Angeblich ein wirklicher Fall

Medi und Ator sind schon seit unvordenklichen Zeiten miteinander liiert. Sie, Medi, ist das vermittelnde Element in der Beziehung. Er, Ator, das bewirkende. Beide zusammen haben es schon sehr weit gebracht. Für viele sind sie so eine Art Vorbild geworden. Viele Menschen bewundern Medi und Ator wegen ihrer Art und Weise, wie sie mit Problemen umgehen. Ganz ohne Streit.

Weil Medi und Ator wissen, welch fruchtbarer Boden Weihnachten für Konflikte ist, haben sie sich auf Weihnachtsmediationen spezialisiert.

In diesem Jahr haben sich die Beiden etwas ganz besonders einfallen lassen. Die Mediation soll bekannter werden. Deshalb haben Medi und Ator sich überlegt, dass wir als stille Beobachter einmal bei einer hochkarätigen Konfliktlösung dabei sein dürfen.

Es ist Heilig Abend, der 24.12. 17 Uhr.

Es klingelt an der Tür des Mediationsbüros von Medi und Ator. „Medi/Ator – Weihnachtsmediationen“ steht in großen Leuchtbuchstaben über der Eingangstür. Medi und Ator haben sich das lange überlegt. Sie wollen sich als Spezialisten einführen und haben deshalb kurzerhand den Begriff der Weihnachtsmediation eingeführt. Immerhin erscheinen sie jetzt als DIE Fachmediatoren und was noch besser ist, sie sind die Einzigen ihrer Art. Dass es diese Mediationsart eigentlich gar nicht gibt ist für sie kein Problem. Ator wird einen Artikel veröffentlichen, in dem er die etwas andere Methodik dem breiten Publikum vorstellen will. Natürlich wird er erwähnen, dass es einer besonderen Kompetenz bedarf, um Weihnachtsmediator zu werden. Medi und Ator haben sich überlegt, dass sie diese Kompetenz ja ihren Kollegen vermitteln könnten. Sie unterstreichen damit ihre altruistische Haltung. Beide arbeiten bereits an einem Curriculum. Es ist für sie nur ein willkommener Nebeneffekt, dass sie so die Zeit zwischen Weihnachten gut überbrücken können, ohne ihr Thema aufzugeben. Anderenfalls gäbe es ja diese 363 Tage im Jahr, an denen sie keine Mediation durchführen können, haben sie sich überlegt. Das aber wäre gar nicht in ihrem Sinne, wo sie doch mit so viel Freude und Engagement die Tortur einer Mediatorenausbildung hinter sich gebracht hatten.

„Wer mag das sein?“ fragt Medi erwartungsfroh. „Sicher schon einer der Medianden“ meint Ator. „Unser erster Kunde!“ fügt er hinzu. Und tatsächlich; der vereinbarte Termin steht vor der Tür. Es ist ein alter Mann in einem roten Gewand. Er hat weißes langes Haar und einen weißen Bart. „Sie sind sicher der Herr Weihnachtsmann?“ fragt Ator. Es war eine rhetorische Frage. Ohne die Antwort abzuwarten führte er deshalb fort: „Schön, dass Sie zur Mediation gefunden haben“. Noch bevor Herr Weihnachtsmann etwas sagen konnte, wurde er auch schon in das Mediationszimmer geführt. „Setzen Sie sich!“ wurde ihm befohlen.

Wieder klingelt es. Diesmal geht Medi an die Türe. Ein kleiner Mann mit langen Ohren stand vor ihr. Medi musste sich bücken, um ihn überhaupt zu sehen. „Sie sind sicher der andere Mediand?“ fragte Sie. „Ja“ lautete die Antwort, obwohl der Besucher gar nicht wusste, was das ist. „Ich bin Herr Osterhase“ antwortete er, um sicher zu gehen. Medi ließ sich nicht beeindrucken. Schon gar nicht ließ sie sich ihre Verwunderung über die Erscheinung des Herrn Osterhasen anmerken. „Ich muss die anderen Menschen respektieren und akzeptieren. Jeder ist wie er ist und das ist gut so“ redete sie sich ein. So richtig überzeugend fand sie das aber nicht. Das war schon eine merkwürdige Erscheinung. Sie führte Herrn Osterhase ins Mediationszimmer. „Bitte setzen Sie sich, wohin Sie möchten“. Das war ein Trick, den Medi im Training gelernt hat. Der Mediand soll glauben, er habe eine Wahl. Tatsächlich war das aber der einzige freie Stuhl. Medi und Ator können an dem Verhalten das Selbstbewusstsein und den Streitstand der Parteien ablesen. Und was sehen sie jetzt? Herr Weihnachtsmann, der wegen seiner Körperfülle kaum auf dem kleinen Ledersessel Platz finden konnte, wandte sich sofort ab. Er blickte gegen die Wand, um ja nicht den Osterhasen anschauen zu müssen. Und der Osterhase? Er setzte sich auf den freien Ledersessel. Er versank geradezu darin. Weil er so klein war kam er neben dem Weihnachtsmann kaum zur Geltung. Da half er mit einigen Schimpftiraden nach. „Sie, Herr Weihnachtsmann, wissen Sie eigentlich, dass Sie ohne mich gar nicht existieren würden?“ fauchte der Osterhase während er sich demonstrativ vom Weihnachtsmann abwandte. „Das müssen Sie gerade sagen, HERR Osterhase“. Das ‚Herr’ war jetzt etwas überpointiert. Das bemerkten Medi und Ator natürlich sofort. Sie schauten sich kurz an und entschieden sich einzuschreiten. Vorher wollten sie sich aber abstimmen. Das war schon ein komisches Paar dachten sie.

Unter einem Vorwand verließen sie den Raum: „Wir müssen Ihnen Plätzchen anbieten“ sagten Sie. So haben sie es gelernt. „Wir gehen sie gerade holen. Bitte warten sie einen Moment, wir kommen sofort zurück.“ Das war Herrn Weihnachtsmann und Herrn Osterhase gar nicht recht. Sie machten gute (oder besser: böse) Mine zum bösen Spiel und straften zunächst sich und dann sowohl Medi wie auch Ator mit Missachtung. Beide schauten nur noch auf die Erde – aber an der Wand ausgerichtet, versteht sich. Wenigstens schrien sie sich nicht an.

Medi fühlt sich gar nicht so wohl in ihrer Haut. „Wie soll man da vermitteln?“ fragte sie sich und Ator. „Du machst das schon wusste Ator nach seiner vielstündigen Ausbildung die Lage einzuschätzen. „ist Dir was aufgefallen?“ fragte er Medi. Und jetzt konnte Medi endlich ihr Herz ausschütten. Denn verwundert war sie schon ab dem Moment, wo der Herr Weihnachtsmann eingetreten war. Und mit dem Herrn Osterhasen hat sich dieses Gefühl ganz sicher nicht gelegt. Sie kennt diese Stimmung. Das hat sie schon in den Selbsterfahrungskursen erlebt. Deshalb kann sie jetzt ganz ungeniert mit Ator über ihre eigenen Gefühle sprechen. Da Ator in seiner Ausbildung einige Supervisionsstunden absolviert hat, weiß er auch trefflich damit umzugehen. Damit überspielt er, dass er sich ja auch gar nicht soooo sicher fühlt. „ja, das ist wirklich ein merkwürdiges Paar“ sagt er zu Medi. „Das kannst Du wohl sagen. Der eine so dick, der andere so klein, das ist ja ein totales Ungleichgewicht.

Medi hat gelernt, dass eine Machtbalance nicht geduldet werden darf. „Was machen wir dagegen?“ fragt sie Ator. „Ich weiß es auch nicht“ antwortet er ehrlich. Und nun gesteht er in Anbetracht des Ernstes der Lage: „Weißt Du Medi, ich hab ja nur 120 Stunden Ausbildung. Da hatten wir so dicke und alte Medianden nicht. „Meinst Du die sind überhaupt mediationsfähig?“ „Da hab ich große Bedenken“ antwortete Medi. „Und mir scheint auch, dass es sich um einen hoch eskalierten Konflikt handelt. Was hast Du eigentlich für eine Honorarvereinbarung getroffen?“ „Nun“ antwortete Ator. „Der eine wollte was in die Strümpfe stecken und der andere hat was von Eiern gesagt. So richtig, muss ich zugeben, haben wir darüber nicht gesprochen. „Meinst Du wirklich“ faucht Medi jetzt, „ich reiß mir hier den …. auf für lau? Das ist ein großer Konflikt also bekommen die eine große Hilfe und das muss sich in einem großen Honorar niederschlagen. Was sollen die denn sonst von uns halten? Die könnten ja denken unsere Arbeit sei nichts wert?“ Ohne es zu merken verloren sich Medi und Ator in genau den Diskussionen, die schon bei dem letzten Mediatorenkongress von 574 Mediatoren nicht gelöst werden konnten. Nach ca 15 Minuten brachen sie die Diskussion ab. „Da können wir jetzt nichts dran machen“ bemerkte Ator sachkundig. „Da müssen wir jetzt durch“ stimmte Medi zu. „Dann lass uns mal schauen wie wir die geknackt kriegen“, sagte Ator. Medi noch skeptisch und in der Hoffnung, der Kelch könne an ihr vorüber gehen: „Dann sprich doch bitte auch die Mediationsfähigkeit der beiden an. Ich hab da wirklich meine Zweifel, ob die den Anforderungen unseres Gesprächs gewachsen sind. Und vergiss ja nicht die Regeln!“. „Klaro“ antwortet Ator, um seine Unsicherheit zu überspielen.

Als Medi und Ator das Mediationszimmer betraten, saßen die beiden Kontrahenten unverändert abweisend dort. Ator ergriff das Wort. Beziehung aufbauen, erinnert er sich, ist jetzt angesagt. Deshalb erkundigt er sich: „Hatten Sie eine weite Anreise?“ „Das kann man wohl sagen“ antwortete der Herr Weihnachtsmann. „Aber wie Sie sehen, bin ICH hier; und zwar pünktlich“. Sowohl Medi als auch Ator bemerkten den abfälligen Blick von Herrn Weihnachtsmann als er dabei den Herrn Osterhasen anschaute. „Das ist ja wohl nicht meine Schuld“ fauchte der Herr Osterhase zurück. Auch das bemerkten Medi und Ator. Herr Weihnachtsmann ließ sich aber nicht beirren. Er fuhr fort: „Nur mit dem Parkplatz, da müssen Sie mal was machen. Ich hatte große Schwierigkeiten meine Rentiere einzuparken.“ „Oh, das ist interessant“ fiel es aus dem Mund von Medi. „Das hat uns noch niemand gesagt. Danke für die Kritik. Wir werden darüber sprechen.“ Medi und Ator fühlten sich – das mussten sie sich später eingestehen – etwas angegriffen. Wer rechnet schon mit einem Rentierfahrzeug? Der Blödmann, was denkt der sich denn eigentlich. Nur weil Medi und Ator gelernt hatten, dem Medianden niemals zu widerprechen, haben sie ein Gespräch in Aussicht gestellt. Einen Rentierparkplatz werden sie aber ganz sicher nicht einrichten. Das baucht es auch gar nicht, denn bei einer erfolgreichen Mediation ist der Konflikt doch nachhaltig gelöst und der Herr Weihnachtsmann braucht ja gar nicht mehr hier zu parken. Das wird der also gar nicht merken, wenn Medi und Ator nicht einmal daran denken, den Parkplatz für Rentiere auszubauen. Nun bemerken unsere Profis, dass sie wieder abschweiften mit ihren Gedanken. Sofort ergriff Ator das Wort, ohne auf die Antwort des Herrn Osterhasen zu warten. Wir erfahren also jetzt nicht, wie ER angereist kam. Aber dafür war das Parkplatzthema vom Tisch. Medi und Ator verbuchten das durchaus als einen ersten Erfolg.

Ator entschied sich, das Problem der Mediationsfähigkeit und des Machtgefälles mittelbar anzugehen. Er war Profi und dachte deshalb, als solches stellt man sich erst mal vor. Steht ja auch so im Gesetz. „Ich bin Ator. Das ist Medi. Wir beide sind sehr erfahrene Mediatoren. Wir haben uns auf Weihnachtsmediationen spezialisiert. Ich bin übrigens zertifizierter Mediator. Meine Kollegin ist nur Mediatorin (hähä)“. „Ich bin MAS, das bedeutet Master of Arts and Sciences. Ich bin also ein MASTER of Mediation“, korrigierte Medi vorlaut. Ator ließ sich von dieser Störung ganz bewusst nicht beeindrucken. Dass Medi ihren Master so betonte missfiel ihm dennoch. Ator hatte gelernt, dass Störungen Vorrang haben. Er war sich gerade nicht sicher, ob dieser Grundsatz auch dann gilt, wenn es nicht der Klient ist, der stört, sondern die Kollegin. Ator half sich blitzschnell, indem er Medi’s Einmischung aus seiner fachlichen Einschätzung heraus nicht als eine Störung, sondern als einen – aus seiner Sicht eher peinlichen – Versuch einer besserwisserischen Selbstdarstellung qualifizierte. Ator reagiert deshalb ganz bewusst mit der Technik des Ignorierens. Er bereicherte die Technik gerade mit einen vielsagenden, auf Medi gerichteten Blick. Medi verstand sofort. Die beiden waren eben ein eingespieltes Team.Schon in den Peer-Groups hatten sie öfters zusammen die Co-Mediation geübt. Ator konnte nun, ohne sich weiter aus dem Rhythmus bringen zu lassen, fortfahren: „Wissen Sie was ein zertifizierter Mediator ist?“ Sein Blick richtet sich jetzt auf die Medianden und zwar auf BEIDE. Ator bewegt seine Augen ganz bewusst so dass er zunächst Herrn Weihnachtsmann und dann Herrn Osterhasen anschaut und umgekehrt. Er hat diesen Darth-Vader-Blick lange studiert. Medi ist stolz auf ihn.

Nun erklärt Ator was ein zertifizierter Mediator ist. Er schwärmt von seiner Ausbildung und davon, wie viel ihm die Mediation jetzt schon in seiner mentalen Entwicklung gebracht hat. Medi kommt ab und zu auch zu Wort, um auch ihre Kompetenz mit den vielen Kursen, die sie schon absolviert hat einzubringen. So was macht man doch nicht umsonst, denkt sie sich. Nach gefühlten 10 Minuten rechtfertigen die Beiden noch ihre Selbstdarstellung mit dem Hinweis auf das neue Gesetz und nicht ohne davon zu schwärmen, wie Mediatoren nun ähnlich wie Medi und Ator in die Schlacht ziehen´, um die Streitkultur zu verbessern. „Irgendwie arbeiten wir da am gleichen Problem, scheint mir,“ bemerkt Ator gegenüber den Medianden, um ohne Unterbrechung seinen Vortrag über die Mediation abzuspulen. „Mediation, wissen Sie, ist ein Verfahren bei dem Sie selbst die Lösung für ihren Konflikt finden sollen. Medi und ich helfen Ihnen dabei“. „Haben Sie das verstanden?“

Diese Frage haben Medi und Ator dem Mediationsgesetz entnommen. Da steht nämlich dass man sich zu vergewissern hat ob die Medianden das auch wirklich alles kapieren was sie hier machen sollen. Die Mimik von Herrn Weihnachtsmann und Herrn Osterhase bleibt eisig. Niemand sagt etwas. Medi und Ator interpretieren diese Reaktion vorsorglich als Zustimmung. Man muss ja die Probleme nicht schon in der ersten Sekunde auf den Tisch legen. Das ist ihre Strategie. Sie versuchen zu beschwichtigen aber vorsorglich – ganz nach dem Motto: wehret den Anfängen – wollen sie lieber Regeln einführen. Das ist wichtig haben sie gelernt.

Regeln einführen ist natürlich Ator’s Domäne also fährt er unbeeindruckt fort: „Wir haben Regeln hier! Sie müssen sich ausreden lassen. Sie dürfen sich nicht beleidigen. Wenn Sie sich aus Versehen doch beleidigt haben müssen Sie sich entschuldigen. Sie müssen fair miteinander umgehen. Das heißt nicht an den Ohren oder am Bart ziehen. Ist das klar?“

Eingeschüchtert nicken Herr Weihnachtsmann und Herr Osterhase. Ator’s Strategie scheint aufzugehen. Bei ihm stellt sich das „Jetzt wissen die wo der Hammer hängt“-Gefühl ein. Medi und Ator sind stolz auf sich. Ermutigt führt Ator die Regeln weiter aus:

„Sie dürfen auch nicht allzu viel reden, wenigstens nicht mehr als der Andere. Deshalb führen wir Redezeiten ein. Jeder darf nicht mehr als 2 Minuten reden. Meine Kollegin wird die Zeit stoppen. Ist das klar?“ Als wäre es eine Aufforderung gewesen, legt jetzt Herr Osterhase vor: „Der Herr angebliche Weihnachtsmann hier, der sollte sich mal an solche Regeln halten. Das kann der gar nicht. Ausreden lassen, das ist ja ein Fremdwort für den. Der hat ja überhaupt keine Manieren. Schauen Sie doch mal wie der sich hier breit macht. So ist der immer. Da ist es doch unmöglich ein vernünftiges Wort auszutauschen. Das setzt ja Gehirn voraus ….“. Auf die Wiedergabe der weiteren Tiraden wird hier aus pädagogischen Gründen und aus Anlass des Weihnachtsfestes verzichtet.

Nun der durchaus konstruktiv gemeinte aber sprachlich missglückte Einwurf von Herrn Osterhasen gab den Mediatoren die erste gute Gelegenheit die Wirksamkeit ihres Reglements auszuprobieren. Ohne darauf einzugehen, was Herr Osterhase sagte, führte Ator nun süffisant ein: „Sehen Sie, das ist der Grund warum wir Regeln brauchen. So – das kann ich Ihnen versprechen – kommen Sie nie zu einem Ergebnis!“ Ator sagte dies in einem bestimmenden Ton. Den hat er vor dem Spiegel lange geübt. Es klappt. Keiner sagt mehr was. Dass Medi und Ator nicht auf das eingegangen waren, was Herr Osterhase sagen wollte, haben sie so gelernt. Erst die Regeln, dann das Vergnügen hatte ihr Trainer immer wieder gesagt. Er hatte wohl Recht damit.

Die beiden haben wir im Griff, stellen Medi und Ator jeweils fest. Bleibt das Problem mit dem blöden Machtgefälle. Medi und Ator konnten sich nicht wirklich abstimmen, wie man damit umgeht. Deshalb entscheidet sich Ator für eine offene Intervention. Ganz ungeniert spricht er das Gefälle an: „Wenn Sie wüssten wie das auf uns wirkt“ sagte er fast scheinheilig. Ohne eine Antwort abzuwarten fuhr er fort: „Da sitzt der große schwere Herr Weihnachtsmann. Sie haben die „kalte“ Seite dem Herrn Osterhasen zugewandt. Ihre Arme sind über der Brust gekreuzt. Sie sind verschlossen und dominant“. Zack jetzt weiß er es. Mal sehen wie der das schluckt, dachte sich Ator.

Der Herr Weihnachtsmann fühlt sich getroffen. Mit einem leicht aufgebrachten Unterton antwortet er nicht gerade leise: „Ich bin ÜBERHAUPT nicht verschlossen!“ „Doch“ antwortet Ator. Sie haben die Arme über der Brust gekreuzt. Ihre Körpersprache sagt deshalb, dass Sie sich nicht öffnen wollen. Auch Ihre dominante Haltung drückt etwas aus. Sind Sie überhaupt freiwillig hier?“ „Nein, das bin ich weiß Gott nicht“ antwortet der Herr Weihnachtsmann. Jetzt mischt sich der vorlaute Herr Osterhase ein und bestätigt: „Ich auch nicht“. Medi und Ator sind irritiert. Können Sie das Verfahren denn dann überhaupt durchführen? Sie fangen an zu zweifeln. So ein blöder Fall und das an Weihnachten. Hätte man da nicht einfach eine Wirtschaftsmediation draus machen können? Aber diese Frage stellt sich erst mal nicht.

Jetzt müssen Medi und Ator die beiden freiwillig machen. Bevor sie sich über eine geeignete Intervention einig werden konnten, fuhren der Herr Weihnachtsmann und der Herr Osterhase wie aus einem Munde fort: „Der Jesus hat uns geschickt. Er hat gesagt, wenn wir das nicht in den Griff kriegen dann gibt’s bald weder einen Weihnachtsmann noch einen Osterhasen. Dann ginge er selber die Geschenke in Strümpfe stecken und Eier verteilen. Er sei es jetzt leid und man müsse doch sowieso alles alleine machen. Heutzutage sei ja auf niemanden mehr Verlass“.

Medi und Ator spüren die beiderseitige Betroffenheit. Sie sehen darin ein gutes Argument, die Freiwilligkeit herzustellen. Ator sagt deshalb: „Wenn Sie nicht freiwillig teilnehmen, dann geht das nicht. Also wie sieht es jetzt aus?“ fragte er. Um die Entscheiding der beiden noch zu erleichtern fügte er hinzu: „wird von Herrn Jesus erwartet, dass ich ein Ergebnis mitteile oder dass Sie hier waren?“ Natürlich weiß Ator dass er das Ergebnis nur mit Zustimmung der Medianden vorlegen kann. Aber das ist ein Thema, das man am Ende erörtern mag. Herr Weihnachtsmann und Herr Osterhase hatten keine andere Wahl. Wenn es bei Jesus herauskommt, dass sie auch DAS Verfahren geschmissen haben, das wäre eine Katastrophe. Beide sagen also „Ja, wir sind freiwillig hier“.

Medi und Ator fällt ein Stein vom Herzen. Sie sind auch stolz über ihr unauffälliges Geschick, Informationen einzuführen. Haben sie doch so erfahren, dass es da noch einen Jesus gibt. Die Probleme werden nicht weniger. Medi denkt wieder über die Honorarfrage nach und meint, dass so ein schwerer Fall viel besser honoriert sein müsse. Sie verliert sich in die Gedanken, wie sie das Honorarthema nochmals ansprechen kann. Ator nimmt sie in die Verfahrensrealität zurück. Er nutzt einen Vorwand, um eine Auszeit für ein Gespräch mit Medi zu finden. Immerhin ist sie ja seine Co-Mediatorin. Da sollte er schon die Fragen, welche die grundsätzliche Durchführbarkeit des Verfahrens betreffen auch mit ihr abstimmen. Er sagt deshalb dem Herrn Weihnachtsmann und dem Herrn Osterhasen zugewandt: „Sie haben ja noch gar nichts von dem Spekulatius gekostet“. In einer gespielten Überraschung fuhr er fort: „Oh je, ich bemerke gerade wir haben hier Weihnachtsgebäck aber keine Ostereier. Um unsere Neutralität zu unterstreichen gehen wir, Medi und ich, deshalb mal gerade in die Küche und suchen nach Ostereiern“. „Darin bin ich Profi“ rief der Osterhase und grinste. „Nein, nein, danke für das Angebot. Wir machen das schon. Vielleicht warten Sie bitte einen Moment, wir sind sofort zurück“.

In der Küche fassen Medi und Ator zusammen: „Es gibt also noch so einen Typ. Sollten wir den nicht auch einladen?“ „ich weiß nicht antwortet Ator. Scheint der big Boss zu sein. Wir haben jetzt schon so ein Ungleichgewicht, ich glaube nicht dass das dann besser wird. Die beiden verlieren sich in Diskussionen. Plötzlich wird ihnen bewusst: „Wir sollten mal wieder zu den Medianden gehen, was meinst Du?“ fragt Medi. „Muss wohl“ antwortet Ator. „Du machst das schon“ gab Medi ihm noch auf den Weg. Der empathische Ator sah darin die Aufforderung, irgendetwas zu tun, Hauptsache er tut was. Und das tat er dann auch.

Wieder im Mediationszimmer ergriff er das Wort: „Hier das ausgleichende Gebäck. Fällt Ihnen etwas auf, wenn das Gebäck – Hier der Spekulatius, dort die Schokoladeneier so friedlich nebeneinander stehen?“ Medi war begeistert über so eine schlaue Intervention. Sie visualisierte das Problem und leitet den Transformationsprozess ein. Besser hätte sie es nicht machen können. Der Weihnachtsmann antwortet: „Ja die Eier sind von Milka“. Der Osterhase fuhr ihm in die Flanke und ergänzte: „Und der Weihnachtsmann von Coca Cola“. Medi und Ator schauen sich verstört an. Ja, sie haben auch davon gehört, dass der Weihnachtsmann eine Erfindung von Coca Cola sein soll. Das kam letztens im Fernsehen. Sie fühlen sich motiviert. Das ist ja ein großes Ding hier sagen sie jeweils zu sich selbst. Offen zugeben würden sie das nicht. Schon gar nicht vor den Medianden. Beide fühlen sich aber jetzt umso mehr unter Druck, das Verfahren gut hinzukriegen und eine tolle Lösung zu präsentieren. Man muss sich nur vorstellen, kommt es beiden in den Sinn, Coca Cola wird unser Kunde!. Die Realität holt beide zurück. Sie mahnt dazu, sich auf das Verfahren zu konzentrieren. Da sind ja noch mehr im Spiel fällt beiden auf. Sie sind eben Profis.

Sowohl Medi als auch Ator würden am liebsten wieder Plätzchen holen gehen. Sie glauben jedoch, dass dies nun auffällig werden könnte. Mediatoren, so haben sie gelernt, müssten auch Schauspieler sein. Also spielen sie ihre Gelassenheit. „Ach so“ sagt Ator. „Mika und Coca Cola“. Trotz all des möglichen Renommes, das dieser Fall einbringen kann, zweifelt er gerade an der Mediationsfähigkeit des ungleichen Paares. Coca Cola, Milka, da hätte man auch sicher noch den Knecht ruprecht erwähnen können, kommt es Ator in den Sinn. Als guter Schauspieler merkt man es ihm aber nicht an, wie er zu rudern beginnt.

„Ich fasse einmal zusammen“ führt er fort. Hatte er doch gelernt dass dies immer eine gute Intervention ist, wenn der Mediator mal nicht weiter weiß. Deshalb führt er aus: „Sie sind also der Weihnachtsmann. Sie sind der Osterhase. Da gibt es noch einen Jesus und es gibt Coca Cola und Milka. Hab ich das so korrekt verstanden?“ „Was ist daran so schwer“ fragte der Osterhase vorlaut. „Ja“ bestätigte der Weihnachtsmann verhalten.

„Gut“ sagte Ator jetzt und wusste nicht mehr weiter. Darauf folgte eine Weile des Schweigens. Schweigen haben Medi und Ator gelernt seien wichtige Intentionen. Sie genießen es gerade, dass es für alles, was man macht, eine schöne Erklärung gibt.

Das Schweigen zahlt sich aus. Herr Weihnachtsmann hält es nicht mehr aus. Er prescht nach vorne indem er sagt: „Der LIEBE (das war eine sarkastische Überhöhung) Herr Osterhase soll es mal unterlassen, seine Schokoladenostereier wie Weihnachtsmänner aussehen zu lassen. Das ist doch entwürdigend, wenn die Kinder später an Ostern den Osterhasen auspacken wollen und dann einen Weihnachtsmann unter der Folie finden. Das ist nicht schön für die Kinder und auch nicht für mich“. Das hält der Herr Osterhase jetzt nicht mehr aus. Er fährt dazwischen: „Für mich erst recht nicht. Und Coca Cola sollte sich einmal daran erinnern, dass es nicht nur einen Nikolaus, sondern auch einen Osterhasen gibt!“

Medi und Atrto sind zufrieden. Jetzt ist das Problem endlich auf dem Tisch. „Die sind neidisch aufeinander“ flüstert die einfühlsame Medi dem Ator ins Ohr.

„Was flüstern Sie?“ fragte der Herr Weihnachtsmann empört. Er bekräftigt: „Was gibt es da nur zu flüstern?“ Oups das war wohl ein Fehler. Wieder Plätzchen holen, das geht nicht. Wie können sich die beiden aus der Affäre ziehen? Ator, der mit seinen 120 Stunden die bessere Ausbildung genossen hatte, ergriff das Wort: „Nun, Sie haben uns vor eine unerwartete Situation gestellt. Sie hätten und vorher sagen müssen, dass da noch mehr Personen eine Rolle spielen. Was glauben Sie? Wie soll man verhandeln, wenn die wichtigsten Personen nicht am Tisch sitzen?“

„Die wichtigste Person, das bin ja wohl nur ich“ entgegnet der Herr Weihanchtsmann. „Nein ich“ betonte der Herr Osterhase. „Ich“, „Nein ich“, „Wohl ich“, Nein auf keinen Fall, Ich“, „Ich“, „Niemals, Ich“ usw. Nach 2,5 Minuten des Austauschs spürt Ator, dass er eingreifen muss. „Wir haben Regeln vereinbart. Halten Sie sich bitte daran“. „Wieso?“ fragte der Herr Weihnachtsmann, „ich hab gegen keine Regel verstoßen. Es wird ja wohl möglich sein, die Wahrheit zu sagen“. „Die Wahrheit, dass ich nicht lache“ provoziert der Herr Osterhase. Ator ergreift das Wort: „Also so geht das nicht. Sie müssen sich schon an die Regeln halten. Ich erteile Ihnen ab jetzt das Wort. Diese Regel führe ich jetzt ergänzend ein “.

Wieder ist Ator von seiner Verhandlungsautorität begeistert. Das macht ja richtig Spaß denkt er bei sich. „Nun es scheint mir, Sie haben einen deftigen Beziehungskonflikt miteinander“ wagt er sich nach vorne und in die Phase 2 hinein. Sie streiten um Äußerlichkeiten und echauffieren sich dabei ziemlich heftig. Das sind die Anzeichen für einen Beziehungskonflikt. Wie sehen Sie das, soll ich „Beziehungskonflikt“ ,mal als ein Thema notieren, über das sie verhandeln sollten?“

„So ein Blödsinn, wir haben keinen Beziehungskonflikt. Wir haben nicht einmal eine Beziehung“ antwortet der Herr Weihnachtsmann. Jetzt krieg ich ihn denkt Ator und fragt: „Warum sind Sie dann hier, wenn Sie nicht einmal eine Beziehung, geschweige denn einen Konflikt haben?“. „Das hab ich doch schon gesagt“ antwortet der Herr Weihnachtsmann etwas genervt. „Jesus hat mich geschickt“. „Mich auch sagt der Herr Osterhase und bestätigt: „Der da hat aber recht. Wir haben keine Beziehung. Mit dem kann man keine Beziehung haben“.

Wieder meint Ator die Medianden an die Einhaltung der Regeln erinnern zu müssen. „Sie haben sich der Regel unterworfen, sich nicht zu beleidigen. Halten Sie sich bitte daran“. „Erstens hab ich mich keiner Regel unterworfen und zweitens war das keine Beleidigung“.

Ator ignoriert den Einwand. Er ist auf einer Spur und die will er jetzt verfolgen. Rhetorisch geschickt führt er aus: „So, sie haben also keine Beziehung. Sie haben auch keinen Konflikt. Sie sind hier weil Sie befohlen wurden. Hab ich das richtig verstanden?“ „Das ist ja wohl nicht so schwer zu verstehen oder?“ antwortet der Herr Weihnachtsmann. „Der braucht ja nur Ostern nicht zu erwähnen“ raunt der Herr Osterhase, „Dann wäre alles ok“. „Und der soll keine Weihnachtsmänner in Osterhasenfolie einpacken“ mault der Herr Weihnachtsmann. „Das kann ich doch gar nicht. Das macht doch Milka. Da kann ich doch nichts dafür“, sagt der Herr Osterhase. „Und ob Coca Cola außer Weihnachten auch Ostern vermarktet, das ist doch nicht mein Problem“ sagt der Herr Weihnachtsmann. „Sie können ja gerne mit Coca Cola verhandeln“ fügt er an. „Und sie mit Milka“ antwortet der Herr Osterhase.

Medi spürt, dass dies jetzt eine gute Wendung bedeutet. Schlau mischt sie sich ein: „Ich habe schon davon gehört, dass die Industrie, um Geld zu sparen, die Schokoladenkörper umverpackt. Aber da soll nichts dran sein. Ich hab gehört die Nikoläuse werden in den Biomüll gegeben, was ich ehrlich gesagt auch nicht verstehe“.

„Wo bin ich hier?“ entrüstet sich der Herr Weihnachtsmann. „Halten Sie sich gefälligst selbst mal an die Regel mich nicht zu beleidigen!“. „Das war keine Beleidigung“ rechtfertigt Medi, um anzufügen: „Es wäre für die Industrie viel zu teuer die Schokoladenfiguren umzupacken….“

Ator tritt ihr ans Schienbein. Medi versteht sofort. Sie hat eine Meinung und löässt suich gerade dazu hinreißen, Vorschläge zu unterbreiten. Gut, wenn man einen so gut ausgebildeten Co-Mediator hat. Sofort greift sie den Faden der Mediation wieder auf und sagt: „Wenn ich also zusammenfasse, dann ist es ihr Interesse, möglichst nicht mit dem Herrn Osterhasen bzw. dem Herrn Weihnachtsmann verwechselt tu werden. Kann man das so sagen?“ „Endlich versteht uns einer“ sagen Herr Osterhase und Herr Weihnachtsmann nun wie aus einem Mund. Medi fährt ermutigt fort: „Wir haben auch gehört dass die Entscheidung gar nicht Ihnen sondern Milka und Coca Cola obliegt. Haben wir das so richtig verstanden?“

„Ja das sieht so aus“ antworten die Kontrahenten nunmehr etwas kleinlaut. „Nun“, fährt Medi siegessicher fort: „Dann ist der Fall doch ganz einfach. Verhandeln Sie nicht gegeneinander sondern mit Coca Cola und Milka oder noch besser, verhandeln Sie gemeinsam mit Coca Cola und Milka“. „Das ist eine super gute Idee, das machen wir“ bedanken sich Herr Weihnachtsmann und Herr Osterhase. In dem Moment denkt Medi wieder an das Honorar. Sie fügt deshalb schnell noch an: „Und wir sind gerne bereit, auch die weiteren Verhandlungen mit einer Mediation zu begleiten. „Das würden Sie tun?“ freuen sich Herr Weihnachtsmann und Herr Osterhase, „Dann machen wir das auch so!“.

Meid uns Ator sind stolz wie sie die Beiden zu einem guten Ergebnis gebracht haben. „Haben wir das nicht toll hingekriegt?“ fordert Medi das eher rhetorisch gemeinte Lob ein. „Ja, aber …“ will Ator fortführen, als Medi ihm über den Mund fährt: „Du hast gelernt nicht ‚aber’ zu sagen!“ ermahnt sie Ator. „Aber“ ignoriert er den Einwand, „das war keine Mediation was Du gemacht hast.“ Das konnte sich Ator nicht verkneifen. „Wieso?“ fragt Medi neugierig. „Du hast Vorschläge gemacht“ nun entbrannte zwischen Medi und Ator eine heftige Diskussion. Streit wollen wir das mal nicht nennen, denn Mediatoren streiten ja nicht. Aber Medi hält Ator schon vor, dass er das ja gar nicht beurteilen könne mit seinen nur 120 Stunden. Das war dann der Auftakt für eine Mediationa an Weihnachten, die Medi und Ator den Ruf eingebracht hat Weihnachtsmediatoren zu sein. Denn jedes Jahr an Weihnachten, dann brauchen sie eine Mediation.

Herr Weihnachtsmann und Herr Osterhase unterhielten sich noch vor der Türe. „Eigentlich arbeiten wir doch am gleichen Thema“ sagte Herr Weihnachtsmann. „Ja, ich bin am Anfang dran so mit der Geburt und so und Du am Ende so mit der Kreuzigung und der Auferstehung. Und würdest Du nicht auferstehen, dann gäbe es im Folgejahr ja kein Weihnachten mehr“ Diese Überlegung hat den beiden gezeigt, wie wichtig der eine für den anderen ist. Sie gaben sich die Hand und wünschten sich eine frohe Weihnacht.

So hat die Mediation doch noch zu einem Erfolg geführt.