Wieder eine dpa Nachricht, die nicht gerade zur Deeskalation beiträgt. Die Schlagzeile lautet: „Russland sieht in Ukraine und Nato eine Bedrohung“. Das Wort Bedrohung wurde in Anführungszeichen gesetzt. „Das kann ja wieder nur ein kriegstreiberischer Trick sein“, suggeriert der Artikel, ohne den Gedanken explizit nahe zu legen. Die Gegenüberstellung des so beschriebenen Riesenreichs und der ausgewiesenen Atommacht gegenüber einem Land, wie der Ukraine, machen deutlich, dass so ein kleines Land den Riesen doch nicht bedrohen kann. Und die Nato, das sind doch die Guten. Von denen muss man sich doch auch nicht bedroht fühlen, wird zu einem scheinbar naheliegenden Gedanken.

Ich hoffe, es wird deutlich, dass man das Beschriebene so und anders sehen kann. Dass sich die westliche Welt von Russland bedroht fühlt, belegen die vorangegangenen Nachrichten. Immerhin rüsten die baltischen Staaten und die Nato die Grenzabwehr gegen Russland auf. Das würde man nicht tun, wenn es keine Bedrohung gäbe, oder soll es eine herbeirufen? Der Bedrohung selbst ist es ziemlich egal wer sie herbeigerufen hat. Sie kommt einfach. Wenn sie gerufen wird, wirkt sie sich ohnehin stets auf beide Seiten aus, ohne dass es darauf ankommt, wer angefangen hat oder welche Seite welche bedroht, solange nur beide Seiten mitspielen. Was bleibt ist die Bedrohung mit Vernichtung oder wenigstens einer Schädigung. Das ist eine Gefahr, der sich keine Seite entziehen kann, wenn sie über sie hineinbricht. Da macht es wenig Sinn, darüber zu streiten, wer im Recht ist oder nicht. Ein weiteres Problem stellt sich ein. Es gibt nämlich keine irdisch höhere Instanz, die diesen Streit entscheiden könnte, auch wenn die ein oder andere Seite sich gerne diese Rolle anmaßt. Die Gefahr bleibt. Ein Mediator würde dies bedenken. Er würde nicht danach fragen, wer Schuld ist oder wer angefangen hat. Er würde danach fragen, wie sich ein besseres Ergebnis herstellen ließe, ohne aber auf das Ergebnis zu schauen und ohne den Blick von den prozessual notwendigen Schritten abbringen zu lassen.

Die Schlagzeile führt weiter aus: „Die Militärdoktrin der Atommacht geht aber noch viel weiter. Russland warnt seit Tagen vor neuen Gefahren für die europäische Sicherheit“.

Scheint so, als wäre die Warnung im Westen schon älter. Immerhin sehen sich hier Prominente bereits zur Ermahnung veranlasst, Krieg zu vermeiden. Wenn das keine Gefahr beschreibt? Kaum anzunehmen, dass Russland vor sich selber warnt. Was also sind die Gefahren für die europäische Sicherheit? Etwa der Westen. wo die Menschen doch so friedliebend sind? Die Gefahren werden genannt. Man sollte nicht danach fragen ob zu Recht oder nicht. Zu groß ist die Gefahr, dass man über solche Debatten die Gefahren in ihre Realisierung führt. Die Mediation kennt einen anderen Weg. Ein Mediator hört auf die Ich-Botschaft. Er hört Sorge oder gar Angst, zumindest Misstrauen und das Unvermögen, den Gegner einschätzen zu können. Möglicherweise hört er auch Wut heraus und Enttäuschung. Übrig bliebe ein Kalkül. Aber alles das ist das Gegenteil von Sicherheit. Man vertraut sich nicht aber man traut sich auf beiden Seiten alles zu. Das erschwert die Lage und erhöht den Einsatz. Der Mediator würde mit den Parteien abstimmen, ob diese Darstellung von den Parteien gemeint war.

Das Problem wäre einfach zu lösen, wenn man darüber reden könnte. Im weiteren Verlauf des Artikels wird deutlich, worin die Sorge begründet ist. Es wird ausgeführt: „Sergej Lawrow und andere führende Politiker in Moskau warnen seit Tagen davor, dass der Nato-Kurs der Ukraine die europäische Sicherheitsarchitektur ins Wanken bringe“.

Mit der Sicherheitsarchitektur scheint die Auffassung verbunden zu sein, dass die Kräfteverhältnisse zwischen Ost und West in einem Gleichgewicht gesehen werden, das nunmehr ins Wanken gerät. So wie ein Haus, das baufällig wird, wenn man die Mauern zu sehr verschiebt. Wenn man den Eindruck hat, dass der Westen sich zu weit in fremde Angelegenheiten einmischt, (was man umgekehrt übrigens auch dem Osten vorwirft), dann findet eine Grenzüberschreitung zwar nicht im militärischen, aber im psychologischen Verständnis statt. In einer Mediation (geht auch in anderen Verhandlungen) würde der Mediator auf die Phase zwei zurückgehen und vorschlagen, „die Bedeutung der Grenzen für die Frage der Machtverhältnisse“ als Thema aufzunehmen, über das man reden sollte. Dabei wird man kaum umhin kommen, die Beziehung Russland – USA zu definieren und in ein Rangverhältnis zu setzen oder dieses aufzulösen.

Ist es beruhigend oder provozierend gemeint, wenn der Artikel ausführt: „An dem grundlegenden Verteidigungscharakter der Doktrin ändert sich nach den Worten von Kremlchef Wladimir Putin nichts“. Die beruhigende Wirkung dieser Aussage verliert sich in dem Zitat eines Einzelnen. Damit wird die Aussage als eine Behauptung qualifiziert. Es hätte anderenfalls eine Wahrheit werden können. In jedem Fall ist die Aussage stimmig mit der Behauptung, sich bedroht zu fühlen. Nur dann bedarf es einer Verteidigung.

Nun wird man im Westen denken: Wenn der, dem ich nicht traue, aufrüstet, dann ist das bedrohlich. Dann mach ich das besser auch und zwar noch viel bedrohlicher. Vertrauen stellt man anders her.

Soll es beruhigen, wenn der Artikel nicht versäumt, auch den atomaren Präventivschlag zu erwähnen? Schon das Wort verdreht die Welt, beschreibt es doch eine vorsorgliche Vernichtung. Was vernichtet ist, braucht keine Sorge mehr. Der vernichtende Schlag ist dann aber kein Präventivschlag, sondern ein Einschlag.

Vertrauen findet übrigens zwischen Menschen statt. Glücklicherweise gibt es da gibt es ganz Viele, sowohl im Westen wie auch im Osten. Wie wäre es, wenn weinigstens diese Menschen sich im Vertrauen üben, damit die Regierungen von ihnen lernen, wie man Probleme friedlich löst.

(c) Foto: President Barack Obama of the United States meets with Russian
President Vladmir Putin at the G8 Summit in Lough Erne,
Northern Ireland on 17 June 2013. Quelle: White House, via wikimedia