Wenigstens an das Geburtsdatum wurde gedacht

Das Bundesministerium der Justiz hat den Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Sorgerechts nicht miteinander verheirateter Eltern vorgelegt. Der Titel des Entwurfs bezeichnet den gesetzgeberischen Akt als eine Reform. Eine Reform ist eine bewusst und gewollt herbeigeführte Veränderung in den sozialen Verhältnissen. Das legt die Frage nahe: Was ändert sich denn hier?

Nach der bisher geltenden Regelung des § 1626 a Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) steht die elterliche Sorge nicht miteinander verheirateten Eltern nur dann gemeinsam zu, wenn sie übereinstimmende Sorgeerklärungen abgeben oder einander heiraten. Dem Vater soll jetzt die Möglichkeit eingeräumt werden, die Mitsorge auch dann zu erlangen, wenn die Mutter keine Erklärung abgibt, die elterliche Sorge gemeinsam mit ihm übernehmen zu wollen. Die bemerkenswerte Formulierung, dass der Vater die Mitsorge zu erlangen habe, stammt übrigens aus dem Regierungsentwurf. Mithin geschieht die Übernahme der elterlichen Verantwortung weiterhin nicht durch den mehr oder weniger verantwortungsvollen Zeugungsakt und die dadurch erworbene Verantwortung, sondern durch einen mehr oder weniger verantwortungsvollen gerichtlichen Akt und die dadurch übertragene – oder  je nach Ausgang vorenthaltene – Verantwortlichkeit.

So gesehen hat sich also nichts geändert.

Was sich geändert hat ist die Möglichkeit, die gemeinsame Sorge nunmehr auch dann anzuordnen, wenn nur ein Elternteil den Antrag stellt, die gemeinsame elterliche Sorge zu übertragen. Das geht sogar, wenn der andere dazu schweigt. Es bedarf also nicht mehr einer übereinstimmenden Erklärung der Eltern. Das Familiengericht kann die Übertragung der gemeinsamen Sorge beschließen, wenn sie dem Kindeswohl nicht widerspricht.

Wenn auch keine übereinstimmende Erklärung mehr notwendig ist, so bedarf es zur Ausübung der gemeinsamen Sorge dennoch der Übereinstimmung zwischen den Eltern. Zumindest über die Ausübung der elterlichen Sorge sollte Konsens bestehen. Ganz zu schweigen von der Bereitschaft, sie auch gemeinsam auszuüben. Kritiker vermissen deshalb die Mediation in dem Spiel. Man hätte erwarten können, dass der Gesetzgeber den Eltern die Durchführung einer Mediation vorschreibt. Soweit die Kritik. Da ist sie dann wieder die von den Mediatoren so beschworene Freiwilligkeit ;-).

Aber: Mediatoren wissen, dass dieses Verfahren Sinn macht, wenn es um Übereinstimmung geht. Immerhin bezieht sie sich nicht nur auf die isolierte Sorgerechtsentscheidung, sondern auf die Zukunft der Eltern und der Familie schlechthin. Was hilft es dem Vater, wenn er eine Entscheidung zum gemeinsamen Sorgerecht durchsetzt, welche die Mutter emotional nicht akzeptiert und im späteren Verlauf boykottiert? Was hilft es der Mutter wenn sie die elterliche Beteiligung des Vaters einfordert, er aber nicht daran denkt und keineswegs bereit ist die Mutter zu unterstützen? Die Einigkeit der Eltern über das Sorgerecht ist eine Bedingung und ein Garant für die erfolgreiche Durchsetzung – wenn es gewünscht sein sollte, dass das Sorgerecht nicht nur auf dem Papier gemeinsam ausgeübt wird.

Die Notwendigkeit einer Konsensbereitschaft wird in der Begründung zu dem Gesetzesentwurf angesprochen. Sie wird dort als Kooperationswilligkeit oder Kooperationsfähigkeit deklariert. Hier wird deutlich, dass diese Bereitschaft als statisch bestehend oder als nicht bestehend festgestellt wird. Ist festzustellen, dass eine Kooperationsbereitschaft nicht besteht, dann ist es halt so und das Gericht prüft, ob eine gemeinsame Sorge dem Kindeswohl dennoch nicht widersprechen würde. Wie kann das sein?

Natürlich hätte der Gesetzgeber die Mediation erwähnen können. Statt dessen dachte er wenigstens daran, dass der Antrag des Elternteils an das Familiengericht das Geburtsdatum des Kindes zu benennen habe, row! Im Zuge dieser Akribie wird des Weiteren recht selektiv auf das FamG verwiesen. Zwar finden wir dort einen Verweis auf den entsprechend anwendbaren § 155. Leider wird nicht auf den § 156 verwiesen. Dort soll „das Gericht … in Kindschaftssachen, die die elterliche Sorge bei Trennung und Scheidung, den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen, in jeder Lage des Verfahrens auf ein Einvernehmen der Beteiligten hinwirken, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspricht.“ Leider betrifft das hier nunmehr geregelte Verfahren weder die Trennung und Scheidung, den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes. Pech! § 156 FamG ist deshalb nicht anwendbar. Vielleicht ist der antragstellende Vater gut beraten, seinen Antrag auf gemeinsame Sorge mit einer Kindesherausgabe zu verbinden, wenn er in den Genuss des § 156 FamG kommen möchte. Aber der Vater wird hoffentlich besonnen sein und eine Eskalation vermeiden wollen. So hängt es vom Fingerspitzengefühl des Richters ab ob und wie er mit dem Konflikt der Eltern umzugehen vermag oder nicht.

Dabei wäre es so einfach gewesen.

Der Gesetzgeber hätte nur den § 156 als ebenfalls anwendbar zu erklären brauchen. Dann wäre das Verfahren auch den Kindschaftssachen gleichgesetzt. Das Gericht könnte entsprechend der Sachlage beurteilen, was sinnvoll und möglich ist.

Eine Mediation generell vorzuschreiben wäre ebenfalls nicht im Sinne der Mediation. Es würde unterstellen, dass ein Konflikt vorliegt – ohne dass der Sachverhalt bekannt ist. Schön wäre es, wenn der Gesetzgeber die mangelnde Kooperationsbereitschaft nicht als ein statisches sondern als ein dynamisches, veränderbares Phänomen begriffen hätte.

Von einer Reform kann also keine Rede sein.

Aber brauchen wir denn überhaupt eine Reform? Zum Glück steht es den Eltern frei, sich unabhängig von den gesetzgeberischen und gerichtlichen Interventionen zu einigen. Auch wenn es so scheint, dass diese Option immer mehr in den Hintergrund tritt bei all den Rufen nach dem Gesetzgeber. Voraussetzung für die korrekte Elternentscheidung ist ihr Verständnis von den Kindesbedürfnissen und deren Notwendigkeit, sich mit den leiblichen Eltern – wie immer die auch sein mögen – zu identifizieren und die dafür erforderliche Rolle der leiblichen Eltern zu begreifen.

Noch meinen viele Eltern, der Elternteil sei austauschbar. Ein Vater sei so gut wie der andere. Hauptsache da ist ein Vater. Das geht aber an den psychologischen Bedürfnissen des Kindes vorbei. Ich erinnere eine Bemerkung, die eine Mutter einmal im Gerichtsverfahren machte. Sie sagte: „Sehen Sie, Herr Richter, der neue Papa ist viel besser als der alte. Er kann sich so gut auf das Kind einstellen und kümmert sich wenigstens.“ Der Richter antwortete daraufhin: „Ja, da haben Sie völlig recht. Und jetzt warten wir noch ein wenig, bis wir die ideale Mutter gefunden haben und dann hat das Kind die idealen Eltern“. Die Mutter verstand, was der Richter meinte.

Was wir lernen ist, Aufklärung und Information sind besser geeignet, dem Bürger die richtigen Entscheidungen zu ermöglichen als juristische Interventionen, die sozialpsychologisch betrachtet, sich dann doch nur als heiße Luft entpuppen.

(c) Foto: von Smallbones (Eigenes Werk) [CC0], via Wikimedia Commons