Verhandeln über Interessen)  mag der Satz wieder aufgegriffen werden, um die dahinter liegende Ich-Botschaft herauszuarbeiten. Wenn die Aussage als Lösungsansatz erkannt wird, dann ist darauf hinzuweisen, dass es noch zu früh ist um Lösungen zu erörtern.

Die beste Technik ist die Mäeutik (Hebammenkunst von Sokrates). Diese Technik versucht nicht zu überzeugen, sondern die Grenzen des Denkens (Lösungskonzeptes) herauszuarbeiten. In Phase 3: Geld hat nur eine symbolische Bedeutung. Die Geldbedeutung ist deshalb zu hinterfragen.

Beispiel in Phase 3: „Sie sagen, dass die finanzielle Ausstattung nicht reicht, um Ihre Bedürfnisse zu befriedigen? Antwort: Ja. Richter dann: Was muss alles abgedeckt werden?“ Antwort: hier zeigt es sich, ob der Kläger einfach nur Geld will oder konkrete Bedürfnisse nennen kann. Die weitere Vorgehensweise hängt von seiner Antwort ab. Dann kann man überlegen, ob die Bedürfnisse wirklich bestehen, ob sie anders gedeckt werden können usw. Der Richter hört nur zu, paraphrasiert und verbalisiert, Er versucht nicht, den Kläger vonr irgendwas zu überzeugen. Ergibt sich ein Gespräch, dann kann er den Kläger auf die Metaebene mitnehmen. „Ich kann Ihr Anliegen gut verstehen. Jetzt bin ich in der Situation, dass ich beide Seiten zu beachten habe. Können Sie das verstehen?“ Wichtig ist ein Commitment. Wenn ein „ja“ folgt, wird sich die Partei in den Kopf des Neutralen versetzen und sich von der eigenen Position Schritt für Schritt lösen.

Bei der Behörde sind ja eh nur Betrüger

Diese Aussage ist beleidigend. Was tun? Wenn Sie Beleidigungen verbieten, dann wird das nur zu mehr Kontrolle beim Kläger führen und die Gesprächsbereitschaft (Öffnung) behindern. Eine elegante Möglichkeit besteht darin, der Beleidigung durch Paraphrasen zu begegnen. Die Idee dahinter ist es, dass Beleidigungen hinweise auf die Emotionslage geben und das ist wiederum ein Schlüssel zur Ich Botschaft. Diese gilt es herauszuarbeiten.

Die beste Technik ist das aktive Zuhören (Loopen). Entnhemen Sie die Beschreibung des Loopens bitte dem anliegenden Toolboxdokument.

Beispiel: „Wollen Sie zum Ausdruck bringen, dass Sie sich getäuscht fühlen?“ Wichtig: Commitment abwarten. Wenn „Ja“ dann weiter. „Was löst dieses Gefühl bei Ihnen aus?“. Jetzt muss der Kläger seine Betroffenheit formulieren, wenn er auf die Frage antwortet. Das gibt die Möglichkeit zur Wertschätzung, etwa wie folgt: „Ja ich kann verstehen, dass bei der Leidensgeschichte, die Sie mir gerade erzählt haben das Vertrauen schwindet. Wie glauben Sie kann man die Leidensgeschichte beenden?“ Mit dieser Frage muss sich der Kläger Gedanken über die Lage und die Sicht der Gegenseite machen. Sie kann im weiteren Verlauf angesprochen werden. Wenn man will, kann man DANACH den Kläger ermahnen, soclch wichtige Bekundungen weniger beleidigend zu formulieren

Der Andere hat das ja auch bekommen

Diese Aussage deutet auf eine Lösung hin. Dann ist die passende Intervention: „Ja, Sie machen sich Gedanken über Lösungen, darauf kommen wir später zu sprechen. Ist das ok?“ Wichtig: Immer Commitment einholen!

Wenn der Satz der Phase 3, also der Interessenbekundung zugeordnet wird, dann muss der Richter darauf eingehen, um dem Kläger das Gefühl von Ungerechtigkeit zu nehmen und einen anderen Maßstab zur Beurteilung anbieten zu können. Dann lautet die Intervention: „Sie weisen darauf hin, dass Andere in der gleichen Situation anders behandelt werden“.  Wichtig: Commitment einholen! Wenn „Ja“ dann entweder: „Sind Sie sicher, dass die Situation des Anderen identisch ist mit Ihrer?“ Je nach Antwort: „Woher wissen Sie das?“. Gedanklich kann der Kläger jetzt auf die Kriterien zur Fallentscheidung gelenkt werden.

Alternativ:  „Sie haben das Gefühl, ungleich behandelt zu werden. Kann es sein, dass der Andere bevorzugt wurde?“ Commitment einholen! Wenn „Ja“ dann: „Sie werden verstehen, dass die Bevorzugung eines anderen kein rechtliches Kriterium ist, das ich hier berücksichtigen kann. Verstehen Sie das?“ Wenn „Ja“ dann: Lassen Sie uns über die Kriterien einig werden, die für die Beurteilung der Lage ausschlaggebend sein sollen.Ist das ok für Sie?“ Commitment einholen!

Mir geht’s ums Recht

Was will jemand sagen, der auf das Recht pocht? Worum geht es ihm genau? Eine mögliche Intervention ist: „Ihnen geht es um das Recht. Das haben wir – so glaube – ich, alle gemeinsam. Sowohl das Gericht als auch die Behörde sind an Recht und Ordnung gebunden. Wenn es Ihnen um das Recht geht, dann sind Sie sicher bereit, die rechtlichen Bedingungen zu erörtern, die für eine Entscheidung ausschlaggebend sind. Ist das ok für Sie?“ Sie gucken Commitment abwarten. Wenn „Ja“ dann Einführung in den Tatbestand.

Ich hab jetzt so lang gearbeitet mir steht die Rente zu

Wird diese Aussage in Phase 1 oder 2 ausgesprochen, kann man sie einfach stehen lassen. Sie sollte gegebenenfalls in Phase 3 wieder aufgegriffen werden. In Phase 3 sind die dahinter liegenden Bedürfnisse zu erforschen.

Beispiel: „Sie sagen, Sie haben sich die Rente verdient. Das kann ich nachvollziehen. Wissen Sie warum Rente gezahlt wird?“ Antwort abwarten. Je nachdem ergibt sich aus der Antwort die Möglichkeit zu erklären, dass Rente keine Entlohnung sondern eine Versicherungsleistung ist. Dann lassen sich Parallelen in andere Versicherungen herstellen und ein Verständnis dafür, dass das Argument des Klägers unbeachtlich ist.

Bei der Behörde wird alles unter den Teppich gekehrt. Die halten eh zusammen.

Einen solchen Satz würde ich nicht übergehen. Eine mögliche Reaktion ist es, sich näher zu interessieren, was gemeint ist: „Erklären Sie mir bitte was Sie damit meinen“. Angenommen, die Antwort lautet: „Mir wird nicht geglaubt, ich hab alles richtig gemacht. Ich weiß nicht, was ich sonst noch machen kann“. Dann könnte die Paraphrase lauten: „Sie haben das Gefühl der Hilflosigkeit“. Commitmengt abwarten. Wenn „Ja“ dann „Was können wir hier zusammen tun, damit Sie dieses Gefühl nicht weiter haben müssen?“. Die Frage lenkt auf die Zukunft und stellt die gemeinsamkeit heraus, damit den eigenen, möglichen Beitrag des Klägers zur aktiven Mitwirkung!

Sie stecken doch eh mit der Behörde unter einer Decke

Eine solche Bemerkung darf man nicht übergehen. Sie tangiert das Prinzip der Neutralität. Kommt eine Korrektur in der Wahrnehmung des Klägers nicht zustande, dann wird er den Argumenten des Richters nicht weiter folgen und auch kaum geneigt sein, die evtl.  Entscheidung zu akzeptieren. Die Bemerkung stellt die Neutralität in Frage. Wichtig ist es, sich nicht zu rechtfertigen (Wer argumentiert verliert!).

Mögliche Intervention des Richters: „Sie haben den Eindruck, dass mir die Interessen der Behörde näher sind als die Ihrigen. Habe ich das so richtig verstanden?“ Commitment abwarten. Wenn „Ja“ dann weiter: Helfen Sie mir, Ihre Interessen besser zu verstehen“ oder „Was kann ich tun, um Sie von diesem Eindruck zu befreien?“.

Ich bekomme eh nicht recht

Das sind düstere Erwartungen. Damit daraus keine self full filling prophecy wird, sollte sich der Richter auf die Bemerkung einlassen. Die Bemerkung betrifft den Ausgang des Verfahrens, bezieht sich also auf eine Lösung. Ist Phase 4 noch nicht erreicht, kann der Richter wie folgt intervenieren: „Sie haben düstere Erwartungen. Die müssen nicht zutreffen. Was glauben Sie, muss passieren, damit Sie recht bekommen?“ Der Kläger wird antworten: „Sie müssen dementsprechend entscheiden“. Der Richter darauf: „Das würde ich gerne. Für mich wäre der Maßstab, den das Gesetz vorgibt. Ist das ok für Sie?“ Commitment abwarten. Wenn „Ja“ dann weiter: Dann lassen Sie uns mal die gesetzlichen Bedingungen uns gemeinsam anschauen. Ist das ok?“ Commitment abwarten. Wenn „Ja“ dann kann der Richter verdichten: „Sind Sie auch bereit, sich dem Gesetz zu unterwerfen, auch wenn es zu einem anderen Ergebnis kommen sollte?“ Die Antwort könnte lauten: „Ich hab ja keine Wahl“. Dann ist die Chance auf eine Weichenstellung: „Sie haben eine Wahl, Sie können sich mit der Gegenseite verständigen. Wäre das interessant für Sie?“ Antwort abwarten. Dann gegebenenfalls Vorteile herausarbeiten, warum eine Einigung sinnvoll ist. Im Grunde wird die Phase 1 nachgebessert. Die Vorteile müssen in der Zukunft liegen und einen zu erwartenden Nutzen herausstellen. Konfliktanalytisch sind die im Sozialrecht zu behandelnden Konflikte nicht stets Sachkonflikte. Die lange, unglücklich verlaufende Beziehung zwischen den Parteien ergibt einen erstrebenswerten Nutzen, den es gegebenenfalls zu thematisieren gilt. Dann ist das Interesse die reibungsfreie, zukünftige Zusammenarbeit.

Ist mir jetzt egal. Machen Sie was Sie wollen

Ein solcher Satz deutet auf Resignation hin. Resignation führt zur Interessenlosigkeit und zur Demotivation, an einem Ergebnis konstruktiv mitzuarbeiten. Die Aussage kann so auch nicht stimmen, denn wenn es egal ist, dann erklärt sich die Klage nicht. Wenn die Betonung auf jetzt liegt, bezieht sie sich auf eine Wahrnehmung im Prozess. Ihr ist schon deshalb nachzugehen.

Eine mögliche Intervention kann sein: „Sie stellen anheim. Ist es Ihnen wirklich egal was hier passiert und was gegebenenfalls herauskommt?“ Antwort könnte sein: „Ja, es gibt ja noch eine zweite Instanz“. Reaktion darauf: „Sie haben sich auf eine lang andauernde Auseinandersetzung eingestellt. Wäre es gegebenenfalls in Ihrem Interesse, die Auseinandersetzung abzukürzen?“ Jetzt kann man mit einem „Ja“ rechnen.  Dann ist der Weg frei, die Art und Weise des weiteren Vorgehens zu vereinbaren und den Kläger zur aktiven Mitwirkung zu motivieren. Alternativ kann der Richter auch nach der oben zitierten Paraphrase fragen: „Was kann ich tun damit Sie sich nicht resigniert fühlen müssen?“

Reaktion auf Killerphrasen von der Beklagtenseite

Auch im Verhältnis zur Beklagtenseite ist es das Ziel der nachfolgend vorgeschlagenen Interventionen in erster Linie, die aktive und kooperative Verhandlungsbereitschaft (wieder) herzustellen. Die Beklagtenseite ist in einer anderen Situation und verfolgt andere Interessen. Der Sachbearbeiter kann davon abweichend nochmals eigene Interessen am Verfahren verfolgen. Möglicherweise hat er auch gar kein Interesse an dem verfahren. Gelingt es dies aufzudecken, werden die Interessen am Verfahren und der Weg sie zu verwirklichen verhandelbar.

Ich verweise auf meinen Widerspruchsbescheid

Dieses Zitat wurde als Killerphrase vorgestellt, muss es aber nicht sein. Die Bezugnahme auf den Sachvortrag ist durchaus legitim. Um dem Gegner klar zu machen, was diese Aussage bedeutet und gegebenenfalls den Beklagtenvertreter auf eine Verhandlungsbereitschaft zu lenken, kann der Richter herausstellen: „Sie wollen sagen, dass Sie sich auf den Schriftsatzwechsel beziehen und die dort vorgetragenen Fakten beziehen“. Hier ergibt sich eine Chance, die Gemeinsamkeiten herauszustellen und den zu verhandelnden Stoff zu klären. Dies siedelt sich dann in der Phase 2 an. Die dazu passende Intervention könnte sein: „Ja, es gibt viele Übereinstimmungen z.B. hinsichtlich folgender Fakten …… Es gibt aber auch Abweichungen. Sie beziehen sich auf folgende Fakten ….. Dazu tragen die Parteien unterschiedliche Auffassungen vor …. Denken Sie es macht Sinn darüber zu verhandeln?“ Jetzt ergibt sich eine Gelegenheit die Bedeutung der Verhandlung und die Mitwirkung des Beklagtenvertreters daran zu erörtern. Das kann zu einer Vereinbarung führen, wie das verfahren in seinen nächsten Schritten abzuwickeln ist und wo der Sinn einer Kooperation liegt.

Wir brauchen eine (Grundsatz-) Entscheidung

Wieder ist zu unterscheiden zwischen dem Interesse am Verfahren und dem Interesse am Ausgang. Ersteres gehört zur Phase 1, letzteres zur Phase 3. Die Aussage bezeichnet das Interesse am Verfahren. Sie mag hinterfragt werden. Beispiel: „Sie suchen eine Orientierung für Folgefälle, richtig?“ Wenn der Beklagtenvertreter bejaht, dann kann man ihn fragen: „welche Kriterien muss eine solche Orientierung erfüllen und wie muss sie aussehen?“ Dann besteht Raum für die Frage ob ein richterlicher Hinweis genügt und ob der Fall wirklich für eine Grundsatzentscheidung geeignet ist.

Ich habe meine Anweisungen

Das hört sich an wie eine böse Falle. Anweisungen haben bedeutet, nicht verhandeln zu können. Es sollte thematisiert werden. Die Erörterung gehört zur Phase 1. Sie kann wie folgt geführt werden: „Wollen Sie mir sagen, dass Sie keine Verhandlungsmacht haben?“ Wenn die Antwort „Ja“ lautet, dann ist die Frage: „Warum sind sie dann hier?“ Je nach Antwort könnte das Gespräch wie folgt weitergeführt werden: „Ich kann verstehen, dass Sie die Förmlichkeiten wahren wollen. Unser Selbstverständnis als Gericht ist es aber nicht, Formalien zu erfüllen. Wir und insbesondere ich als Richter achten darauf, dass die Parteien und zwar beide Seiten mit dem Ausgang zufrieden sind. Ist das für Sie nachvollziehbar?“ Commitment abwarten. Antwort wird wahrscheinlich eine Bejahung sein. Danach besteht Raum das Verhandlungspotenzial zu erörtern. Wieder mag die Klärung der zukünftigen Beziehung zu dem Betroffenen sowie die Reputation der Behörde angesprochen werden und ein Statement eingeholt werden, wie die Behörde dazu steht. Möglicherweise wird der Behördenvertreter sagen: „Ja das verstehe ich mir sind aber die Hände gebunden“. Möglicherweise ist der Behördenvertreter selbst mit dieser Situation sehr unzufrieden. Dann lässt sich eine Strategie entwickeln, die auch seinen Interessen entspricht. Möglicherweise stellt es sich heraus, dass die „falsche Person“ am Tisch sitzt, dass nur der Abteilungsleiter beispielsweise mit den notwendigen Autoritäten ausgestattet ist. Dann gilt es auch insoweit, eine Strategie zu entwickeln, wie der Abteilungsleiter einzubeziehen ist. In jedem Fall ergibt die Antwort des Behördenvertreters neue Handlungsoptionen im Verfahren. Gegebenenfalls kann das Gericht sich vertagen, um für den nächsten Termin einen verhandlungsbereiten Vertreter zu erwarten. Gegebenenfalls mag dies als ein grundsätzliches Problem im Umgang miteinander für zukünftige Fälle auf höherer Ebene erörtert werden.

Das ist nicht mein (eigener) Fall

Hier gilt das zuvor gesagte. Die Bemerkung sollte zum Anlass genommen werden, die Verhandlungsbereitschaft zu ergründen. Die Intervention könnte lauten: „Was wollen Sie mir damit sagen? Bedeutet das, dass Sie am Verfahren nicht mitwirken können?

Entweder die Entscheidung ist richtig oder falsch, etwas dazwischen gibt es

Eine solche Bemerkung zeigt möglicherweise eine fehlende Kooperationsbereitschaft. Die Optionen für eine Kooperation sollten geklärt werden. Die Intervention könnte lauten: „Was meinen Sie damit?“ Je nach Antwort gegebenenfalls: „Sie wünschen Klarheit und Orientierung, hab ich das so richtig verstanden?“ Commitment abwarten. Wenn „Ja“ siehe die Ausführungen oben zur Grundsatzentscheidung. Gegebenenfalls ist der Ermessensspielraum zu erörtern und das Interesse der Behörde an Reputation und Beziehungsklärung mit dem Kläger für die Zukunft.

Ich kann das nicht beurteilen.

Diese Bemerkung könnte ein sich Zurückziehen auf die beratungsamtliche Stellungnahme bedeuten. Es gelten die Ausführungen oben.

Sie (gemeint ist der Kläger) könnten arbeiten, Sie wollen es aber nicht

Eine solche Äußerung verdirbt das Verhandlungsklima. Sie ist deshalb aufzulösen. Methodisch am besten wieder mit dem Loopen oder der Mäeutik. Der Richter könnte intervenieren: „Sie stehen auf dem Standpunkt, der Kläger komme seinen Verpflichtungen nicht nach. Habe ich das so richtig verstanden?“ Commitment abwarten. Falls Bejahung kann der Richter fortfahren: „Aus welchen Fakten schließen Sie das?“ Diese Frage zwingt zur Unterscheidung zwischen verwertbaren Fakten und Meinungen. Der Beklagtenvertreter könnte antworten: „Im Gutachten steht ……“. Der Richter daraufhin: „Sie beziehen sich also auf das Gutachten. Alternativ kann er wahrnehmungspsychologisch arbeiten. Können und wollen sind subjektive Komponenten. Dann lautet die Intervention: „Wer beurteilt wie ob was der Kläger kann und will. Worauf kommt es an?“ Die Frage zielt darauf ab, die Unterscheidung zwischen Fakten und Meinungen und zwischen unterschiedlichen Sichtweisen und deren Berechtigung herauszuarbeiten. Auch wenn der Kläger objektiv arbeiten kann, sich subjektiv nicht dazu in der Lage fühlt, wird seine Arbeitswilligkeit kaum indiziert sein. Jetzt wäre die Verhandlungsstrategie, die subjektive Sicht wertzuschätzen (Es gilt der Grundsatz: Emotionale Tatsachen sind nicht verhandelbar) und die objektiven Kriterien abzustimmen, auf die sich beide Seiten einlassen können. Die Intervention in dem Fall könnte lauten: „Nun erkenne ich eine Diskrepanz in der Einschätzung der Arbeitsfähigkeit und der Arbeitswilligkeit. Beides beinhaltet subjektive Komponenten und Einschätzungen. Je nach dem Verhandlungsklima kann man jetzt mit dem Kläger über seine Arbeitsbereitschaft sprechen. Er wird sagen: „Ich will ja arbeiten, ich kann aber nicht“. Darauf sollte wie folgt interveniert werden: „Sie sagen, Sie wollen arbeiten. Ist das so korrekt, kann ich das so festhalten?“ Die Antwort wird lauten: „Ja“. Dann kann der Richter fortfahren: „Was muss passieren, damit das möglich wird?“ Die Antwort wird wahrscheinlich lauten: „Ich brauche das Geld“. Dann kann der Richter im Wege der Mäeutik unbeeindruckt weiterforschen: „Das Geld stellt also Ihre Leistungsfähigkeit wieder her? Wie kann das sein?“ Wenn der Kläger sagt „Ich kann doch nicht arbeiten, selbst wenn ich es wollte“ dann ist es an der Zeit die Kriterien herauszuarbeiten, die diese Einschätzung ergeben. Die Intervention könnte sein: „Sie haben Schmerzen und die empfinden Sie als Einschränkung“ Commitment abwarten. Wenn ein „Ja“ folgt, dann weiter: „Ist es eine Beeinträchtigung, nicht zuarbeiten?“ Wenn die Antwort „Ja“ lautet kann man fragen: „Worin besteht die Beeinträchtigung?“ Aus der Antwort ergeben sich Anhaltspunkte zur Arbeitswilligkeit, auf die der Richter dann eingehen kann.

Sie haben ja eigentlich Recht, aber jetzt haben wir es schon so lange anders vertreten

Das klingt nach Faulheit, Gewöhnung, und Indizien, die einer Verhandlungsbereitschaft entgegenstehen. Der Richter sollte also darauf eingehen. Die Intervention bezieht sich auf Phase 1 und betrifft das Interesse am Verfahren oder, wenn Sie so wollen, das Prinzip der Freiwilligkeit (Verhandlungsbereitschaft). Die Intervention könnte lauten: „Sie berufen sich auf ein Gewohnheitsrecht. Hab ich das so richtig verstanden?“ Wahrscheinlich wird der Beklagtenvertreter versuchen sich herauszuwinden. Seine Antwort gibt Anhaltspunkte für weitere Reaktionen. In dem Falle, was Gewohnheitsrecht ist. Andere Möglichkeit zur Intervention: „Sie möchten an einer Übung festhalten. Warum ist das wichtig für Sie, was ist Ihr Nutzen?“ Danach kann eine Erörterung erfolgen, ob es nicht einen höheren Nutzen gibt, wenn die Übung abgestellt wird.

Darüber habe ich keine Unterlagen. Das steht nicht in der Terminsakte

Eine solche Aussage deutet wahrscheinlich auf eine Entschuldigung hin. Da sollte man es dem Beklagtenvertreter nicht so einfach machen. Der Richter könnte intervenieren: „Sie sagen mir, dass die Information Ihnen nicht vorliegt“. Commitment abwarten. Wenn die Antwort „Ja“ lautet, dann kann man fortfahren: „Sie sehen es aber auch ein, dass es uns (dem Gericht) schon helfen würde, wenn die Information im Verfahren verfügbar ist?“. Wieder Commitment abwarten. Wenn es ein „Ja“ ist, dann kann man fortfahren: „Wie schaffen wir es dann, die Information herbeizuführen?“. Die zugrunde liegende Strategie ist es, die Parteien, in dem Fall den Beklagtenvertreter nicht aus seiner Verantwortung zu entlassen. Gegebenenfalls ist zu klären, wo die Verantwortung des Sachbearbeiters und der Behörde sich unterscheiden.

Der Umgang mit Killerphrasen von der Richterseite

Die Regel lautet ganz einfach, solche Phrasen zu unterlassen. Das ist leicht gesagt, denn die Killerphrasen werden nicht grundlos eingesetzt. Wir wollen versuchen, dem auf den Grund zu gehen.

Ich sag hier wo`s lang geht

Eine solche Äußerung könnte auf ein Autoritätsproblem hindeuten. Es könnte auf ein Zeitproblem (Ungeduld) hindeuten. Natürlich kommen noch andere Ursachen in Betracht. Der Richter kann die Killerphrase retten, wenn er seine Not erklärt. Die Intervention könnte dann sein: „Entschuldigen Sie, wenn ich das so sage. Ich habe ein Zeitproblem / Problem mit der Verhandlung. Immerhin muss ich die Verhandlung bis … zu einem Ende bringen. Mir liegt es daran, dass es ein gutes Ende wird, am liebsten eines, mit dem beide Seiten leben gut zurecht kommen können. Können Sie damit umgehen, wenn wir das Verfahren etwas straffen?“ Der strategische Hintergrund einer solchen Intervention besteht darin, die Parteien ins Boot zu holen und mitverantwortlich zu machen. Das worauf man sich verständigt hat, wird eher befolgt als das, wozu man verdammt wird.

Vom Gesetz ist es halt so vorgesehen

Hier gilt das zuvor gesagte. Welche emotionale Regung steht hinter einer solchen Bemerkung? Der Richter sollte sich dessen bewusst sein, um mit der Situation adäquat umgehen zu können. Wenn eine solche Bemerkung trotzdem fällt, kann der Richter sie in ein Verständnis umwidmen. Die Intervention könnte sein: „Verstehen Sie bitte meine Ungehaltenheit. Natürlich würde ich Ihnen gerne geben, was Sie erwarten. Ich bin aber dem Gesetz unterworfen. Es macht wenig Sinn, über Dinge zu diskutieren, die vom Gesetz nicht gedeckt sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn Sie sich anderweitig verständigen. Was halten Sie davon?“ Jetzt kann die Vergleichsbereitschaft diskutiert werden.

Dann entscheiden wir es halt

Aus dem Satz klingt Resignation und eine enttäuschte Erwartung. Warum sich nicht dazu bekennen? Das könnte wie folgt zum Ausdruck gebracht werden: „Ich ging davon aus, dass Sie beide sich einigen können. Das erschien mir wichtig, weil ich denke, dass sich nur so eine dauerhafte Befriedigung einstellen mag. Im Moment bin ich resigniert und ich frage ich mich, ob Sie überhaupt an einer Verständigung interessiert sind. Was meinen Sie?“ Gegebenenfalls je nach Antwort: „Was muss passieren, damit sie sich einigen können?“ Diese Erörterung gehört zur Phase 1.

Also das müssen Sie doch jetzt verstanden haben

Diese Bemerkung lässt sich auch anders formulieren, etwa: „Mein Eindruck ist, dass wir uns noch nicht verstanden haben. Helfen Sie mir, was fehlt.“ Nachdem die Killerpharse gefallen ist kann der Richter erläutern wie oben beschrieben.

Ich kann den Fall auch nicht anders beurteilen als der Gutachter

Dieser Satz legt fest. Festlegung hindert Verhandlung über andere Möglichkeiten. Die Öffnung für andere Möglichkeiten (wie sie auch immer aussehen) ist eine Bedingung für eine der Kooperation. Der Richter kann intervenieren: „Bitte verstehen Sie, der Gutachter hat Fakten aufgeführt, an die ich gebunden bin, solange ich keine anderen Informationen habe. Welchen, im Gutachten aufgeführten Fakten können Sie nicht zustimmen?“ Jetzt differenziert der Richter durch Loopen die Antworten zwischen Fakten und Ansichten (Schlussfolgerungen) und bringt den Kläger dazu, die gedanklichen Schritte nachzuvollziehen.

Das ist ihr Problem (an Anwalt oder Beklagten)

Eine solche Äußerung vermittelt das Gefühl, im Regen stehen gelassen zu sein. Wie wäre es stattdessen mit: „So weit reicht meine Verantwortung nicht. Ich würde gerne … aber ich bin an das Recht gebunden. Ist das für Sie nachvollziehbar?“ Eine gute Intervention ist auch der Rollentausch: „versetzen Sie sich mal in meine Position als Richter, der beide Seiten im Blick haben muss. Wie würden Sie mit der Sache umgehen?“

Das gehört hier nicht zur Sache

Eine solche Bemerkung ist auch nicht motivierend. Sie hindert die Parteien, sich zu erklären. Zugegebenermaßen sind die neben dem rechtlichen Tatbestand liegenden Aussagen oft zeitraubend und nervend. Oft finden sich hier aber die Ansätze für Lösungen. Der Richter könnte also einlenken: „Sie müssen verstehen, der Sachvortrag wird vom gesetzlichen Tatbestand vorgegeben. Dort sind Ihre Äußerungen nicht vorgesehen. Ich möchte sie aber gerne hören, um Ihre Situation besser zu verstehen. Vielleicht ergibt sich die Möglichkeit einer Vereinbarung …“

Kommen Sie doch mal auf den Punkt

Wie vor. Mögliche weitere Intervention: „Mir scheint es, Ihre Ausführungen treffen nicht die fragen, über die wir hier eine Regelung zu finden haben. Ich möchte gerne berücksichtigen, was Sie vortragen wollen, ich muss es aber einsortieren könne, damit ich ihnen folgen kann. Ist das ok für Sie?“ Wieder Commitment abwarten, dann weiter in Phase 1

Arthur Trossen