Vergleiche im Zivilgerichtsverfahren sind ein Wegbereiter der Mediation, wenn sie professionell verhandelt werden. Obwohl die Schlichtung ein Teil des richterlichen Auftrags ist, bleibt es dem persönlichen Engagement des einzelnen Richters überlassen, ob und wie er sich diese Professionalität aneignet. Wege zur Kooperation beschreibt eine Herangehensweise, die selbst mit schwierigen Verhandlungen umzugehen weiß.

Vergleiche sind längst zu einem festen Bestandteil der justiziellen Verfahren geworden. Die statistische Gewichtung ergibt für das Jahr 2007 insgesamt 1.276.426 erledigte Zivilgerichtsverfahren in Deutschland

[1]. Davon wurden 181.761 Verfahren durch einen Vergleich erledigt. Das entspricht einer Vergleichsquote von 14,24%. In den darin nicht enthaltenen Familiensachen  konnten im gleichen Jahr von 542.649 erledigten Verfahren 69.574 durch Vergleich erledigt werden. Das entspricht einer Quote von 12,82%.

Die Zahlen machen deutlich, dass der Abschluss von Vergleichen einen nicht unerheblichen Teil der richterlichen Arbeit darstellt. Vergleiche basieren auf einem Kooperationsmodell. Durch die Mitwirkung der Parteien und Parteivertreter entsteht ein Outsourcing-Effekt, den der Richter nicht nur als eine Arbeitsentlastung wahrnimmt. In der Terminologie über die ADR[2]-Verfahren wäre eine Vergleichsverhandlung gleich zu setzen mit der Negotiation[3]. Eine außergerichtliche, moderierte Verhandlung gilt als eine Vorstufe zur Mediation, auch wenn sie ein Teil derselben ist[4].

Vergleiche haben nicht nur eine ökonomische Bedeutung. Das werden die weiteren Ausführungen belegen. Trotzdem gibt schon allein der ökonomische Aspekt einen hinreichenden Anlass, die Möglichkeiten für Vergleichsabschlüsse und deren Herbeiführung im Gerichtsverfahren zu professionalisieren.

Die folgenden Kapitel setzen sich mit der Frage auseinander, was Vergleiche sind, wie sie zustande kommen und wie deren Zustandekommen gezielt zu fördern ist.

Vergleich, was ist das?

Sicherlich ist ein Vergleich ein Vertrag. Der Volksmund sagt: „Vertrag kommt von vertragen (im Sinne von einander verstehen)“. Vertragen können sich die Parteien aber nur schwer, solange sie miteinander streiten. Wie kann es Ihnen gelingen, trotzdem eine Vereinbarung zu treffen?

Offenbar geht es nicht ganz ohne Hilfe, denn sonst hätten die Parteien ihre Angelegenheit schon selbst geregelt. Der Richter könnte sicherlich die erforderliche Hilfestellung bieten. Was muss er dann dazu beitragen, dass die Parteien wieder miteinander verhandeln und das Verfahren mit einer Vereinbarung enden kann?

Der Babysitterfall

Als Beispiel für einen Vergleich stelle ich Ihnen zunächst einen Fall vor, den ich als den Babysitterfall bezeichne:

Vor einer Gerichtsverhandlung, bei der es um das Umgangsrecht des Kindesvaters an einem kleinen, etwa 5-jährigen Kind ging, erschien die getrennt lebende Mutter. Sie betrat das Amtszimmer, wo die Gerichtsverhandlung kurze Zeit später beginnen sollte. Die Antragsgegnerin erklärte mir, wie schwer sie es doch als allein erziehende Mutter habe. Es sei doch reines Glück, dass sie überhaupt den Gerichtstermin wahrnehmen konnte. Ich könne es mir kaum vorstellen, wie schwierig es für sie sei, überhaupt einen Babysitter zu finden. Ich war überrascht. Einerseits verehrt die Antragsgegnerin dem Kindesvater den Umgang. Andererseits klagt sie über Schwierigkeiten einen Babysitter zu finden. Liegt da nicht eine Lösung nahe? Sie werden mir zustimmen, dass ein an die Mutter gerichteter Vorschlag, das Kind öfter dem Vater zu überlassen wenigstens auf Bedenken, wenn nicht auf Ablehnung gestoßen wäre. Dies wäre zumindest im Hinblick auf den Sachvortrag auch konsequent. Im konkreten Fall fragte ich aber anders. Ich sagte wörtlich: „Ich verstehe Sie nicht. Warum missbrauchen Sie eigentlich nicht den Vater zum Babysitter?“ Die Antwort der Mutter überraschte. Sie schlug, ihre Überraschung anzeigend, mit der flachen Hand auf ihre Stirn und sagte: „Dass ich darauf nicht gekommen bin“. Wir sprachen dann noch kurz über mögliche Modalitäten. Als der Vater einige Momente später eintraf fragte ich ihn augenzwinkernd, ob er eine Ahnung hätte, wie oft sich ein Mann von seiner Frau wohl missbrauchen lassen sollte. Er merkte wohl, dass es sich um eine Anspielung handelte und sagte deshalb geistesgegenwärtig: „Möglichst oft?“ Dabei grinste er. Wer weiß, woran er gedacht hatte als er das Wort missbrauchen hörte. Jedenfalls klärte ich ihn sofort über das Vorgespräch auf. Ich fragte den Vater jetzt also ernsthaft, ob er es sich vorstellen könne, die Funktion des Babysitters wahrzunehmen, wenn er dann öfter Kontakt mit dem Kind haben könne. Nachdem er dies bejahte, war das Problem „Umgangsrecht“ zwischen den Parteien geregelt. Wir mussten nur noch die Modalitäten abstimmen.

Normalerweise würde ein derartiges familiengerichtliches Verfahren mindestens vier Monate in Anspruch nehmen, möglicherweise auch mehr. Es müssten jugendamtliche Stellungnahmen eingeholt werden und gegebenenfalls auch ein psychologisches Gutachten. Bis dahin würden Schriftsätze vorgelegt werden, welche nicht immer eine schlichtende Wirkung auf die Parteien ausüben.

Im konkreten Fall dauerte die Verhandlung nicht mehr als 10 Minuten. Das Beispiel ist frappierend, weil es nur durch eine schlichte Ausdrucksweise gelungen war, den Fall einer einvernehmlichen Lösung zuzuführen.

Zugegeben, bezogen auf die Anträge der Parteien, mag die Frau als Verliererin gelten. Sie konnte den Anspruch des Vaters auf Umgang nicht wie beantragt abwehren. Bezogen auf den Nutzen war sie jedoch ganz klar eine Gewinnerin. Hier hat ihr die Vereinbarung viele Vorteile gebracht.

Was war geschehen?

Die in der Wahl des Wortes missbrauchen zur Anwendung gelangte Gesprächstechnik stammt aus der Therapie. Sie wird dort als Reframing bezeichnet. Die Verwendung dieses magischen Wortes ermöglichte der Mutter eine Sichtweise, die sie davon befreite, sich mit der Umgangsgewährung den Forderungen ihres Ex-Mannes zu unterwerfen. Das Wort missbrauchen spielte offenbar auf den zugrunde liegenden Beziehungskonflikt an. Dass es bei dem Prozess in Wirklichkeit nicht um die dort vorgetragenen Sachfragen ging, beweist das Ergebnis.

Natürlich war der Gebrauch des Wortes missbrauchen nicht die einzige Ursache für das Zustandekommen des Vergleichs. Dazu zählten die relativ ungezwungene Gesprächsatmosphäre, die recht offene Art und Weise der Kommunikation und vielleicht auch ein die beruhigende und tolerierende Ausstrahlung des Richters[5].

Rechtsgrundlagen

Vergleichsabschlüsse sind eine Angelegenheit der Parteien. Sie unterliegen der individuellen Vertragsfreiheit. Die Privatautonomie soll über Art 2 Grundgesetz geschützt sein. Auch wenn die Legaldefinition des Begriffs Vergleich in § 779 BGB ein gegenseitiges Nachgeben beschreibt, ist es ebenso möglich wie zulässig, ausgewogene Ergebnisse auch ohne ein solches Nachgeben zu erzielen. Die Mediation beweist nicht nur, dass es möglich ist, so genannte win-win Ergebnisse herbeizuführen, sie zeigt auch wie es möglich ist. Warum soll das nicht wenigstens zum Teil auch im gerichtlichen Verfahren möglich sein?

Gerichtliche Vergleiche führen zu einer Prozesserledigung. Dazu sollte die Erklärung der Parteien genügen, dass sich ein Prozess erledigt habe. Der Richter stellt die Erledigung fest. Eine Beurkundung ist erforderlich, wenn die Vereinbarung der Parteien einen vollstreckbaren Inhalt haben soll.

Wichtige Vorschriften, welche die Kooperation im Gericht ermöglichen oder herbeiführen helfen sind:

  • Der Schlichtungsauftrag des Richters.
  • Die Anordnung des Ruhens des Verfahrens zum Zweck von außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen, gleich welcher Art.
  • Kein Zwang zur Wiederaufnahme des Verfahrens nach dem Ruhen, wenn dies nicht von einer Partei gewünscht wird. Der Richter legt nach dem Ablauf von 6 Monaten die Akte weg, ohne dass die Parteien angehalten werden, wider in den Prozess einzusteigen.
  • Richterliche Hinweispflichten und Berechtigungen zu Hinweisen sind wichtig, um dem Richter die Möglichkeit zu geben, eine Transparenz herbei zu führen. Sie wirken der Konfrontation entgegen und verhindern den Aufbau von unerwünschten Machtgefällen.
  • Die Möglichkeit zur jederzeitigen Anordnung einer expliziten Güteverhandlung oder wenigstens einer abgetrennten Verhandlung hilft, die Kommunikation zu steuern.
  • Die Möglichkeit zur jederzeitigen Vertagung erlaubt es dem Richter, sich der Konfliktdynamik besser anzupassen und die Eigenverantwortung der Parteien zu fördern.
  • Die Möglichkeit zur Verbindung und Trennung von Verfahren erlaubt es dem Richter der Salamistrategie streitender Parteien entgegen zu wirken und den Blick auf den gesamten Konflikt zu öffnen und um durch eine größere Verhandlungsmasse den zu verteilenden Kuchen zu vergrößern.
  • Die Abgabe an den ersuchten Richter zum Zweck von Schlichtungs- und Vergleichsverhandlungen[6] oder gar zur gerichtsinternen Mediation.
  • Die Anordnung des persönlichen Erscheinens allein zum Zweck von Vergleichsverhandlungen spricht die Verantwortung der Parteien an ihrer Konfliktlösung an und erlaubt es überhaupt Gespräche zu führen.

Fehlende Vorschriften, die der schlichtenden Arbeit des Richters entgegen kommen sind:

  • Sanktionierung prozesstreibender Verhaltensweisen durch Kostenfolgen (Hier fasziniert das Englische Vorbild, wo der Richter der Partei, die eine Mediation ablehnt die Verfahrenskosten auferlegen kann).
  • Verwertungsverbote von informellen Informationen, die der Richter in seiner Schlichterrolle erfährt (Er darf nur verwerten, was schriftlich vorgetragen wurde oder Teil der Beweisaufnahme und protokolliert ist)

Nachzubessernde Vorschriften, die der Idee einer Kooperation widersprechen:

  • Korrektur § 779 BGB dahingehend, dass ein Vergleich ein Leistungsaustausch ist, der nicht nur durch gegenseitiges Nachgeben zustande kommen kann
  • Sprachliche Bereinigung von Gesetzen, die z.B. eine zur Tatsachenklärung notwendige Beweisaufnahme als Angriffsmittel bezeichnet.

Der Werklohnfall

Ein anderer Fall, der mit in einem Vergleich endete, belegt, dass es unterschiedliche Qualitäten von Vergleichen gibt. Der zu schildernde Werklohnfall betrifft eine werkvertragliche Auseinandersetzung. Der geforderte Werklohn betrug 1.000 EUR. Der Auftraggeber hat die Zahlung wegen Mängel auf 500 EUR gemindert. Der Unternehmer will nachweisen, dass keine Mängel vorliegen bzw. dass er diese nicht zu vertreten hat. Das Ergebnis der recht teuren Beweisaufnahme ist nicht vorhersehbar. Beide Seiten könnten Recht bekommen. So hat es sich wenigstens im Prozess dargestellt.

Sicherlich haben Sie schon erkannt, dass der Richter nur vor der Beweisaufnahme die besten Chancen hat, einen Vergleich herbeizuführen. Das passiert immer dann, wenn sich die Siegeserwartung der Parteien relativiert und der Nutzen des Verfahrens für die Parteien nicht mehr einzuschätzen ist. Der Richter muss, wenn er einen Vergleich herbeiführen will, diese Unsicherheit verstärken. Er wird deshalb gegenüber den Parteien darlegen, wie hoch das individuelle Verlustrisiko de facto ist. Er wird auf den Schaden eingehen, der sich aus einem abweisenden Urteil für beide Seiten ergibt und diesen Schaden gegebenenfalls durch den Hinweis auf eine überlange Prozessdauer rechnerisch noch erhöhen. Dann wird er begründen, warum einzig die Zahlung eines Mittelwertes von 750 EUR in Frage komme. Die Parteien werden sich darauf einlassen, weil das Risiko, dass sie noch mehr verlieren könnten, als zu groß eingeschätzt wird.

Nach der Beweisaufnahme sind viele offenen Fragen geklärt. Die Parteien können ihre Obsiegenschancen dann besser einschätzen. Zumindest für die obsiegende Partei gibt es dann keinen Grund mehr, sich auf weitere Vergleichsverhandlungen einzulassen, solange es keine anderen Gründe gibt, den Nutzen eines Obsiegens in Zweifel zu ziehen. Solche Gründe liegen meist außerhalb des Verfahrens. Sie betreffen z.B. eine mangelnde Vollstreckbarkeit infolge der Insolvenz des Schuldners oder die Eskalationsgefahr bei Beziehungskonflikten.

Im Werklohnfall wurde das Vergleichsergebnis aus dem Mittelwert der widerstreitenden Zahlungsvorstellungen (Forderungen) gebildet. Der Verhandlungsspielraum liegt somit innerhalb dieser Verteilungsmasse. Die Parteien haben das Gefühl, um diese Masse streiten zu müssen und nur um diese Masse streiten zu können. Aus dieser Beschränkung ergibt sich die für so genannte Nullsummenspiele typische Ausgangslage.

Nullsummenspiele beschreiben in der Spieltheorie Situationen, also Spiele im verallgemeinerten Sinne, bei denen die Summe der Gewinne und Verluste aller Spieler zusammengenommen gleich Null ist. Beispiele für Nullsummenspiele sind alle Gesellschaftsspiele und Sportarten, bei denen gegeneinander um den Sieg gespielt wird, beispielsweise Poker oder Schach. Ein Nullsummenspiel im ökonomischen Sinne ist eine Konkurrenzsituation, bei der der wirtschaftliche Erfolg eines Beteiligten einem Misserfolg eines anderen in gleicher Höhe gegenübersteht.

Im vorliegenden Fall bekommen beide Parteien jeweils die Hälfte von dem, was sie erreichen wollten. Das ist kein Sieg, aber besser als Nichts.

Wir gehen davon aus, dass die Parteien ihre Kosten geteilt haben. Die Kosten bilden einen nicht unerheblichen Rechnungsposten, der stets von den Parteien aber seltener vom Richter in das Ergebnis eingerechnet wird. Der notwendige Blick auf die Kosten berücksichtigt die unmittelbaren, monetären Interessen der Parteien.

Der kleine Unterschied

Nicht nur die wirtschaftlichen Interessen sind ausschlaggebend für das Zustandekommen eines Vergleiches. Der Vergleich ist auch unter dem Gesichtspunkt eines dahinter verborgenen Konfliktes zu würdigen und als Teil der Konflikthandlung zu begreifen. Stellen Sie sich vor, die Streitparteien im Werklohnfall hätten sich dermaßen übereinander geärgert, dass Sie nur noch Wut empfinden, wenn sie den Anderen zu Gesicht bekommen. In einem solchen Fall kommen innere Umstände hinzu, die schon deshalb einer Einigung im Wege stehen. Die inneren Umstände betreffen die mittelbaren Interessen der Parteien. Sie stehen nicht im direkten Nutzenzusammenhang mit der zu treffenden Regelung. Wenn es gelingt, derartige Interessen anzusprechen, mag es offenkundig werden, dass es den Parteien im Werklohnfall vor dem Hintergrund des eskalierenden Konfliktes gar nicht mehr um den Betrag geht, den jede Partei für sich herauszuholen vermag, sondern nur noch darum, zu verhindern, dass der andere mehr bekommt als man selbst.

Bezogen auf solche mittelbaren Interessen handelte der Richter zunächst sehr geschickt, wenn er statt einer beliebigen Quote genau den Mittelwert zwischen den streitigen Positionen der Parteien ausgewählt hat. Erst auf dem zweiten Blick wird deutlich, dass er den Konflikt der Parteien im Pat gehalten hat. Der Konflikt wurde mit seiner Hilfe also nicht beendet. Eine Konfliktlösung wurde unausgesprochen vertagt. Sobald die Parteien eine neue Gelegenheit finden, wird es zu einer Folgesache kommen.

Dass bei einem zugrunde liegenden Konflikt ein Vergleich nur dann möglich ist, wenn er der Konfliktlage entspricht, belegt auch eine Erfahrung, die sicherlich schon jeder Richter einmal am eigenen Leib und zur eigenen Verwunderung erleben durfte. Nach langen, intensiven Verhandlungen und einer Menge ausgetauschter Schriftsätze erarbeiten die Parteien mit Hilfe der Rechtsanwälte und des Richters einen wirklich ausgewogenen, guten Vergleich. Lediglich ein winziger Punkt wird kurz vor Abschluss von einer der Parteien vorgetragen. Es geht um die Parkkosten von 12 EUR, die durch einen vorangegangenen Termin verursacht wurden, wofür sich die eine Partei nicht verantwortlich zeichnen will. Obwohl man sich zuvor über eine 5-stellige Summe geeinigt hatte, wühlen die Parteien den gesamten Streit mit allen Vorwürfen und Anfeindungen erneut auf. Und tatsächlich, es kommt schließlich zum Scheitern des Vergleichs.

Das Beispiel zeigt, wie unberücksichtigte Konfliktinteressen den Vergleichabschluss hindern. Es ist deshalb sinnvoll, auch die mittelbaren Interessen in die Lösung einzubeziehen, auch wenn sie verborgen sind. Im Babysitterfall konnten konfliktbedingte Interessen die Lösung ermöglichen.

Mit der Gegenüberstellung des Babysitterfalles und des Werklohnfalles werden qualifizierbare Unterschiede unter den Vergleichen evident. Bei dem Werklohnfall liegt das Ergebnis innerhalb des Nullsummenbereichs. Es stellt sich als ein Kompromiss dar, der von den Parteien als eine lose-lose Lösung, als das bessere Übel, gesehen wird.

Per Definition stellt ein Kompromiss die Lösung eines Konfliktes dar, basierend auf gegenseitiger freiwilliger Übereinkunft, z. B. durch Einsicht resp. durch Verzicht beider Seiten auf einige der gestellten Forderungen, um Gegensätze oder Interessenkonflikte auszugleichen[7]. In dieser Definition erkennen wir die Legaldefinition des Vergleichs gem. 779 BGB wieder. Um eine bedeutsame Abgrenzung zu ermöglichen, bezeichne ich im Folgenden, den auf einem Kompromiss basierenden Vergleich als Kompromissvergleich.

Bei dem Babysitterfall liegt das Ergebnis außerhalb des Nullsummenbereichs. Es begründet eine Win-Win Lage. Diese Einigungsqualität stellt sich als ein Konsens dar. Das Wort Konsens stammt aus dem Lateinischen und heißt dort consentire. Consentire bedeutet übereinstimmen, wörtlich: zusammenfühlen. Es meint die Übereinstimmung von Menschen – meist innerhalb einer Gruppe – hinsichtlich einer gewissen Thematik ohne verdeckten oder offenen Widerspruch[8]. Zur Abgrenzung vom Kompromissvergleich bezeichne ich im Folgenden einen auf Konsens beruhenden Vergleich als Konsensvergleich.

War ihnen aufgefallen, dass der Richter das „wahre“ Interesse der Parteien am Vergleich im Babysitterfall de facto gar nicht angesprochen hatte? Sie können noch Hypothesen aufstellen, warum das Wort missbrauchen den Konflikt der Parteien tangierte. Der Konflikt wurde nicht wirklich aufgedeckt. Darin unterscheidet sich der Fall übrigens ganz gravierend von einer Mediation. In ihr wäre der Konflikt konkret angesprochen und geklärt (nicht therapiert!!!) worden. Trotzdem fällt auf, dass auch im Gerichtsverfahren eine Konfliktklärung zwar erstrebenswert aber nicht immer möglich und auch nicht zwingend notwendig ist, um die Parteien in die Lage zu versetzen, eine Einigung zu erzielen.

Anforderungen an einen Konsensvergleich

Es ist sicherlich leichter, einen Kompromiss herbeizuführen als einen Konsens. Trotzdem lohnt es, sich mit den Anforderungen eines Konsensvergleichs vertraut zu machen. Der Konsensvergleich ist sozusagen das High-End aller Einigungsmöglichkeiten. Er schließt den Kompromissvergleich ein, weil dessen Anforderungen geringer sind.

Beachten Sie bitte, dass einem Rechtsstreit nicht immer ein Konflikt zugrunde liegen muss. Manchmal geht es auch nur um eine Sachauseinandersetzung, bei dem eine schlichte Moderation ausreicht, um einen Vergleich zu ermöglichen. Sie werden im Einzelfall erkennen, ob und wann ein Konflikt schwelt und wann die Eskalation einsetzt. Die höchste Eskalationsstufe ist erreicht, wenn die Parteien den eigenen Untergang in Kauf nehmen, wenn nur der Gegner dabei vernichtet wird. Das sind in den Familiensachen die so genannten Rosenkriege. Sie machen 5% der Fälle aus aber 45% des Arbeitsaufwandes. Ohne eine autoritäre Intervention sind diese Fälle im Konsens nicht zu bewältigen[9].

Ein Konsens ist nur möglich, wenn bestimmte Ausgangsbedingungen vorliegen. Bitte gehen Sie davon aus, dass sich diese Anforderungen grundsätzlich oder wenigstens zum Teil auch im Gerichtsverfahren abbilden lassen. Wenn Abstriche zu machen sind, genügen sie oftmals noch für die Herbeiführung eines Kompromissvergleiches. Wie der Richter die Anforderungen für einen Konsens oder Kompromissvergleich überprüft und gegebenenfalls herbeiführt, bleibt letztlich seiner Kreativität und Kompetenz überlassen. Keinesfalls sollte er dabei vergessen, dass der Vergleich ein Vertrag zwischen den Parteien ist, den diese auch selbst aushandeln und abschließen sollten. Die Parteien benötigen dazu folgendes:

Freiwilligkeit
Ein Konsens ist nicht denkbar, wenn die Parteien zum Abschluss gezwungen werden oder sich gezwungen fühlen. Sie müssen sich freiwillig an den Verhandlungen beteiligen und den Abschluss einer Vereinbarung auch wirklich wollen.

Vertraulichkeit
Die Parteien sollten nicht befürchten müssen, dass ihre Offenheit bei den Vergleichsverhandlungen im Falle des Scheiterns zu Rechtsnachteilen im Prozess führt oder sonst gegen sie verwendet werden kann. Wenn sie dies befürchten, werden sie nur diejenigen Interessen offenbaren, die für sie keinen Nachteil bedeuten. Es ist fraglich ob sie reichen, um eine ausgewogene Vereinbarung herbei zu führen.

Eigenverantwortlichkeit
Ohne die Übernahme der eigenen Verantwortung für den Konflikt und die Konfliktlösung, wird den Parteien nicht einfallen, was sie der Gegenseite anbieten könnten, damit diese einem Vergleichsangebot zustimmt.

Allparteilichkeit
Die Allparteilichkeit entspringt der Neutralität. Es wird auf Waffengleichheit geachtet. Die Parteien müssen in der Lage sein, sich einander hinreichend verständlich zu machen. Die Allparteilichkeit ist dem Richter nicht fremd. Er achtet beispielsweise darauf, dass auch eine anwaltlich nicht vertretene Partei über die juristisch notwendigen Informationen verfügt. In gleicher Weise wird er der weniger eloquenten Partei helfen, sich verständlich zu machen.

Offenheit

Es bedarf einer Bereitschaft der Parteien, ihre Interessen und Motive
zu offenbaren. Die Offenheit ist ein Definitionsmerkmal des Konsenes. Nur so kann die Gegenseite erkennen, was sie zur Lösung des Konfliktes beizusteuern hat.

Informiertheit
Wenn die Parteien einen Vergleich abschließen sollen, müssen sie über alle Informationen verfügen, die sie dazu befähigen. Nur wenn sie alle Risiken kennen, können sie die Verantwortung über ihren Beitrag übernehmen.

Bei dem zugrunde liegenden Verhandlungsmodell nimmt sich der schlichtende Richter nach Möglichkeit so weit zurück, dass die Parteien eine Chance bekommen, selbst wieder die Verantwortung für ihre Konfliktlösung zu ergreifen. Die Rückgabe der Konfliktlösungsverantwortung ist eine wichtige Strategie, wenn es um Konsensvergleiche geht. Je mehr sich der Richter mit Vorschlägen und Bewertungen in die Sachverhandlungen einmischt, desto weniger sehen sich die Parteien veranlasst, selbst zu agieren. Die Anforderungen an den Konsensvergleich entsprechen den Prinzipien der Mediation. Es ist im Gericht ungleich schwerer, diese Anforderungen zu erfüllen. Es ist aber auch nicht unmöglich. Wird erkennbar, dass sie nicht herstellbar sind, muss sich der Richter weder um einen Konsensvergleich bemühen, noch um die Vermittlung einer Mediation. Letztlich ist es eine Frage der kreativen Kompetenz, ob es dem Richter gelingt, die Anforderungen an einen Konsensvergleich im Verlauf eines Prozesses herzustellen. Die Erfahrung zeigt, dass es ihm ohne eine darauf spezialisierte Ausbildung kaum möglich ist, die Wege in einen Konsensvergleich unter den Bedingungen eines Gerichtsverfahrens ohne einen zusätzlichen Arbeitsaufwand zu verfolgen.

Die Vorteile eines Vergleichs

Viele Richter empfinden es als schwierig und zeitaufwendig, ein professionelles Konfliktgespräch und interessenbasierte Vergleichsverhandlungen zu führen. Trotzdem lohnt es, sich dieser Herausforderung zu stellen. Im Ergebnis hat der Vergleich viele Vorteile, die ich nach den  Prozessbeteiligten wie folgt differenziere.

Vorteile der Parteien

Die Vorteile des Kompromissvergleichs ergeben sich meist aus der Prozesslage. Der Kompromissvergleich erlaubt

  • eine schnellere Prozesserledigung,
  • dadurch bedingte Kosteneinsparungen, sowie
  • eine Minimierung des Risikos für beide Parteien.

Der Nachteil eines Kompromissvergleichs ist die fehlende Konfliktbeilegung. Der prozessuale Streit mag zwar beendet werden. Solange der Konflikt jedoch schwelt, sind Folgesachen zu erwarten. Die Wirkungen eines Konsensvergleichs gehen weiter, weil jetzt auch die mittelbaren Interessen in die Lösung einbezogen werden. Daraus ergeben sich folgende zusätzlichen Vorteile:

  • Das Gefühl den größtmöglichen Nutzen zu erzielen (win-win Ausgang)
  • Nachhaltigkeit (Keine Folgesachen, keine Vollstreckung)
  • Streitbeilegung (Fortsetzung der Beziehung möglich)
  • Es ergeben sich neue Perspektiven und Optionen
  • Akzeptanz
  • Nachhaltigkeit (Eine Regelung die den Interessen entspricht wird favorisiert)

Vorteile des Richters

Der Richter profitiert bei einem Kompromissvergleich von Folgendem:

  • Ersparte Schreibarbeit (weniger Schriftwechsel, kein Urteil)

Bei einem Konsensvergleich zusätzlich:

  • Feed back (Aus der Vorlegung eines Rechtsmittels oder aus der dienstlichen Beurteilung lässt sich nicht entnehmen, ob die Parteien mit der Lösung einverstanden sind. Bei einem Konsensvergleich kann der Richter von der Akzeptanz der Regelung ausgehen)
  • Rückgabe der Verantwortung (Der Richter muss für den Vergleichsabschluss und den Inhalt des Vergleichs keine Verantwortung übernehmen).
  • Befriedigung (Ein Konsensvergleich vermittelt dem Richter das Gefühl, den Parteien wirklich geholfen zu haben).

Vorteile des Rechtsanwaltes

Der Rechtsanwalt profitiert bei einem Kompromissvergleich wie folgt

  • Ersparte Schreibarbeit (Der Anwalt hat einen geringeren Arbeitsaufwand, nach der Vergleichsverhandlung schreibt er nur noch die Rechnung )
  • Höherer Verdienst (Wie der höhere Verdienst zustande kommt, hängt auch vom Honorierungssystem ab. Faktisch kann der Rechtsanwalt aber mehr Mandanten bedienen, so dass er schon deshalb einen höheren Umsatz und weitere Verbreitung ermöglicht. Außerdem hebt es sein Image, wenn er den Fall in kurzer Zeit lösen kann und nicht in endloses Prozessieren überführen muss)

Bei einem Konsensvergleich durch

  • Feed back (Das positive Feedback schlägt auf den Berater zurück)
  • Weiterempfehlung (Viele Klienten meiden den gang zum Rechtsanwalt, weil sie befürchten, er trägt zu einer Streiteskalation bei und verteuert den Prozess. Durch die Mitwirkung an einem Konsensvergleich zeigt der Anwalt, dass er zu interessenorientierter Beratung fähig ist und nicht lediglich zur Streittreibung.

Vorteile sonstiger oder mittelbar Beteiligter

Außer den direkt am Prozess beteiligten Personen stellen sich weitere Vorteile bei mittelbar betroffenen Personen und Institutionen her.

  • Befreiung von Verantwortung (Ein Gerichtsprozess kann den Mitmenschen verborgen bleiben ein Streit jedoch nicht. Die Beilegung eines Streites hat unter sozialen Gesichtspunkten einen höheren Nutzen als die Beendigung eines Prozesses)
  • Neue Optionen

Der politische und gesellschaftliche Nutzen von Vergleichen ist:

  • Prozessentlastung der Justiz
    Die Entlastung trifft schon bei Kompromissvergleichen ein. Wenn der Richter kein urteil schreiben muss, entlastet er nicht nur sich, sondern den gesamten Schreibdienst.
  • Konsensvergleiche führen zu einer weitergehenden Prozessentlastung, weil sie Folgesachen vermeiden.
  • Beim Konsensvergleich werden die gesellschaftlichen Schäden vermieden.

Zusammenfassung

Ein Vergleich ist ein Vertrag zwischen den Parteien. Er kann sowohl einen Prozess wie einen Konflikt beilegen. Obwohl der Vergleich wie ein Kompromiss definiert wird ist es nicht ausgeschlossen, dass die Parteien den Vergleich auch in der Qualität eines Konsenses abschließen. Da beide Formen eine unterschiedliche Herangehensweise erfordern, unterscheide ich den Kompromissvergleich vom Konsensvergleich. Weil der Konsensvergleich soweit möglich auch mittelbare und sogar verborgene Interessen berücksichtigt, sind die an ihn zu stellenden Anforderungen höher als bei einem Kompromissvergleich.

Der Weg ist das Ziel!

Im Gegensatz zu den Gerichtsentscheidungen kommt es bei den Verhandlungen um einen Konsens- oder Kompromissvergleich eher auf den Weg an als auf das Ziel. Es bedarf eines Entwicklungsprozesses in dem die Parteien noch zu lernen haben, dass und wie sie den Streit durch eine Einigung beenden. Die Weisheit von Konfuzius veranlasst die Frage, ob ein Kompromiss oder ein Konsens in einem Gerichtsverfahren überhaupt zielführend sein kann, ob der gerichtliche Weg vorsehen kann, einen Konsensvergleich zu erreichen.

Verschiedene Wege führen zum Ziel, wobei das Ziel die Kooperation ist. Der Richter wird versuchen, Anleitungen über den zurückzulegenden Weg in der Zivilprozessordnung zu finden. Manche sehen in ihr ein Hindernis, andere eine Chance für eine kreative Konfliktlösung. Inwieweit sich die Verfahren als Wegbereiter zur Konfliktlösung anbieten, ergibt die nachfolgende Abgrenzung zwischen dem Gerichtsverfahren, der Schlichtung und der Mediation.

Die Verfahren der Streitbeilegung

Zu unterscheiden sind die Verfahren der DR (Dispute Resolution) und dazu abgrenzend der ADR (Alternate Dispute Resolution). In der so genannten triadischen Phase ist es allen gegenüber zu stellenden Verfahren gemeinsam, dass ein Dritter zur Konfliktlösung herangezogen wird. Tatsächlich beeinflusst schon dieser Umstand das Verhalten der Parteien. Sie werden versuchen, den Dritten auf irgendeine Art und Weise entweder für sich zu gewinnen. Die Möglichkeiten sind vielfältig. Sie reichen von der Bestechung bis hin zur subtilen Versorgung des Dritten mit Informationen außerhalb der offiziellen Prozesskorrespondenz oder polemische Einlagen. Sie sollen das vermeintliche Fehlverhalten des Gegners markieren.

Das Gerichtsverfahren

Die markanteste Eigenschaft des Gerichtsverfahrens ist die Sachentscheidungsautorität des Richters. Das vermeintlich sachliche Gerichtsverfahren reduziert den Streit auf die geltend gemachten Forderungen. Diese Konzentration erleichtert die Sachbehandlung. Dafür blendet sie aber auch einen eventuell zugrunde liegenden Konflikt aus. Der Konflikt kann deshalb eine eigene (unkontrollierte) Dynamik entfalten. Für Konfliktparteien ist das Gerichtsverfahren eine Schlacht und nicht der Krieg. Um diese Schlacht zu gewinnen zielt ihre Strategie darauf ab, die eigene Seite als gut und die Gegenseite als schlecht und im Unrecht stehend darzustellen. Die Strategie findet ihre Nahrung in dem Umstand, dass die eine Partei gewinnt was die andere verliert.

Im Zivilprozess geben Parteien ihre Entscheidungsmacht an den Richter ab, indem sie die Kompetenz zur Lösung des Falles auf ihn delegieren, um sich ihr sodann zu unterwerfen. Die Entscheidungsmacht wird nicht von der Konfliktverantwortung differenziert, so dass oft der Eindruck entsteht, als gäben die Parteien mit der Delegation der Entscheidungsmacht auch die Verantwortung über den Konflikt an den Dritten ab. Die Erfahrung zeigt dass Richter diese Verantwortung emotional annehmen. Dies täuscht darüber hinweg, dass sie tatsächlich aber nur die Verantwortung für Verfahren und die rechtlich korrekte Entscheidung übernehmen können. Die Verantwortung für den Nutzen der Entscheidung, ihren persönlichen Gewinn und Verlust trägt jede Partei weiterhin für sich selbst. Diese Erkenntnis wirkt für viele Richter emotional entlastend. Ich erinnere das beeindruckende Feedback einer Familienrichterin, die erwähnte: „Ich hab keine Albträume mehr!“[10]. Es hilft letztendlich nicht nur dem Richter die Parteien und Anwälte auf die geteilte Verantwortung hinzuweisen.

Die Schlichtung

Im Gegensatz zum Richter hat der Schlichter keine Entscheidungsgewalt. Trotzdem ist er an den Sachfragen beteiligt. Er kann und soll Vorschläge unterbreiten und die zutreffenden Argumente unterstreichen. Diese Aufgabenverteilung belässt den Parteien ein Interesse, den Dritten zu beeinflussen, Auch wenn er nicht entscheidet. Er kann aber Vorschläge machen, die der einen oder anderen Seite mehr entgegen kommen. Er wirkt somit als Argumentationsverstärker, besonders wenn am Ende die Erwartung steht, dass der Schlichter für das ein oder andere Argument Stellung bezieht. Im Hinblick auf die Sachbeteiligung des Dritten ist die Schlichtung mit dem Gerichtsverfahren ohne weiteres in Einklang zu bringen.

Die Mediation

Ganz anders ist die Konstellation in der Mediation. Trösten, beraten, vorschlagen oder entscheiden ist grundsätzlich NICHT erlaubt. Hier macht es überhaupt keinen Sinn mehr, den Mediator überzeugen zu wollen. Mithin macht es auch keinen strategischen Sinn, den Gegner schlecht zu reden. Wenn jetzt noch das Bedürfnis besteht, schlecht über den Anderen zu reden, beruht dies allein auf dem Konflikt und nicht auf einer Prozessstrategie. Indem der Dritte in keiner Weise an der Sachentscheidung partizipiert, verfolgt die Mediation eine grundsätzlich andere Logik als das Gerichtsverfahren. Trotzdem schließt das Eine das Andere nicht aus.

Korrespondierende Rollen

Die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Verfahrensmodellen bedingt eine Analyse der jeweils zugrunde liegenden Rollen. Die Verfahren definieren die Rolle des neutralen Dritten. Ihm werden je nach dem Verfahren die Rolle des Richters, des Schlichters und des Mediators zugeschrieben. Die Verfahrensvorschriften konkretisieren das Verhalten, das jeder dieser Rollen entspricht. Die Theorie geht davon aus, dass diese Rollen strikt voneinander zu trennen sind. In der Praxis werden die Übergänge jedoch eher als fließend wahrgenommen. Die Einteilung der Rollen lässt sich nicht so eindeutig und klar voneinander abzugrenzen, wie von den Verfahrensvorschriften gewollt. Ich bin überzeugt, dass es keine einheitliche Antwort geben wird, wenn Sie mehrere Richter nach ihrer Rolle und der sich daraus ergebenden staatlichen und persönlichen Verantwortung befragen. Wie versteht der einzelne Richter seinen Auftrag?

  • Hat er über die Parteien zu entscheiden?
  • Hat er den Parteien eine Entscheidung abzunehmen, die sie selbst nicht (mehr) treffen können?
  • Ist es sein Auftrag herauszufinden, ob es doch möglich ist, dass die Parteien eine eigene Entscheidung treffen?
  • Beschränkt sich seine Arbeit auf die Lösung von Rechts- und Tatsachenfragen?
  • Geht es darum, Gerechtigkeit oder gar darum Frieden zu stiften?
  • Soll der Richter sich auf die Konflikte der Parteien einlassen und sie gar lösen?
  • Oder geht es nur darum den Prozess so ökonomisch wie möglich zu beenden und selbst dabei möglichst wenig Arbeit zu haben?

Die Liste mag ergänzt werden. Fraglich bleibt, in welcher Rolle der Richter von den Parteien und den Rechtsanwälten begriffen wird. Die unterschiedliche Erwartung definiert unterschiedliche Rollen. Diese determinieren wiederum ein voneinander abweichendes Verhalten aller Verfahrensbeteiligter. Die Rolle des Schlichters unterscheidet sich deutlich von der des Richters. Ganz eklatant ist die Abweichung zur Rolle des Mediators. Während der Richter die volle Sachautorität besitzt, hat der Mediator überhaupt keinen Anlass, sich auf diese Ebene zu begeben. Die Frage drängt sich deshalb auf, ob es möglich ist, derart unterschiedliche Rollen überhaupt in ein und dasselbe Verfahren einzubeziehen. Können die Rollen des Richters, des Schlichters und oder des Mediators in einem Verfahren zusammen genommen werden oder nicht?

Der Doppelauftrag im Zivilprozessrecht führt ganz zweifellos zu einer Rollenkollision. Dem Richter werden zwei unterschiedliche Rollen zugewiesen. Der prozessuale Auftrag, in jeder Lage des Verfahrens eine Schlichtung zu versuchen[11], macht aus ihm zugleich einen Schlichter. Die Prozessordnungen sind darauf zu überprüfen, ob sie dem Richter auch die Möglichkeit geben, wie ein Schlichter zu agieren. Ich unterstelle, dass der Richter nicht in der Lage ist die Rolle des Schlichters einzunehmen, wenn er die für das Schlichtungsverfahren beschriebenen Voraussetzungen nicht herstellen kann. Anders ausgedrückt bedeutet das: Wenn der Richter sich in die Rolle des Schlichters begibt, muss er auch die Möglichkeit haben, wie ein Schlichter zu kommunizieren. Das bedeutet, dass er seine Entscheidungsbereitschaft (Entscheidungsmacht) zurück nehmen können muss, wenn über Vergleiche verhandelt wird. Es bestehen keine Bedenken, wenn er Vorschläge für eine Lösung unterbreitet. Die juristische Begründung für dieses Verhalten könnte aus dem Rechtsschutzbedürfnis hergeleitet werden. Ein Bedarf für fremdbestimmten Rechtsschutz besteht so lange nicht, wie die Parteien selbst in der Lage sind, eine Einigung herbeizuführen. Viele Fälle landen vor Gericht, ohne das die Parteien dies jemals ernsthaft versucht haben. Den Gedanken fortführend muss der Richter sich gänzlich von der Sachebene zurücknehmen können, wenn er sich in der Rolle eines mediativ arbeitenden Streitvermittlers sehen will. Wie der Richter seine Rolle einführt und wie er gegebenenfalls den Wechsel der Rollen herbeiführt bleibt seiner einfühlsamen Kompetenz, der Eskalation des Konfliktes und seiner Kreativität überlassen. Es kann stillschweigend geschehen oder ausdrücklich. Die Faustregel lautet, je höher der Konflikt ist desto höher sind die formalen Anforderungen an den Rollenwechsel.

Gelingt es dem Richter auf die ein- oder andere Weise die Rolle des Schlichters anzunehmen, kann er sein Verhalten ohne weiteres ändern und sich offiziell den Interessen der Parteien zuwenden. Jetzt fällt es leichter, sich auf das Zuhören und Moderieren zu beschränken. Das Gespräch lässt sich jetzt so gestalten, dass Argumente gegen die andere Partei nicht mehr relevant sind aber Auskünfte über die eigene Befindlichkeiten und Wünsche der Parteien einen Raum bekommen. Diese Vorgehensweise nähert sich dem Kommunikationsmodell der Mediation.

Die Rolle des Dritten (soweit sie akzeptiert wird) determiniert nicht nur das Verhalten des Richters, sondern auch das Verhalten der Parteien und der Rechtsanwälte. In einer Schlichtung steht die Kooperation im Vordergrund. Der Richter nimmt seine Entscheidungsverantwortung zurück. Im gleichen Umfang gibt er den Parteien Raum für Eigeninitiativen. Die als Voraussetzung für den Konsensvergleich erkannte Eigenverantwortung der Parteien wird indirekt gefördert.

Die unterschiedlichen Rollen stehen in keinem Widerspruch, auch wenn es auf den ersten Blick so aussehen mag.  Alle Rollen verfolgen das Ziel der Herbeiführung einer Konfliktlösung. Dabei ergänzen sie sich funktional. Keinesfalls schließt der gerichtliche Rahmen schlichtende oder mediative Vergleichsverhandlungen aus. Um Irritationen zu vermeiden, sollte der Richter die unterschiedlichen Rollen in eine Ordnung überführen, in der er die Rolle des Entscheiders als subsidiär gegenüber der eigenverantwortlichen Konfliktlösung der Parteien versteht und zunächst versucht, die Parteien anzuhalten ihren Konflikt selbst zu lösen. Um diese Effekt zu erreichen mag er darauf verweisen, dass er, solange er sich in solchen Rollen bewegt, nicht bereit ist, sich mit Sachargumenten auseinanderzusetzen, sondern nur den Parteien zuzuhören.

Wenn es dem Richter schwer fällt, diesen Rollenwechsel informell zu gestalten, mag er dazu einen formalen Rahmen finden, wie etwa in einer Güteverhandlung oder abgetrennten Verhandlung, soweit dies möglich ist.

Sobald es dem Richter gelingt, sein Kommunikationsmuster in die Richtung des Schlichters oder gar des Mediators zu verschieben, wird der Widerstand der Parteien spürbar abgeschwächt und das Gesprächsklima sich deutlich verbessert.

Zusammenfassung

Je mehr der Richter darauf abzielt, einen Konsensvergleich zu schließen, umso mehr begibt er sich aus der Rolle des Richters zu der des Schlichters oder gar des Mediators. Die Lehre geht davon aus, dass diese Rollen strikt zu trennen sind. Die Praxis jedoch bevorzugt fließende Übergänge. Fließende Übergänge sind schon deshalb erforderlich, weil der Richter explizit einen Schlichtungsauftrag hat. Die Rollen wirken sich auf das Streitverhalten aus. Der Richter ist deshalb gut beraten, wenn er die Rolle abstimmt in der er sich gerade sieht.

Die Ausführungen lassen erkennen, wie der Weg in die Kooperation über das Rollenverhalten des Richters zu steuern ist. Ein anderer Zugang sind strategische Überlegungen. Sie stellen auf die Sicht der Parteien ab. Deren Bedürfnisse eröffnen weitere Optionen für die Herbeiführung eines Vergleichs.

Wer will schon verlieren?

Manchmal geht es den Parteien um nichts anderes (mehr) als um das Gewinnen des Prozesses, koste es was es wolle. Gehen Sie davon aus, dass die Parteien in diesem Fall mehr durch die Dynamik des Konfliktes als durch sachgerechte Erwägungen geleitet werden. Das Verhalten ist das Indiz für eine hohe Konflikteskalation. Ist es auch jetzt noch möglich, einen Vergleich, gegebenenfalls sogar einen Konsensvergleich zu erzielen? Oft bietet das Gericht den Parteien ganz unerkannt die vielleicht letzte Gelegenheit, sich konstruktiv aufeinander einzulassen. Wo also sonst sollte man bei eskalierten Konflikten versuchen, eine Streitbeendende Einigung herbeizuführen?

Der Richter verfügt in einer konfliktträchtigen Ausgangslage über sehr gute Möglichkeiten, um die ihn jeder Schlichter beneidet. Schon der Umstand, dass die Parteien der Einladung des Richters zu einem Gespräch (gemeint ist natürlich die mündliche Verhandlung) folge leisten muss eröffnet Verhandlungschancen. Auch die Geständnisfiktion wirkt einem Schweigen über die zu klärenden Sachfragen entgegen. Findet die Verhandlung erst einmal statt, kann er die Parteien von den Vorteilen einer Kooperation überzeugen. Er mag herausfinden, was die Parteien in die Konfrontation getrieben hat. Die Konfrontation ist meist der letzte Ausweg. Sie basiert auf Verlustängsten, Unterliegensgefühlen, Gerechtigkeitsempfindungen, Missgunst und Verletztheit. Die Sicht ist auf den Anderen fokussiert. Er wird als der Verursacher der misslichen Lage angesehen, ist also für deren Beseitigung verantwortlich. Diese Sicht wird wechselseitig vertreten, so dass die Parteien hochgradig aufeinander bezogen und emotional voneinander abhängig sind. Sie können ihr Wohlbefinden nicht aus eigener Kraft sondern nur über das Verhalten des anderen herstellen. Die so empfundene Abhängigkeit findet sich im Nullsummenspiel, indem der Gewinn des Einen nur über den Verlust des Anderen ermöglicht wird. Leider ist diese Konfrontationslogik eine denkbar schlechte Ausgangslage für Vertragsverhandlungen. Die Parteien haben stets den Anderen im Blick, den sie als Verlierer sehen müssen. Der Blick verdeckt die Sicht auf die eigenen Ressourcen. Ein erster, wichtiger Schritt in Vergleichsverhandlungen besteht deshalb darin, die Parteien aus ihrer unseligen Abhängigkeit voneinander zu lösen. Dieser schritt wird erleichtert, wenn es dem Richter gelingt, das Nullsummenspiel in ein Positivsummenspiel zu überführen. Das Positivsummenspiel korrespondiert sowohl mit dem Schlichtungs- wie auch mit dem Mediationsmodell. Es sollte deshalb zumindest so lange möglich sein, wie der Richter in der Rolle des Schlichters agiert.

Der Richter muss den Parteien das Gefühl vermitteln, dass der Sieg des Gegners nicht den eigenen Verlust bedeutet. Am besten lässt sich dieses Phänomen über die Mediation erklären, die sich bei dieser Gelegenheit auch sehr gut einführen und empfehlen lässt. Lösungen wie der Babysitterfall veranschaulichen, dass es neben dem streitigen Ergebnis auch im Gerichtsverfahren zu Lösungen kommt, die sich auf die Nutzenerwartung der Parteien einstellen lassen. Einige strategische Überlegungen helfen dem Richter, den Weg in die Kooperation zu eröffnen.

Strategische Überlegungen

Der Richter sollte sich stets darüber bewusst sein, dass die Parteien das Gerichtsverfahren als ein geeignetes Mittel ansehen, ihren Streit zu beenden. Das Gerichtsverfahren ist ein Bestandteil ihrer Konfliktstrategie. Leider glauben viele Menschen, der Konflikt sei nur noch auf diesem Weg zu lösen. Es besteht ein Misstrauen gegenüber der Kooperation. Mehr noch, es fehlt das Vertrauen, dass ein derart eskalierter Konflikt überhaupt noch anders als durch Zwang beigelegt werden könne. Die zu Beginn des Gerichtsverfahrens anzutreffende Konfrontation zielt deshalb konsequent darauf ab, den Gegner zu unterwerfen. Das Verfahren soll die dazu notwendigen Bedingungen herstellen.

Konfrontation bedeutet Widerstand. Der Widerstand kann sich aktiv und passiv ausdrücken. Widerstand ist kreativ. Prozessuale Verbote können ihn zwar erschweren, nicht aber wirklich auflösen. Nicht jedenfalls, solange der Widerstand ein Teil der Konfliktstrategie darstellt. Wenn es beispielsweise zur Konfliktstrategie der Partei gehört, das Urteil herauszuzögern, wird sie sich zusammen mit den Parteivertretern jede nur erdenkliche Verzögerung ausdenken, um den Prozess zu verlangsamen. Das kann durch Anträge auf Vertagung ebenso wirksam geschehen wie mit Anträgen auf Ablehnung beispielsweise des Gutachters, die Benennung überflüssiger Zeugen und das oft unnötige Bestreiten mit Nichtwissen. Viele Prozessanträge werden weniger aus der Sachbetroffenheit als den strategischen Bedürfnissen des parteilichen Konflikterlebens gestellt. Auch wenn sich derartige Anträge nicht unbedingt förderlich auf das Sachergebnis auswirken, tragen sie doch dazu bei, den strategischen Erfolg zu verwirklichen. Der schlichtende Richter muss sich auf diese Strategie einstellen können. Er ist benachteiligt, wenn er sich durch starre Verfahrensregelungen daran gehindert sieht, flexibel und angemessen zu reagieren. Gut beraten ist er, wenn er den Widerstand auflöst, indem er die Parteien zu einer Kooperation motiviert. Zu diesem Zweck muss er die strategische Lage der Parteien nachvollziehen.

Eine Strategie beschreibt den Weg von einem festgelegten Ausgangspunkt zu einem vorgegebenen Ziel. Jeder Prozessbeteiligte hat eine eigene Vorstellung, welcher Weg dies ist und wie er zu beschreiten ist. Er wird seine strategische Entscheidung von der Begehbarkeit des Weges abhängig machen und im Zweifel den nahe liegenden, sicheren und einfachen Weg wählen. Es ist ohne weiteres nachvollziehbar, wenn die Prozessbeteiligten ganz unterschiedliche Ziele verfolgen. Sie haben eine unterschiedliche Sicht der Dinge. Sie verfolgen eine dementsprechend konträre Strategie, solange sie versuchen ihre Position gegen die der anderen Partei durchzusetzen.

Das Nullsummenspiel

Immer wenn es darum geht, eine Konfliktlösung durchzusetzen, befinden wir uns im so genannten Nullsummenspiel. Hier kämpfen die Parteien um nicht mehr als um die Verteilungsmasse. Die Verteilungsmasse wird durch die Positionen (Klageanträge) vorgegeben. Der Streit wird auf die Positionen reduziert. Die Konfrontation ist die zum Nullsummenspiel passende Strategie.

Das Positivsummenspiel

Damit die Strategie des Nullsummenspiels wechseln kann, bedarf es also einer Vergrößerung der Verteilungsmasse. Wenn sie so groß ist, dass es für beide Seiten reicht, ist zumindest ein äußerer Streitanlass weggefallen. Das ist leicht gesagt. Wie aber lässt sich die Verteilungsmasse vergrößern, wenn nur ein einzelner Streitgegenstand zur Debatte steht? Wie kann es gelingen, den Kuchen zu vergrößern, so dass jede Partei bekommt, was sie wirklich will?

Die Erfahrung, dass mit der Erweiterung des Streitgegenstandes ein so genannter Mehrvergleich, also ein Vergleich, der über den Streitgegenstand hinausgeht, ermöglicht wird, kennt jeder Richter. Wie aber kann er vorgehen, wenn ein Mehrvergleich nicht möglich erscheint?

Es ist eine Frage des Standpunktes. Bezogen auf die Position (die geltend gemachte Forderung) sieht die Partei nur die Lösungsmöglichkeiten ganz oder teilweise zu gewinnen oder zu verlieren. Hinterfragen Sie die Interessen, die dazu geführt haben, dass die Partei ihre Forderung schließlich gerichtlich durchsetzen wollte, stellen sich oft weitere Lösungsansätze her, die zum gleichen, wenn nicht sogar zum besseren Ergebnis führen. Die Erweiterung des Kuchens erfolgt demnach, indem wir auf die mittelbaren Interessen abstellen, die letztlich auch zur Ergreifung der Position geführt haben.

Der Orangenfall soll dazu ein Beispiel geben:

Zwei Personen streiten sich um eine Orange. Beide wollen diese unbedingt haben. Möglicherweise müssen beide erst einmal „Dampf ablassen“, um sich dem Problem überhaupt sachlich nähern zu können (Sach- von der Beziehungsebene trennen). Da keiner nachgeben will, eskaliert die Auseinandersetzung. Die Positionen der beiden Personen im Streit um die Orange zielen also darauf ab, die gesamte Orange zu bekommen. Hätten beide die gleichen Ansprüche auf die Orange, würde wohl jeder gerecht denkende Mensch entscheiden, dass die Orange geteilt werden muss. Die geäußerten Positionen der Kontrahenten spiegeln jedoch nicht ihre eigentlichen Interessen wieder. Letztere lassen sich unter Umständen auch auf eine ganz andere Weise befriedigen, als es sich zunächst darstellt. Ein Mediator würde die beiden zunächst fragen, warum sie die Orange haben wollen, sich also nach den eigentlichen Interessen der Kontrahenten erkundigen. Vielleicht hätte sich herausgestellt, dass die eine Person einen Saft pressen, die andere einen Kuchen backen möchte. Daraufhin würde der Mediator die beiden bitten, Lösungsmöglichkeiten vorzuschlagen, um sich anschließend auf einen Lösungsvorschlag, den beide für fair halten, zu einigen. In diesem Lehrbuchfall ist die Lösung einfach: Einer bekommt den Saft und der andere die Schale.

Sobald es gelungen ist, den Kuchen zu vergrößern, folgt die Strategie den Regeln eines Positivsummenspiels. Mit dem Spielwechsel vom Nullsummen- zum Positivsummenspiel stellt sich die Kooperation automatisch her, besonders dann, wenn es darum geht, herauszufinden, wie der Kuchen zu vergrößern ist.

Die Migrationsstrategie

Der Wechsel in ein Positivsummenspiel, wie etwa die Mediation, ist nicht einfach. Sie gelingt nicht per Zuruf. Die Erfahrung belegt, dass es meist nicht genügt, zu fragen: „Wollen Sie mal eine Mediation versuchen?“ oder plakatives Schönreden zu üben, indem der Richter ergänzt „Dann haben sie ein schnelleres und besseres Ergebnis“. Das klingt wie ein Werbeslogan und ist nicht überzeugend. Im Gegenteil. Stellen Sie sich vor, Sie fragen eine Partei gleich zu Beginn der mündlichen Verhandlung, ob sie nicht besser in einem anderen Verfahren, wie dem der Mediation zu recht komme. Die Partei erinnert noch den gezahlten Prozesskostenvorschuss. Ist sie anwaltlich vertreten, hört sie heraus: „Der Anwalt hat mich in ein falsches Verfahren geführt und jetzt soll ich nochmals für ein anderes Verfahren bezahlen?“. Es ist nahe liegend, dass nicht nur die Partei sondern auch der Anwalt einem solchen Vorschlag nicht ohne weiteres zustimmt. Eine Zustimmung kommt für erst in Betracht, nachdem neue Tatsachen und Argumente aufgekommen sind, die nicht nur den Wechsel des Verfahrens sondern vor allem den Wechsel der Konfliktstrategie nahe legen. Aus dieser Beobachtung folgt der Grundsatz: Der Wechsel in ein anderes Verfahren gelingt nur, wenn er mit der jeweiligen Konfliktstrategie der Parteien einhergeht. Praktiker wissen, dass die Übergänge fließend sind. Es ist auch ein Merkmal des Konfliktes, dass die Strategie mehr oder weniger oft wechselt. Einmal ist die Konfrontation im Vordergrund dann plötzlich sind kooperative Ansätze erkennbar. Ich bezeichne diese Wechselhaftigkeit als den Potenzialbereich, weil es in dieser Phase noch ohne weiteres möglich ist, einen Strategiewechsel herbeizuführen. Dies gilt so lange, bis sich der Trend für eine endgültige Strategie für die Parteien herausstellt und gefestigt hat. Bis dahin hat der Richter gute Chancen, die Parteien in eine Kooperation zu führen, wobei die Kooperation – oder wenigstens die Kooperationsbereitschaft – eine Voraussetzung für Vergleichsverhandlungen ist.

Taktische Maßnahmen

Weil die Parteien stets den einfachen Weg wählen, ist der Richter grundsätzlich gut beraten, wenn er den Weg in die Konfrontation für die Parteien erschwert um gleichzeitig ihren Weg in die Kooperation zu erleichtern. Zu diesem Zweck wird er eine Vielzahl kleiner Interventionen wiederholt anwenden. Er ignoriert Konfrontationen soweit möglich, damit sie an Wirkung verlieren. Umgekehrt lobt er sowohl die Parteien wie auch die Parteivertreter für konstruktives Verhalten. Er befreit die gewaltvolle Juristensprache von ihren streitigen Bedeutungen, indem er beispielsweise einen Beweisantrag nicht als ein Angriffsmittel versteht, sondern als ein Aufklärungsgesuch. Eine gerichtliche Vorladung wird zur Gelegenheit für eine Verhandlung. Ein Urteil ist nicht bedrohlich. Es stellt lediglich den juristischen Lösungsansatz dar. Wie der Richter im Einzelfall gegen die Konfrontation der Parteien einschreiten kann, ergibt sich aus dem zur Konfrontation führenden Verhalten. Er muss also reagieren auf:

  • lähmende und ablenkende Schuldzuweisungen,
  • das Vortäuschen von Bedürftigkeit und Schwäche, das den Gegner aus der Reserve locken soll,
  • das Vortäuschen von  Stärke, das den Gegner verunsichern soll,
  • das Verschleiern von Fakten, das den Gegner verwirren soll,
  • die als Salamitaktik bekannte Zerschlagung in Detailprobleme, die den Krieg auf viele Schlachten verteilt, um den Gegner zu schwächen,
  • den Aufbau von Hindernissen, wie etwa die Verfälschung von Beweisen, um den Gegner zu schaden,
  • das Verwirren durch unberechenbare Anträge, abschweifende Vorträge, nicht auf den Punkt kommen, überschütten mit Informationen, um den Gegner zu irritieren,
  • den Aufbau von Widerstand durch Drohungen, generelles Bestreiten und widersprechen,
  • und vieles mehr

Der Richter hat verschiedene viele Möglichkeiten, wie er den Taktiken der Konfrontation begegnen kann:

  • Sichtweisen ändern
    Der Richter kann den Parteien helfen, ihre Sichtweisen zu erkennen und gegebenenfalls zu verändern. Die Konfrontation verengt den Blick und reduziert die Wahrnehmung. Sie ist eng mit der Konfliktlage verknüpft und lenkt den Blick zu stark auf die Gegenseite. Manchmal so sehr, dass die eigene Verantwortung völlig aus den Augen verloren geht.
    Beispiel: Auf die Frage des Richters an die Ehefrau im Sorgerechtsprozess: „Warum soll ich Ihnen das Sorgerecht übertragen?“ antwortete die Partei: „Weil der Mann sich nicht eignet!“ Die weiterführende Frage des Richters: „Mich interessiert es jetzt nicht ob sich der Mann eignet oder nicht. Mich interessiert, warum Sie sich eignen oder nicht!“ Diese Frage konnte die Partei nicht mehr beantworten. Die Ehefrau und Mutter hatte darüber noch nie nachgedacht!
    Im vorangegangenen Beispiel hat der Richter gezeigt, dass die Argumentation innerhalb der Konfrontationslogik bei ihm nicht zu greifen vermag. Die Partei musste ihre Denkweise ändern und auf die eigene Verantwortung achten. Um sie jedoch nicht zu überfordern muss der Richter ihr helfen, die Gedanken in die Richtung der Kooperation zu lenken. Er wendet hierzu Gesprächstechniken an.
  • Transparenz herstellen
    Der Richter kann viele der genannten Taktiken entlarven, indem er die dahinter liegende Strategie aufdeckt und ein Maximum an Transparenz schafft. Winkelzüge kann er hinterfragen. Dabei genügt schon die besorgt klingende Äußerung des Richters: „Ich weiß nicht ob das wirklich den Interessen der Partei dienlich sein kann.“ Die Antwort muss der Anwalt mit seiner Mandantschaft erörtern. Grund genug, sich nochmals über die verfolgte Strategie auszutauschen, wenn dies bisher überhaupt geschehen war.
  • Sicherheit bieten
    Der Richter kann den Parteien ihre Verunsicherung nehmen. Dazu dienen Hinweise. Sie besorgen nicht nur eine größere Transparenz. Sie geben den Parteien auch eine Orientierung. Der Richter sollte also darauf achten, dass die prozessuale Bedeutung einer Prozesshandlung für die Parteien stets nachvollziehbar und bekannt ist.
  • Themen zusammenführen
    Der Richter sollte stets auf die vollständige Erörterung aller anstehenden Fragen drängen. Damit wirkt er auch der Salamitaktik entgegen. Um die Komplexität des Problems zu erkennen aber auch um den Blick von den geltend gemachten Forderungen (dem Schlachtspiel) abzulenken, mag sich der Richter in Vergleichsverhandlungen erkundigen, ob es noch andere Verfahren gibt oder ob es Themen gibt die aus der Sicht der Parteien anzusprechen seien. Er kann nach der Sammlung der Themen entscheiden ob und wie das Verfahren fortzuführen ist. Gegebenenfalls bietet sich wieder eine externe Mediation an.
  • Konzentration
    Der Richter begegnet der Verschleierung und Verwirrungstaktik am besten durch Maßnahmen der Konfrontation. Mit einer zeitnahen Terminierung kann er Verzögerungen entgegen wirken. Die Einteilung des zu erörternden Prozessstoffes auf die maßgeblichen Themen fokussiert die Erörterungen. Polemik wird durch Verfügungen und prozessleitende Anordnungen aus den Schriftsätzen verbannt, um die dahinter verborgenen Anliegen im Rahmen der mündlichen Verhandlung zur Sprache kommen zu lassen. Jeder neu aufgeworfene Punkt wird zu einem Thema formuliert, über das die Parteien disponieren können.
  • Relativierung
    Der Richter kann mit dem Einsatz von Gesprächstechniken Äußerungen der Parteien entschärfen. Der Richter weiß, dass jedem Angriff ein Bedürfnis zu Grunde liegt und jeder Schuldzuweisung eine Betroffenheit. Er kann diese Relation hervorheben, um ihr die verletzende und angreifende Kraft zu nehmen.

Das andere Spiel

Der Wechsel in die Kooperation fällt umso schwerer, je weiter die Eskalation gediehen ist, je tiefer die Parteien in die Konfrontation geraten sind. Dies liegt durchaus in der Natur der Sache, denn innerhalb der Konfrontation verliert auch die Kooperation ihr unschuldiges Gesicht. Jetzt kann schon die Tatsache eines Vergleichsangebotes verdächtig sein. Sie löst Fragen aus, hinter denen man auch neue, strategische Chancen vermuten kann. Zeigt der Gegner etwa eine Schwäche? Will er mich am Ende selbst hereinlegen?“

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, wenn bei einem Streit über die Forderung von 100.000 EUR die Gegenseite das überaus großzügige Vergleichsangebot abgelehnt hat, die Forderung niederzuschlagen, wenn sofort 35.000 EUR gezahlt würden.

Es drängt sich die Annahme auf, dass unter dem Gesichtspunkt der Konfrontation ein Wechsel in die Kooperation nicht möglich ist, weil jede Maßnahme unter dem Misstrauen der Konfrontation gewürdigt wird. Der Gedanke soll mit folgendem Beispiel erläutert werden: Stellen sich vor, sie spielen Schach. Ihr Gegner ist etwa gleichstark. Das Spiel verläuft sehr engagiert. Jeder möchte den Sieg davontragen. Jetzt machen Sie Ihrem Gegenspieler plötzlich „konstruktive“ Vorschläge „Setz doch die Dame auf C4″. Dabei lächeln Sie gönnerhaft. Wie, glauben Sie, reagiert der Gegner? Wird er Ihrem Vorschlag bedingungslos folgen? Wahrscheinlich wird er sehr misstrauisch reagieren. Er wird vermuten dass sie ihn reinlegen wollen, um selbst den Sieg davon zu tragen. Er wird im Zweifel Ihrem Vorschlag nicht folgen. Das Misstrauen überwiegt.

Das Beispiel soll nicht entmutigen. Es gibt durchaus Wege in die Kooperation. Um sie zu begehen, bedarf es jedoch eines Rahmens, in dem sich eine andere, nicht von der Konfrontation beeinflusste Strategie entfalten kann. Weil die Konfrontation auf Misstrauen beruht bedarf es eines Rahmens, der die Koinkurrenz zwischen den Streitparteien aufzulösen vermag. Im Sinne der Spieltheorie ist der Rahmen gleich zu setzen mit dem Spiel, das die Parteien mit- oder gegeneinander spielen. Einen anderen Rahmen herstellen heißt deshalb, ein anderes Spiel zu spielen. Die Konfrontation wird demnach abgestellt, indem das Konfrontationsspiel beendet und ein Kooperationsspiel begonnen wird. Wenn der Wechsel in streitigen Sachen von der Konfrontation in die Kooperation gelingen soll, muss also – ganz im Sinne der Spieltheorie – einfach nur ein anderes Spiel inszeniert werden.

Verfahren und Kombinationen

Es gibt verschiedene Wege, einen derartigen Spielwechsel im Gerichtsverfahren herbeizuführen. Der einfachste Weg ist die Einleitung eines neuen Verfahrens. Es gilt der Grundsatz „Neues Spiel, neues Glück“. Das neue Verfahren lässt sich hinreichend abgrenzen. Vor Allem können dort Regeln eingeführt werden, die nur in dem Verfahren gelten und keine Auswirkungen auf das zugrunde liegende Ausgangsverfahren haben. Dieses Konzept verwirklicht sich in den Fällen der gerichtsnahen Mediation ebenso wie in denen der gerichtsinternen Mediation.

Die sprachliche Unterscheidung ist ungenau, weil oft beide Varianten als gerichtsnahe Mediation (court annexed mediation) bezeichnet werden. Der Unterschied ist folgender:

  • Gerichtsnahe Mediation
    Bei der gerichtsnahen Mediation wird das Gerichtsverfahren unterbrochen (zum Ruhen gebracht), um eine davon völlig unabhängige, durch die Parteien selbst und auf eigene Kosten in Auftrag gegebene Mediation durch einen frei anbietenden Mediator durchführen zu lassen.
  • Gerichtsinterne Mediation
    Auch bei der gerichtsinternen Mediation wird das Gerichtsverfahren unterbrochen (zum Ruhen gebracht), um eine davon völlig unabhängige Mediation durchzuführen. In diesem Fall allerdings fungiert als Mediator nicht der freie Dienstleister, sondern der dafür frei gestellte Richter. In Deutschland ist diese Variante ebenso wie in den Niederladen und anderen Europäischen Ländern mit kontinentalem Justizsystem führend. Aus meiner Sicht als Mediator ist diese Verfahrensweise aktuell durchaus hilfreich, die Mediation zu verbreiten. Sie ist jedoch kontraproduktiv, wenn sie dazu führt, dass die Justiz das auf dem freien Markt verfügbare Produkt „Mediation“ umfassender und zu besseren Konditionen anbietet. Das Ziel der Justizverwaltung, die Zahl der Verfahren zu reduzieren, scheint bei diesem Angebot in Frage zu stehen.

Die Notwendigkeit, dass die Justiz die Parteien dabei unterstützt, miteinander zu kooperieren, lässt sich auch auf einem Weg herbeiführen, der geringere Anforderungen an die Parteien stellt und sie zunächst von der Entscheidung entbindet, sich auf ein anderes Verfahren einzulassen. Diesen Weg beschreibt die integrierte Mediation.

  • Die integrierte Mediation erspart es den Parteien zunächst, sich für einen Verfahrenswechsel entscheiden zu müssen. Sie verwendet Strukturen, Strategien, Methoden und Techniken der Mediation bis hin zu einer veränderten Haltung des Gerichts. Nahezu alle Werkzeuge der Mediation werden eingesetzt, um sie zielgerichtet auf die Herbeiführung einer Kooperation im Gerichtsverfahren zu verwenden. Die Idee wird deutlicher, wenn Sie sich vorstellen, dass der Richter den Fall durch ein moderierendes Gespräch anmediiert, bis er an seine Grenzen stößt. Die Grenzen sind meist zeitlicher Natur und betreffen ein für mediative Verfahren ungünstigeres Setting sowie Einschränkungen hinsichtlich der Mediationsprinzipien, sie Ihnen zuvor auch als Anforderungen an einen Konsensvergleich vorgestellt wurden. Die integrierte Mediation beschreibt die Migration von der Konfrontation zur Kooperation mit mediativen Mitteln. Auf diese Weise eröffnet sie den für eine Mediation noch nicht bereiten Parteien die Gelegenheit, dennoch in den Genuss der kommunikationsfördernden und deeskalierenden Interventionen zu kommen. Die integrierte Mediation versteht sich als Wegbereiter der reinen Mediation und ist ohne weiteres bereit, das Verfahren in eine Mediation abzugeben, wenn der Bedarf entsteht und die Voraussetzungen erfüllt sind.

Es hängt von der Streitbereitschaft, der Konfliktlage der Parteien und der Schlichtungskompetenz des Richters ab, ob und wie es ihm gelingt, die Bereitschaft der Prozessbeteiligten zu einer Kooperation zu wecken. In jedem Fall sollte er flexibel sein, denn die Kooperations- und Gesprächsbereitschaft basiert auf Vorsicht, Unkenntnis und Misstrauen. Der Richter muss demnach die Grundlagen für einen Strategiewechsel erst herstellen.

Das Rollenspiel

Der einfachste und zugleich konstituierende Lösungsansatz, den der Richter innerhalb des Verfahrens selbst und jederzeit ermöglichen kann, besteht im Rollenwechsel. Gemeint ist der verfahrensablaufbezogene Wechsel von der Rolle des Richters zum Schlichter, Moderator oder noch weitergehend zum Mediator und gegebenenfalls wieder zurück zur Rolle des Richters. Kein Problem, wenn in diesem Rollenwechsel auch ein Spielwechsel zur externen oder gerichtsinternen Mediation vorkommt.

Der unausgesprochene Rollenwechsel gehört zum richterlichen Alltag. Erst mit seiner Bewusstmachung lässt er sich konstruktiv zur Herbeiführung eines Vergleichs einsetzen. Der Richter sieht sich in der Rolle des Entscheiders. In welcher Rolle sieht er sich, wenn er Schlichtungsgespräche führt?

Auf den ersten Blick scheinen sich die Rollen auszuschließen, nicht so bei genauerem Hinsehen. Dann nämlich, wenn die Rollen nicht als konkurrierend sondern als sich ergänzend eingestuft werden. Eine ergänzende Beziehung lässt sich herstellen, indem die Entscheiderrolle als subsidiär gegenüber der Schlichterrolle eingestuft wird.

Je nachdem in welcher Rolle sich der Richter sieht, kann beeinflusst er unbewusst den Verlauf der Verhandlungen. Vergleichsverhandlungen können so erschwert oder gar vereitelt werden. Je mehr Entscheidungsbereitschaft der Richter demonstriert, umso mehr werden sich die Parteien zurücknehmen, umso weniger werden sie eine eigene Verantwortung für das Ergebnis übernehmen.

Es ist deshalb hilfreich, die mit der Verhandlung einhergehende Rollenverteilung anzusprechen. Das kann durch unauffällige Kommentare geschehen wie z.B.: „Wenn ich mich mal in die Rolle des Schlichters begebe dann fällt mir folgendes auf  …“: Das Verständnis der Richterrolle wirkt sich auf die Rollendefinition der Rechtsanwälte und Parteien aus. Was spricht dagegen, den Richter und die gegnerischen Rechtsanwälte im Verfahren als ein Team anzusehen und als solches auch anzusprechen. Die gemeinsame Aufgabe des Teams ist es an der Herbeiführung einer guten Konfliktlösung für alle mitzuwirken. Es mag visionär klingen. Bei genauerem Hinsehen kommt der Gedanke jedoch unbewusst in jeder einvernehmlichen Regelung irgendwie und mehr oder weniger zum Tragen.

Zusammenfassung

Die strategische Herausforderung besteht darin, die Parteien von der Konfrontation in die Kooperation zu lenken. Das kann bei einfachen Konflikten durch die Anwendung einzelner Techniken und Interaktionen gelingen. In anderen Fällen lässt sich die zu wählende Strategie wie beschrieben über den Rollenwechsel vorgeben. Wenn der Richter als Schlichter agiert, verändert sich das Verhalten der Parteien. In schwierigen Fällen gelingt der Wechsel nicht ohne eine formale Absicherung. Dann bedarf es der Einführung eines neuen, völlig abgegrenzten Rahmens, in dem die Kooperation von der Konfrontation isoliert werden kann. Der Richter vereinfacht das Verfahren und die Vergleichsverhandlungen, wenn es ihm gelingt, ein gemeinsames Ziel zu definieren und dafür eine gemeinsame Strategie zu finden.

Was macht die Einigung so schwer?

Kriege lehren uns, dass sie bis zur wechselseitigen Vernichtung führen können und oft mehr Schäden verursachen als Vorteile. Die Geschichte beweist es. Trotzdem aber lassen wir uns immer wieder darauf ein. Was macht es so schwer sich zu einigen?

Die innere Einstellung

Unser größter Feind sind wir selbst. Der Richter sollte seine innere Einstellung kennen und beobachten. Das ist schwierig in einem Beruf, der für die Kommunikations- und Konfliktkompetenz kein Feedback kennt. Moderne Kollegien haben das Problem erkannt und geben sich gegenseitiges Feedback, nachdem sie als Zuschauer an der Sitzung des Kollegen teilgenommen haben. Jeder Richter sollte sich darüber im Klaren sein, ob er in der Lage ist, die Entscheidungen der Parteien ohne weiteres zu akzeptieren. Er sollte wissen, ob er es akzeptieren kann, wenn die Parteien ein Ergebnis aushandeln, das von seiner Wertevorstellung und seinem Empfinden von Gerechtigkeit abweicht. Das kann nicht jeder Richter ertragen, denn Gerechtigkeit, so meinen viele, könne privatautonom, in einer konfliktbedingten Opferlage kaum hergestellt werden.

Ein anderer, wichtiger Schritt in eine professionelle Vergleichsverhandlung besteht aus einer guten Kommunikation. Zu einer guten Kommunikation werden Kenntnisse und Fertigkeiten benötigt. Der Schlüssel für ein klärendes Gespräch ist das Zuhören. Die Grundlage einer jeden Kommunikation ist die sich dahinter verbergende (Grund-)Haltung, die wir als soziale Kompetenz beschreiben. Nach den Lehren von Carl Rogers und dem von ihm geprägten humanistischen Menschenbild ist der Mensch grundsätzlich gut und fähig, je nach den Umständen in denen er sich befindet, die beste Lösung zu erzielen. Wir sehen in dem Gegenüber also einen mündigen und mit Respekt zu behandelnden Gesprächspartner. Drei Variablen sollen die Gesprächskompetenz zum Ausdruck bringen:

  • 1. Gesprächsvariable: Akteptanz
    Richter sehen sich als Teil eines Wertesystems in dem es ihnen nicht immer möglich ist Begebenheiten zu akzeptieren und sich von Schuldkategorien lösen.
  • 2. Gesprächsvariable: Echtheit
    Kongruentes Auftraten fällt dann besonders schwer, wenn sich der Mensch hinter der Robe versteckt und keine Persönlichkeit mehr zeigt. Dies erleichtert die Kommunikation auf der Sachebene nicht aber, wenn über Interessen und Bedürfnisse gesprochen wird.
  • 3. Gesprächsvariable: Empathie
    Die Fähigkeit sich in einen anderen Menschen hineinzufühlen fällt ebenfalls schwer, wenn die für beide Parteien geforderte Einfühlsamkeit von dem Mitgefühl für die schutzbedürftige Seite belastet wird.

Erst das Vertrauen, dass die Parteien selbst in der Lage sind, ihren Streit zu lösen, erlaubt es dem Richter sich zurückzunehmen. Zusammen mit der Erkenntnis, dass die Parteien für das Ergebnis selbst verantwortlich sind, gelingt es ihm, keine Lösungen vorzuschlagen und eigene Lösungsvorschläge der Parteien zu akzeptieren.

Das Ziel und die Zielsetzung

Die innere Einstellung hängt nicht unwesentlich von der Rolle ab, die der Richter auszufüllen in der Lage ist. Sie sollte mit dem Rollenverständnis einhergehen, das die Parteien und die Rechtsanwälten dem Richter zuschreiben. Diese Sicht definiert die Erwartungen, die von den Parteien oder den Rechtsanwälten an das Gericht gestellt werden. Obwohl die Rollen gesetzlich definiert scheinen, gibt es voneinander abweichende Sichtweisen und Erwartungen:

  • Der Kläger mag wünschen, der Richter solle den Beklagten zum Unterliegen verurteilen, damit der endlich sieht dass er im Recht ist.
  • Die Beklagte mag wünschen, der Richter könne den Kläger zur Vernunft bringen. Ein paar ermahnende Worte vielleicht, denn im Streit sei nur ein Desaster zu erwarten.
  • Vielleicht wünscht eine Partei auch endlich nur in Ruhe gelassen zu werden. Sie erwartet vom Richter eine endgültige Entscheidung möglichst ohne Konfrontation mit dem Gegner.
  • Eine andere Partei hat möglicherweise gar kein Interesse am Prozessergebnis und führt den Prozess nur zur Verzögerung der an sich gebotenen Titulierung.
  • Wieder eine andere Partei führt den Prozess ohne durch einen Konflikt getrieben zu sein, aber um PHK zu bekommen.

Bei derart unterschiedlichen, unausgesprochenen und divergierenden Erwartungen ist es schwierig, ein gemeinsames Ziel zu finden und einen gemeinsamen Weg zu verfolgen. Eine der wichtigsten Anforderung für erfolgreiche Vergleichsverhandlungen erwartet deshalb die Vereinbarung eines gemeinsamen Ziels. Der Richter kann davon ausgehen, dass sich dieses Ziel nicht in den Positionen finden lässt, aber unter den Interessen. Bei der Zielfestlegung ist deshalb eine Unterscheidung angebracht, die zwischen dem Urteil differenziert,
welches das Ergebnis des Verfahrens darstellt und nachfolgend als das Verfahrensziel bezeichnet wird und dem Nutzen, welcher die aus dem Verfahren zu erzielenden Vorteile beschreibt und nachfolgend als Verfahrensnutzen bezeichnet wird.

Die Gemeinsamkeit lässt sich herstellen, indem der Verfahrensnutzen als Ziel fokussiert wird, nicht das Ergebnis oder Verfahrensziel. In der Mediation wird eine ähnliche Zielfestlegung aufwändig in einer eigenen Phase ermöglicht, die wir das Arbeitsbündnis nennen. Für das Gerichtsverfahren wäre dies zu aufwendig. Hier mag ein Konstrukt helfen, das ich als das Zielpentagramm bezeichne. Mit Hilfe der im Zielpentagramm vorgegebenen Fragen gelingt es recht schnell, sich ein Bild über den Konflikt und die dahinter liegenden Interessen zu machen.

Das Zielpentagramm

Die Zielvereinbarung versucht zu ergründen, welche Erwartungen jede einzelne Partei an die gewählte Verfahrensweise stellt und welche Vorstellungen sie mit ihr verfolgen. Sie hinterfragt den individuellen Nutzen sowie die Erwartungen und lenkt die Aufmerksamkeit auf direktem Wege zu den Interessen.

Für die Rechtsanwendung hat sich die nachfolgende Zielermittlung bewährt. Sie besteht aus 5 markanten Fragen, die sich mit den Etappen des Lösungspentagramms abstimmen lassen.

  • Frage 1: Was soll erreicht werden?
    Zunächst wird mit den Parteien erörtert, was mit dem Dienstleistungsauftrag formal und gegenständlich erreicht werden soll.
    Beispiel: Die nahe liegende Antwort im Prozess lautet: eine Streitentscheidung. Die weiterführende Frage lautet: Muss es sich um ein Urteil handeln oder kann das Ergebnis auch ein Vergleich sein? Was ist wenn das Verfahren nur zum Ruhen kommt?
    Es ergeben sich Anhaltspunkte dafür, welche Bedeutung das formale Verfahrensergebnis für die Parteien hat und die Gelegenheit dies zu manifestieren.
  • Frage 2: Wozu brauchen die Parteien das?
    Als nächstes steht die Frage im Raum, zu welchem Zweck das Ergebnis benötigt wird. Damit einher geht die Frage nach dem Zweck der Dienstleistung und danach, was sie denn eigentlich bewirken soll. Ein Urteil hat für sich gesehen keinen großen Nutzen, wohl aber eine Wirkung. Sie erhalten wichtige Anhaltspunkte dafür, wie das Verfahren zu führen ist, wenn es gelingt, den Fokus auf den Nutzen zu lenken. Geht es den Parteien nur um den formalen Aspekt des Siegens oder Unterliegens, sollte das Verfahren dementsprechend formal geführt sein. Gibt es jedoch offene Fragen, sollte sich das Verfahren auch darauf einstellen, indem es diesen Fragen Beachtung schenkt.
  • Frage 3: Für wen wird das Verfahren geführt?
    Sodann geht es darum, sich zu vergewissern, wer alles von dem Ergebnis und seinen Auswirkungen wie betroffen sein wird, wer daran ein Interesse haben könnte. Das sind keinesfalls nur die formal am Verfahren beteiligten Personen. In den Familiensachen natürlich die Kinder, aber auch der neue Lebensgefährte die Grosseltern usw. Schliesslich sollte nicht aus dem Blickfeld geraten, welches Interesse die Professionen mit dem formalen Verfahrensergebnis verbinden.
  • Frage 4: Woran kann der Erfolg gemessen werden?
    Die wohl interessanteste Frage in dieser Variante der Zielermittlung ist die Frage nach dem „Wie“ des gewünschten Ergebnisses. Genauer formuliert lautet die Frage: Wie oder woran der Erfolg der gewünschten Intervention gemessen werden kann, welche Kriterien das Ergebnis zu erfüllen hat, damit die Partei oder die Parteien zufrieden gestellt sein können. Die Frage zielt auf den Wert ab, den der gewünschte Nutzen für die Parteien hat. Sie betrifft die letzte Etappe des Lösungspentagramms.
    Beispiel: Um den Erfolgsfaktor einer Scheidung herauszustellen fragt der Richter: „Was soll sich durch die Scheidung für Sie verändern, was soll so bleiben wie es ist?“ Aus den Antworten kann der Richter die Bedürfnisse der Parteien ableiten um sich auf sie einzustellen. Er kann die Parteien gegebenenfalls darauf hinweisen, wenn das Verfahren an den erkannten oder vermuteten Bedürfnissen voraussichtlich vorbeigeht. Die Partei profitiert von der Transparenz.
  • Frage 5: Wann soll das Ergebnis vorliegen?
    Die Frage, wann das gewünschte Ergebnis eintrifft, relativiert seinen Erfolg, so dass der Zeitfaktor ebenfalls zu erörtern ist. Bei der Erörterung der zeitlichen Aspekte sollte sichergestellt werden, dass sich die zeitliche Planung auch auf nachfolgende Zeitabschnitte erstreckt und eine nachträgliche Überprüfung nach zeitlich festgelegten Abständen ermöglicht.

Gleich ob im Rahmen der integrierten Mediation oder eines verfahrensübergreifenden Schlichtungsversuchs und sogar im konventionellen Gerichtsverfahren, eine Zielfestlegung ist stets angebracht, damit die Parteien sich über ihre Rollen und Verantwortung im Klaren sind. Die Zielfestlegung ist für jede Person durchzuführen. Das kann ganz informell geschehen, ohne dsss die Fragen ausdrücklich gestellt werden müssen. Der Richter achtet aber auf Informationen der Parteien, die Antworten auf diese Fragen geben könnten. Gegebenenfalls kann er konkret nachfragen. Wenn der Richter eine Vorstellung von den Erwartungen der Parteien und Parteivertreter gewonnen hat, kann er diese auf einem gemeinsamen Nenner zu einem gemeinsam zu verfolgenden Ziel zusammenführen.

Die Einflüsse der Konfliktevolution

Wie würden Sie entscheiden, wenn Sie die Macht hätten, ihre Forderung ohne weiteres gegen den Gegner durchzusetzen? Würden Sie dann noch verhandeln? Wahrscheinlich nicht. Die Abneigung gegen Verhandlungen im Konflikt ist nicht immer sachlich begründet. Mithin macht es auch wenig Sinn sachlich darüber zu diskutieren. Sie beruht auf einer biologisch begründeten Überlebensstrategie. Nach der Konfliktevolutionstheorie von Prof. Schwarz besteht zwischen dem Konsens und der Delegation eine evolutionäre Beziehung mit hierarchischem Charakter. Die Konfliktverhaltensform der Delegation entspricht der Einschaltung des Gerichts. Sie geht dem Konsens, der unter anderem im Wege der Mediation herbeizuführen ist, voraus. Das Bemühen um Konsens ist, als die höchste Form der Konfliktbewältigung, also erst dann vorstellbar, wenn sich die evolutiv vorangehenden Formen der Konfliktbewältigung, wie etwa die Flucht, die Vernichtung, die Subordination und die Delegation als untauglich oder nutzlos erweisen. Indem die eine Form des Konfliktverhaltens eine andere voraussetzt, weist jede Form unterschiedliche Einsatzbedingungen auf. Den Kompromiss erzielen Sie deshalb schon dann, wenn die Untauglichkeit der Delegation erkannt wird. Gute Chancen zum Wechsel in die Kooperation (Kompromiss Konsens) bestehen beispielsweise, wenn beide Seiten mürbe sind oder schwächeln. Das Phänomen tritt gerne in Verfahren mit unüberschaubaren Aktenbergen auf, da wo es nichts mehr zu verdienen gibt und bereits ein häufiger Anwaltswechsel statt gefunden hat. Gute Chancen ergeben sich auch bei einem unerträglich werdenden Kostendruck. Am Besten auch dann, wenn die Sache für die Parteien aussichtslos erscheint .und sie nicht gutes Geld schlechtem hinterherwerfen. Das genügt für einen Kompromiss. Den Konsens hingegen erzielen Sie nur, wenn es gelingt dessen Nützlichkeit herauszustellen. Gute Chancen zum Wechsel in die Kooperation (Kompromiss Konsens) bestehen demnach, wenn es zu einer Nutzenabwägung kommt, die der Richter etwa mit Frage initialisieren könnte: „Angenommen Sie obsiegen. Was wird das für Sie verändern? Was wird in einem Jahr sein und was in fünf?“ Die Partei wird jetzt – auch wenn sie nicht antwortet – an den Nutzen denken und feststellen, dass die geltend gemachte Forderung möglicherweise gar nicht das einbringt, was sie eigentlich erwartet hat. Eine andere Möglichkeit, den Nutzen einer kooperativen Verhandlung zu fokussieren ergibt sich aus dem folgenden Beispiel, in dem der Richter die Gesprächstechnik des Rollentauschs angewendet hat. In einer Sorgerechtssache fragte der Richter zu Beginn der mündlichen Verhandlung zunächst die Antragstellerin: „Wie würden Sie Ihren Fall an meiner Stelle als Richter entscheiden?“ Die Frau antwortete überraschend: „Ich möchte nicht in ihrer Haut stecken“. Nachdem der Richter die gleiche Frage an den Mann richtete, antwortete auch dieser: „Ich möchte nicht in Ihrer Haut stecken“. Der Richter erklärte nun, dass er als Außenstehender doch noch viel weniger erreichen könne als die Parteien, die nicht nur die intimeren Kenntnisse, sondern immerhin auch noch die Kontrolle über ihren Konflikt übernehmen könnten. Der Richter erklärte die möglichen Sachentscheidungen und hinterfragte die sich daraus ergebenden Konsequenzen. Die Parteien wurden einig, dass ihnen die Wiederaufnahme der Kommunikation eher weiterhilft als eine wie auch immer ausfallende, juristische Entscheidung.

Aus der Sicht der Delegation, also der des Gerichtsverfahrens, wird der Weg in den Konsens immer dann vorgegeben, wenn es darum geht, eine Lösung zu suchen. Dann ist die Kooperation die angesagte Strategie. Die Parteien verstehen sich als ein Team. Geht es den Parteien jedoch darum, ihre als Position verdichtete Lösung durchzusetzen, dann ist die Konfrontation angesagt. Die Parteien treten sich als Gegner gegenüber. Das Verfahren wird auf der Stufe der Delegation stecken bleiben.

Je weiter der Konflikt eskaliert ist, desto wichtiger ist die Klärung grundlegender Fragen wie die Rollenerwartung und die Zielsetzung. Es geht darum, den Parteien Deeskalationsangebote zu unterbreiten und eine zielführende Verhandlungsstruktur anzubieten. Es ist leicht nachvollziehbar, dass die Deeskalation umso besser gelingt, je geringer die Eskalation des Konfliktes fortgeschritten ist. Das heißt, je eher die Zielklärung erfolgt, desto früher können die sich daraus ergebenden Rollen bestimmt werden. Dies mag auch stillschweigend geschehen, wenn der Richter etwa in einer Moderationsphase dem Anwalt die Rolle des Beraters statt des Vertreters zuschreibt. Um die Parteien einzustimmen, kann der Richter schon in der ersten Phase des Verfahrens, also noch im schriftlichen Teil auf die Möglichkeit einer kooperativen Vorgehensweise hinweisen.

Die Harvard Forschung

Warum Verhandlungen eskalieren hat auch die Forschung an der Harvard Universität beschäftigt. Roger Fisher und William Ury haben Verhandlungsprinzipien herausgearbeitet, die im Vergleichsgespräch durchaus auch zur Geltung kommen sollten und in dieses Konzept eingearbeitet sind. Das Ziel des so genannten Harvard-Konzepts ist es,

  • die Sach- und Beziehungsebene zu trennen,
  • Interessen auszugleichen und
  • Entscheidungsalternativen unter neutralen Beurteilungskriterien zu suchen,

um so einen Gewinn für alle Beteiligten zu schaffen.

Inspiriert durch diese Ausführungen wende ich mich nun den inhaltlichen Aspekten einer konfliktbasierten Verhandlung zu.

Konflikttheorie

Warum die Parteien so fest an ihren Positionen klammern und warum es so wichtig ist die Sach- und Beziehungsebene voneinander zu trennen, findet eine Ursache in der Konfliktdynamik. Bis hin zur Einnahme von Positionen entwickelt sich der Konflikt in drei Stufen:

  • Stufe 1: naming
    In einer Situation erlebt einer der Beteiligten ein bestimmtes Ereignis als ihn verletzend.
  • Stufe 2:blaming
    Er schreibt die Verantwortung für dieses Ereignis einem der Situationsbeteiligten zu und macht seine Verletzung zur Grundlage eines Vorwurfs.
  • Stufe 3:claiming
    Er erhebt Kompensationsforderungen für die erlittene Verletzung.

Die Konfliktdynamik wirkt auf beiden Seiten ganz unterschiedlich und vor allem auch zeitversetzt. Die Partien entwickeln voneinander abweichende Wahrnehmungen auf denselben Fall. Das Gesamtbild verschließt sich ihnen. Es kommt zu widerstreitenden Positionen, mit denen sich die Parteien voneinander abzugrenzen versuchen.

  • Stufe 4: processing
    Im späteren Verlauf der juristischen Auseinandersetzung werden die aus der Verletzung emotional begründeten Kompensationsforderungen in materiell rechtliche Ansprüche überführt. Nachdem sich die Ansprüche in Positionen verfestigt haben verselbständigen sie sich und lösen sich auf diese Weise von dem eigentlichen Anlass.

Es wird deutlich, dass die Verhandlung sich nur dann auf die Sachfragen konzentrieren kann, wenn die emotional begründeten Kompensationsforderungen davon differenziert werden können. Eine deeskalierende Verhandlung verfolgt diese Differenzierung, indem sie verschiedene Verhandlungsebenen unterscheidet.

Verhandlungsebenen

Den Ausgangspunkt bildet die unterschiedliche Wahrnehmung der Parteien, die ihre konträren Positionen überhaupt erst ermöglichen. Sie lässt sich mit dem Blick auf einen Würfel als dreidimensionales Gebilde vergleichen, das für beide Seiten nicht vollständig einsehbar ist. Jede Partei sieht nur die ihr zugewandten drei Seiten des Würfels. Die rückseitigen drei Seiten bleiben ihr verborgen.

Der konventionell entscheidende Richter würde festzulegen haben, welche Partei die „richtige“ Seite des Würfels betrachtet. Auf der Stufe der Delegation verhandelt der Jurist ausschließlich auf der reinen Sachebene. Das ist zumindest der Anspruch. Schwelt im Hintergrund eines Verfahrens ein Konflikt, ist dieser Konflikt nicht Teil der tatbestandlichen Erörterungen. Er bleibt also im Prozess unbeachtet. Trotzdem oder gerade deshalb sucht sich der Konflikt seinen Weg in das Verfahren. Wie und wo sonst soll er sich Ausdruck verleihen? Er gibt sich durch Anschuldigungen, Beleidigungen, auffälliges Verhalten oder überraschende Reaktionen zu erkennen. Ich verweise auf das Beispiel der an Parkgebühren gescheiterten Vergleichsverhandlung. Sie zeigt, wie sehr der Konflikt gegen alle rationalen Erwägungen seine Beachtung einfordert! Der Richter erlebt diesen Drang bei überflüssigen Sachvorträgen, Wiederholungen, Polemischen oder versteckten Angriffen, Verzögerungen und sinnlose Blockaden.

Auf die Metapher des Würfels zurück kommend, versucht ein Mediator, alle Seiten des Würfels einsehbar zu machen, indem er ein Verständnis für die Existenz und die Sichtweise der anderen Seite herbeiführt. Er bezieht deshalb alle Wahrnehmungs- und Kommunikationsebenen in die Verhandlung mit ein.

Der Umweg ist eine Abkürzung

Die innere Bereitschaft, sich auf eine gegebenenfalls andere aber nützlichere Lösung einzulassen, rekrutiert neben den unmittelbaren auch die mittelbaren Interessen und Bedürfnisse der Parteien. Besonders in Beziehungskonflikten geht es nur selten um den geltend gemachten Anspruch. Diese Erkenntnis wird durch die Forschung im Harvard Konzept bestätigt. Um die emotional begründeten Kompensationsforderungen von den sachlich begründeten und realisierbaren Forderungen zu differenzieren sollte der Richter Emotionen gelten zu lassen, anstatt sie zu unterdrücken. Die Emotionen benötigen einen Raum, in dem sie zum Ausdruck kommen können. Solange sie diesen Raum nicht gefunden haben, werden sie die Sachverhandlungen stören wollen. Haben die Interessen und Emotionen schließlich einen Platz gefunden, wo sie zum Ausdruck kommen können, müssen sie nicht mehr auf die Sachebene durchschlagen.

Trennung der Ebenen

Auch die Forderung des Harvard Konzeptes zielt darauf ab, die Emotionen nicht zu unterdrücken, sondern sie zuzulassen. Ziel ist es, sie zu identifizieren. Wenn dies geschehen ist lassen sich die Emotionen aus dem Weg räumen, indem sie in Bezug genommen werden. Der Dämon wird vertrieben, indem er einen Namen bekommt. Technisch wird dies durch Loopen und Paraphrasen ermöglicht, bei denen die Ich-Botschaften zurückgemeldet werden. Das Augenmerk der Partei wird auf die Interessen gelenkt. Bei der Rückmeldung wird zwischen der Sachebene und der Beziehungs- oder Emotionenebene getrennt, indem Sie die Sachinformationen ansprechen und die Beziehungsinformationen daneben stellen. Im Verlauf des Prozesses fokussieren die Parteien auf diese Weise mehr und mehr die Sachfragen.

Interessen ausgleichen

Wenn ein Konflikt vorliegt, geht es letztlich darum, herauszufinden, was den Konflikt antreibt. Gegebenenfalls, welche Verletzung zugrunde liegt. Der Richter muss also einen Blick auf Interessen, Bedürfnisse und Gefühle riskieren. Für den Juristen sind das ganz ungewohnte Begriffe, deren Verwirrspiel sich relativ leicht auflösen lässt, wenn die Begriffe zueinander in ein Verhältnis gesetzt werden. Diese Verhältnismäßigkeit lässt sich als das Lösungspentagramm beschreiben. Die geometrische Form des Pentagramms drückt aus, dass jeder Punkt den andern bedingen kann ohne dass es eine Hierarchie oder Abfolge gibt. Das Lösungspentagramm soll dazu beitragen die frage zu beantworten, welches Ziel mit einer Konfliktlösung zu erreichen ist. Dieses Ziel ist gleichbedeutend mit dem Nutzen, den die einzelne Intervention für die Konfliktlösung haben kann. Ziel und Nutzen einer Konfliktlösung sind genau zu bestimmen, wenn sie auf den Ursprung des Konfliktes zurückgeführt werden (können). Den Ursprung finden wir dort, wo der Antrieb jedes menschlichen Handelns zu suchen ist. Der Handlungsantrieb ist auch der maßgebliche Ausgangspunkt für unser Verhalten im Konflikt.

Der Antrieb des menschlichen Verhaltens wird generell in zwei Grundmotivationen eingeteilt. Dem Wachstum und der Mangelbeseitigung. Im Falle eines Konfliktes besteht die vordringlichste Handlungsmotivation darin, die konfliktbedingten Mangelfolgen zu beseitigen. Deshalb sollte der Richter auf den möglichen Mangel als Ursprung und Auslöser eines Konfliktes achten.

Mangel

Die auf den Mangel abzielende Frage lautet: „Woran fehlt es?“

Ein Mangel kann im physiologischen Sinn als ein Defizit im Organismus (Hunger, Durst) oder im psychologischen Sinn als ein Defizit an bestimmten Verhaltenskontakten (Erfolgserlebnisse, Zuneigung, Liebe, Schutz, Geborgenheit) verstanden werden. Die Auseinandersetzung mit einer anderen Person kann durch derartige Defizite entstehen oder ausgelöst werden. Der Konflikt steht mit diesen, als Mangel erlebten, Defiziten im Zusammenhang.

Bedürfnis

Die auf das Bedürfnis abzielende Frage lautet: „Was brauchen Sie?“

Der Mangel verursacht eine unausgeglichene Situation bei dem Betroffenen. Er löst das stete Bedürfnis aus, den durch die Mangelfolgen herbeigeführten Spannungszustand zu beseitigen. Das Bedürfnis ist eine direkte Reaktion auf einen Mangel. Sein Begriff kommt übrigens aus dem Mittelhochdeutschen. Er bedeutet: unbedingt brauchen, nötig haben.

Das Bedürfnis konzentriert sich auf alles, was den Mangel beseitigen oder verringern kann. Jedem Mangel steht ein Bedürfnis gegenüber. Leider ist dieses Bedürfnis nicht immer eindeutig feststellbar. Ein Mangel kann mehrere Bedürfnisse auslösen. Diese können sich unterschiedlich stark auswirken. Sie können sich überlappen und sogar widersprechen. Oft sind sie den Konfliktbetroffenen gar nicht bewusst. Ein Phänomen, das es recht schwierig macht, diese Ebene anzusprechen. Die Ebene ist dem Richter aber nicht ohne weiteres verschlossen.

Wünsche

Die auf den Wunsch abzielende Frage lautet: „Was wollen Sie?“

Das unbewusste Bedürfnis rationalisiert sich in Wünschen und Nöten. Aus der Sicht des Betroffenen definieren die Wünsche das mit der Konfliktbewältigung zu erreichende Ziel. Die Wünsche ermöglichen Pläne für eigene Handlungen. Sie können aber auch Anweisungen sein, die sich an den Konfliktgegner richten. Im letzteren Fall werden sie als Forderungen (Ansprüche) erhoben. Die Forderung entspricht mehr oder weniger einem nachhaltig zum Ausdruck gebrachten Wunsch.

Forderung

Die auf die Forderung abzielende Frage lautet: „Was fordern Sie vom anderen konkret?“

Die Forderung entspricht dem geltend gemachten Klageantrag bzw. dem widersprechenden Abweisungsantrag. Im Idealfall ergibt sich eine Kongruenz zwischen der Forderung und dem dahinter verborgenen Wunsch. Die Forderung ist Ausdruck der Position im Konflikt.

Nutzen

Die auf den Nutzen abzielende Frage lautet: Was versprechen Sie sich davon?“

Die Durchsetzung einer Forderung ist kein absolutes Ziel, das mit einem uneingeschränkten Nutzen. Für den Betroffenen stellt sich die Nützlichkeit einer Konfliktintervention erst dann in vollem Umfang dar, wenn die monetären und die nichtmonetären Vorteile die monetären und die nichtmonetären Nachteile überwiegen. Leider ergibt sich erst im Nachgang ein verlässliches Gefühl für diese Bilanz. Erst nachdem ihm die wirtschaftliche und die emotionale Lage spürbar geworden ist, wächst die Erkenntnis, ob und inwieweit sich der Sieg eines Prozesses für den Betroffenen auf lange Sicht als nützlich erweist.

Zusammenfassung

Ohne den Konflikt anfassen zu wollen, lässt er sich nicht lösen. Die passende Haltung hilft die richtigen Maßnahmen zu ergreifen. Erste grundlegende Weichenstellungen ergeben die Zielvereinbarung, die Rollendefinitionen, die Trennung von Sach – und Beziehungsebene, sowie der Interessenausgleich, dem eine Interessenerhellung vorausgehen muss.

Wie funktioniert es?

Die methodische Vorgehenswiese des Schlichters unterscheidet sich gravierend von der des Richters. Dennoch schließt die eine die andere nicht aus. Die Methoden widersprechen sich nicht, sie ergänzen sich. Sowohl irreführend wie unzutreffend ist die mitunter anzutreffende Aussage, dass die juristische Methode eine den Streit eskalierende Methode sei. Es wird der Eindruck erweckt, als sei diese Methode für die Mediation und damit auch für den Konsensvergleich nicht einsetzbar. Es ist der Mensch der die Methode anwendet und umsetzt. Er entscheidet also darüber, ob es zu einer Eskalation kommt oder nicht. Die Subsumtion findet durchaus ihre Anwendung. Wenn es aber darum geht, die Parteien zu unterstützen, einen Konsens zu finden, kann die rechtliche Sicht nicht mehr sein, als eine Orientierung. Die Parteien müssen sich ebenso wie der Richter und die Rechtsanwälte bewusst darüber sein, dass sie im Rahmen der Gesetze die Möglichkeit haben, sich von den juristischen Vorgaben zu lösen und passende Regelungen herbeizuführen.

Die juristische Methode

Die Subsumtion ist eine der wichtigsten Methoden in der juristischen Arbeit. Es handelt sich um die Fähigkeit, die Kongruenz eines Sachverhaltes mit den Vorgaben einer Norm zu vergleichen. Eine von den Juristen aufzuspürende, auf den Sachverhalt passende Anspruchsnorm ergibt die Rechtsfolge.

Das Recht scheint zu unterstellen, dass die aus dem Sachverhalt abzuleitende Rechtsfolge stets mit den Wünschen und Vorstellungen der Parteien im Einklang steht. Solange davon auszugehen ist, dass sich die Forderungen der Betroffenen mit deren Interessen decken, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die in der Forderung zum Ausdruck gekommene Rechtsfolge auch mit der Lebensplanung der Partei übereinstimmt. Die Kongruenz von Recht und Interessen bildet den Idealfall.

Im Vordergrund der juristischen Arbeit steht die Frage, ob und inwieweit die in der gefundenen Rechtsfolge zum Ausdruck gekommenen Wünsche (Forderungen) des Mandanten zu realisieren sind. Der Erfolg einer anwaltlichen Leistung lässt sich mit der avisierten Rechtsfolge genau umschreiben. Er wird durch den zu erstreitenden Titel bescheinigt.

Stimmt die gefundene Rechtsfolge nicht mit dem Wunsch oder der Lebensplanung des Mandanten überein, lautet die juristische Versuchung, den Sachverhalt so darzustellen, dass sich die dem Wunsch des Mandanten entsprechende Rechtsfolge ableiten lässt. Es kommt zu Sachverhaltsverschiebungen, die von der Gegenseite als Angriff ausgelegt werden.

Die Methode der Mediation

Für die Schlichtung ist eine andere Herangehensweise besser geeignet. Hier stehen keine Rechtsfolgen im Vordergrund der Betrachtungen, sondern Problemlösungen. Die Verhandlung wird schwerpunktmäßig auf die Erhellung der Interessen gerichtet. In der Mediation beginnt jetzt die die aufwendigste Phase. Immer wieder wird die Frage gestellt, ob und inwieweit es gelingen kann über Interessen zu sprechen, wenn diese mit Emotionen und Bedürfnissen im Zusammenhang stehen, die sich so schwer erörtern lassen und teilweise den Parteien selbst noch nicht einmal richtig bewusst geworden sind. Natürlich helfen Gesprächs- und Verhandlungstechniken weiter. Diese allein sind aber nicht ausreichend, um den Konflikt zu bewältigen. Die Mediation bietet eine Methodik, die weiter führt und auch im Gerichtsverfahren anwendbar ist.

Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass eine Eskalation meist wahrnehmungsbedingt ist. Unterschiedliche Wahrnehmungen stehen sich kontrovers gegenüber. Für den Schlichter kommt es nicht darauf an, herauszufinden, was falsch ist und wer den Fehler zu vertreten hat. Er konzentriert sich auf das, was die Parteien aus dieser Situation für sich erreichen können. Um wieder miteinander verhandeln zu können, müssen sie ein gewisses Verständnis für die jeweilig als misslich empfundene Lage aufbringen. Das ist konfliktbedingt aber kaum möglich, solange sich die Erörterung auf die Positionen beschränkt, wie dies in einer konventionell geführten mündlichen Gerichtsverhandlung auch zu erwarten ist. Die Methodik der Mediation stellt die Verhandlungsbereitschaft über drei Etappenziele her:

  • 1. Etappenziel: Der Mediator will jede Partei in ihrer Lage verstehen und begreifen (können)
  • 2. Etappenziel: Der Mediator will das Verstandene der Gegenpartei in einer Sprache vermitteln (können), die diese versteht
  • 3. Etappenziel: Der Mediator will das so Vermittelte unter den Parteien verhandelbar machen (können).

Auch diese Grundsätze lassen sich ins Gerichtsverfahren übertragen. Vielleicht nicht in der Tiefe, wie es sein könnte, aber schon so weit, dass bei den Parteien Erkenntnisprozesse ausgelöst und Sichtweisen verändert werden.

Der Verstehensprozess wird für jede Partei logisch und verbal getrennt geführt. Es bedarf einer Entwicklung, deren Ziel dann erreicht ist, wenn die Parteien sich selbst behauptet, also ihre Interessen offenbart haben.

Die Mediation hat erkannt, wie wichtig es ist, dass die Partei zuerst ihr eigenes Anliegen versteht und formuliert, ehe sie das der Gegenseite akzeptieren kann. Die methodische Vorgehensweise wird Windows I und Windows II genannt. Sie fokussiert die Partei zunächst auf ihr eigenes Anliegen und unterstützt auf diese Weise den Erkenntnisprozess. Erst in einem zweiten Schritt wird der Blick auf die Gegenseite gelenkt, deren Lage jetzt besser zu akzeptieren ist. Diese Vorgehensweise ist auch im Gerichtsverfahren denkbar. Sie ist leicht über die Gesprächsführung herzustellen. Die Parteien bleiben logisch voneinander getrennt, solange bis sie ihnen die Selbstbehauptung gelungen ist. Um Windows I anzuwenden, vermeidet der Richter direkte Bezugnahmen. Er fragt also nicht die Gegenseite danach was sie zu den Ausführungen des Gegners zu erwidern hat. Es ist zu erwarten, dass dies eine Ablehnung oder Entgegnung sein wird. Stattdessen fragt er, ob es seitens der anderen Partei Überlegungen gibt, die sie noch anführen möchte.

Optionen suchen

Die Empfehlung des Harvard Konzeptes, Entscheidungsalternativen unter neutralen Beurteilungskriterien zu suchen, setzt die Aufdeckung der Interessen beider Parteien voraus. Ohne die eigenen Interessen zu kennen oder die der Gegenseite ist es kaum möglich, sich Vertragsangebote zu machen, wobei der Vertragsabschluß das Ziel der Verhandlungen ist. Ein Vertrag kommt zustande durch Angebot und Annahme. Um nichts anderes geht es auch hier. Die Parteien sollen sich gegenseitig Angebote in Form von Lösungsvorschlägen unterbreiten, von denen sie glauben, dass sie von der Gegenseite so akzeptiert werden können.

Um ein solches Angebot unterbreiten zu können, muss bekannt sein, was der Gegenseite so nützlich sein kann, dass sie das Angebot anzunehmen vermag. Umgekehrt muss die Partei, um ein Angebot annehmen zu können, wissen, was sie bereit ist für das Angebot einzulösen. Jetzt wird deutlich, dass sich umso mehr Lösungsmöglichkeiten ergeben, je besser die Interessen beider Parteien erhellt wurden. Die Logik, warum Lösungen erst zu erörtern sind, nachdem die Interessen erhellt wurden, wird gleichfalls ersichtlich. Wenn der Ricjhter darauf achtet wird er die Erfahrung machen, dass die Erörterung von Lösungsvorschlägen vor der Interessenklärung oft zur Eskalation führt, während Erörterungen von Lösungen danach ohne weiteres möglich sind. Für eine effiziente, konfliktorientierte Verhandlungsführung ist es wichtig, den Unterschied zwischen Interessen, Positionen und Lösungen zu kennen. In der Mediation wird der Lösungsfindung eine eigene Phase gewidmet.

Im Gericht müssen keine Phasen angekündigt werden. Der Richter sollte aber die dahinter liegende Logik begriffen haben und sie durch eine einfache Gesprächsführung steuern. So könnte der Richter die um Lösungen feilschende Partei wie folgt ansprechen: „Sie sprechen gerade Lösungen an können sie den Gedanken noch zurückstellen, ich möchte erst noch die Hintergründe besser verstehen“. Bei abgetrennten Verhandlungen und dort wo ihre Schlichterrolle hervorgehoben ist, kann die Struktur einfach vorgegeben werden. Es genügt der Hinweis, dass Lösungen später erörtert werden, um ein Gespräch zu strukturieren ohne die Phasen zu benennen.

Zusammenfassung

Die Subsumtion ist eine rationalisierende Methodik, die aber auch dazu führt, dass sich Lösungsmöglichkeiten auf die Positionen beschränken. Die Methode der Mediation hilft, dies zu überwinden, indem sie ein Verständnis der Partei von sich und der Gegenseite bewirkt, das dazu beiträgt, den gesamten Würfel zu sehen. Die von der Mediation vorgegebene Phasenlogik lässt sich ebenfalls ins Gerichtsverfahren übertragen. Sie trägt zur Deeskalation bei und erlaubt nach der Sammlung von Optionen konstruktive Verhandlungen.

Was kann ich tun?

Dieser Beitrag hat sich bisher mit den Grundüberlegungen auseinandergesetzt die für eine erfolgreiche Vergleichsverhandlung zu beachten sind. Es ist kein Prüfungsschema und deshalb auch nicht erforderlich, dass alle diese Bedingungen erfüllt werden. Die Grenzen sind fließend. Annäherungen sind möglich. Wichtiger als das Ergebnis ist das, was die Parteien daraus machen. Deshalb sollte der Richter, wenn immer möglich, versuchen, einen Konsensvergleich herbeizuführen. Scheitern seine Bemühungen bleibt Raum für einen Kompromiss. In jedem Fall haben sich auf dem Weg zum Konsens werden sich Erkenntnisse ergeben, die zumindest ein besseres Verständnis der nachfolgenden Entscheidung herbeiführt und deshalb eine größere Akzeptanz auslöst. Forschungen belegen, dass schon der Umstand dass die Partei das Gefühl hat, der Richter habe ihr zugehört, eine höhere Akzeptanz bewirkt. Da das Zuhören der wichtigste Teil der Vergleichsverhandlungen ist, profitieren die Parteien also auch beim Urteil vom Verfahren.

Der Handgriff

Die größte Herausforderung des Richters besteht darin, den richtigen Zeitpunkt für eine fördernde Intervention zu erkennen. Eine einfache Faustregel mag dabei helfen, durch die Verhandlungen eines Konsensvergleichs zu führen. Der Richter muss sich nur fragen, was die Parteien daran hindert einen Konsens zu finden. Geht er der Frage nach, was einem Konsens konkret im Wege steht erkennt er viele Hindernisse, die er beseitigen kann. Derartige Hindernis sind:

  • Positionsdenken
    Der Richter hilft, die Positionen aufzulösen, indem er die dahinter liegende Interessenebene anspricht, die Diskussion über Lösungen bis zur Interessenklärung zurückstellt und ein Kooperationsmodell einführt.
  • Emotionen
    Der Richter räumt Emotionen ein, indem er sie verbalisiert. Mit Hilfe und durch die Anwendung von Gesprächstechniken wie das Paraphrasieren kann er die Trennung der Emotionen von den Sachthemen erreichen.
  • Wahrnehmung
    Der Richter erweitert die Wahrnehmung durch ergänzende und offene Fragen. Mit Hilfe und unter Anwendung von Gesprächstechniken macht er den Unterschied von beobachteten Tatsachen und den daraus gezogenen Schlussfolgerungen deutlich.
  • Unstrukturierter Austausch
    Der Richter strukturiert das Gespräch nach dem Phasenvorbild der Mediation und der Windows I und Windows II Methode.
  • Widerstreitende Interessen
    Widerstreitende Interessen stellen kein Problem dar wenn sie als solche anerkannt werden und wenn sie in die Suche nach Optionen einfließen.
  • Strategische AspekteDie Migrationsstrategie beschreibt, wie der Richter das Verfahren von der Konfrontation zur Kooperation überführen kann. Die Vertraulichkeit ist eingeschränkt. Dies mag offen gelegt werden, damit die Parteien die strategische Gefahr eines offenen Gesprächs vor Gericht korrekt einschätzen können.
  • Mangelnder Einigungswille
    Der Richter führt eine Nutzenabwägung durch, bei der die Frage einer Einigung thematisiert wird. Er führt das Gespräch so, dass der Nutzen erkennbar wird.
  • Machtgefälle
    In der Rolle des Schlichters nimmt der Richter seine Entscheidungsautorität zurück. Jetzt entscheidet seine Verhandlungskompetenz. Er gleicht Machtgefälle lediglich im Rahmen der Allparteilichkeit des Schlichters aus.
  • Gerechtigkeit
    Der Richter arbeitet, wenn es darauf ankommt, sie Vorstellungen der Parteien von Gerechtigkeit heraus und führt diese in einen Werteabgleich.

Die Toolbox

Um den Hindernissen die sich dem Konsens in den Weg stellen zu begegnen, gibt es eine Menge interdisziplinärer Werkzeuge. Sie eignen sich zur Herbeiführung und Verfolgung von Vergleichsgesprächen. In einer Toolbox verstaut finden sie sich in den folgenden Abteilungen wieder:

  • Haltung
  • Prinzipien
  • Struktur
  • Techniken
  • Setting
  • Methoden

Keine Verfahrensvorschriften legen fest, wie der Richter zu kommunizieren hat. Es bestehen deshalb keine Bedenken, die meisten der in der Mediation verwendeten Gesprächs- und Verhandlungstechniken auch in Gerichtsverfahren anzuwenden. Sinnvoll und üblich sind:

  • Aktives Zuhören, Loopen
    Das aktive Zuhören zwingt den Richter zum genauen hinhören, was er der jeweiligen Partei vermittelt. Um sicher zu gehen, dass das Gesagte korrekt verstanden wurde, paraphrasiert und verbalisiert er das, was er wahrgenommen hat und lässt sich die Rückmeldung bestätigen. Er achtet besonders auf die so genannten Ich-Botschaften. Seine Rückmeldung trennt die Sach- und Beziehungsebene in ihrer Reflexion.
  • Fragen, Reframen
    Über die Frage kann der Richter die Wahrnehmung der Partei öffnen und ergänzen. Er wird offene Fragen verwenden, um die Sichtweisen der Parteien zu ergründen. Fragen helfen ihm auch dabei, den Parteien eine andere Perspektive auf ihren Konflikt einzunehmen.
  • Partialisieren, Fokussieren, Zusammenfassen
    Diese und andere Techniken erlauben das Strukturieren des Gesprächs. Es werden Themen eingegrenzt. Abschweifungen werden verhindert.
  • Ignorieren, Normalisieren, positives Umformulieren
    Mit diesen Techniken berührt der Richter die Konfliktebene. Sie helfen ihm sich auf die Befindlichkeiten der Parteien einzulassen.
  • Visualisieren, Erklären
    Nichts spricht dagegen, wenn der Richter ein Flipchat aufstellt, um die Angaben zu visualisieren. Erklärungen helfen den Parteien auch, Phänomene zu begreifen.

Es gibt weitaus mehr Techniken der Gesprächs- und Verhandlungsführung. Der Richter wird auch diese mit fortschreitender Übung anzuwenden wissen.

Zusammenfassung

Es gibt eine Zusammenstellung von Werkzeugen, die auch in Vergleichsgesprächen nützlich sind.

Es ist wie es ist

Auf die Vergleichsverhandlungen wirken sowohl innere wie auch äußere Bedingungen ein. Die inneren Umstände gehen auf konfliktbedingte Strategien und Einschätzungen zurück. Die äußeren Umstände kommen durch das jeweilige Setting zum Ausdruck. Das Setting betrifft die Gestaltung von Raum und Zeit sowie alle organisatorischen Belange.

Keinesfalls ist es so, dass die Mediation in irgendeiner Form vom Vorhandensein von Keksen und Gebäck abhängt. Allerdings unterstreichen die äußeren Bedingungen die Verhandlungsweise, in welcher sich der Richter wieder findet. Wenn vom Gericht die Rede ist, dann steht die Richterrolle im Vordergrund nicht die des Schlichters. Was man mit dieser Rolle zu verbinden hat ergibt schon die Gestaltung der Verhandlungsplätze. Der Richter sitzt erhöht in Distanz zu den Parteien. Die Parteien sitzen einander gegenüber, so dass sie sich permanent anschauen müssen. Die Sitzpositionen sind voneinander abgegrenzt. Die Verhandlungsatmosphäre ist autoritär ausgeprägt. Sie unterstreicht die richterliche Entscheidungsautorität.

Experimentelle Untersuchungen haben ergeben, wie sehr die Parteien allein auf die Sitzanordnung reagieren. So hat es sich herausgestellt, dass sie angriffslustiger sind, wenn sie sich in die Augen sehen. Es wird die Schlichterrolle unterstreichen, wenn der Richter – falls nicht schon geschehen – zur abgetrennten Schlichtungsverhandlung den Raum wechselt und darauf achtet, dass die Parteien nach Möglichkeit an einem runden Tisch sitzen, so dass sie sich nicht mehr in die Augen sehen müssen.

Die Verhandlungen um einen Konsensvergleich sollten in Ruhe stattfinden, so dass sich weder die Parteien noch die Parteivertreter unter Druck gesetzt fühlen. Ein gutes Zeitmanagement ermöglicht eine kurzfristige Terminsanberaumung bei einer ausreichend geplanten  Zeit für die Verhandlung.

Marathonverhandlungen sollten nur im äußersten Notfall anberaumt werden. Falls der Notfall eintrifft, müssen Pausen und gegebenenfalls eine Versorgung mit Getränken eingeplant werden.

Alle Mann an Bord?

Die Gerichtsverhandlung wird nicht allein durch die Handlungsweise des Richters geprägt. Es ist vielmehr ein Zusammenspiel von Kräften, die durchaus auch einen interaktiven Einfluss auf den Richter nehmen. Der Richter kann diese Kräfte als Ressource in seinem Verfahren nutzen.

Die systemische Sicht

Um die im Verfahren eingesetzten Ressourcen effizient zu nutzen, muss er wissen, dass und welche unterschiedlichen Interessen Einfluss auf den Verfahrensverlauf nehmen können. Dabei muss er die Interessen aller Verfahrensbeteiligter unterscheiden, nicht nur die Parteiinteressen, auch die Interessen der Anwälte und sonstiger mittelbar oder unmittelbar Beteiligter. Die unterschiedlichen Interessen lassen sich in einer Art Landkarte zusammenstellen. Gelingt es, den Vergleichsverhandlungen sich auf die Interessen aller Beteiligter einzustellen, wird sich niemand gegen diese Verfahrensweise und den dadurch ermöglichten Vergleich stellen oder abraten. Umgekehrt werden die Beteiligten sich kontraproduktiv verhalten, solange ihre Interessen durch das Verfahren unbeachtet bleiben.

Es geht nicht nur um die Parteien

Die unterschiedlichen Interessen bedingen unterschiedliche Vorgehensweisen der Beteiligten. So mag der Grund für den besonders emotionsgeladenen Auftritt des Rechtsanwaltes weniger der eigenen Überzeugung entsprechen als dem Bedürfnis, seiner Mandantschaft zu zeigen, wie sehr er sie versteht, wie sehr er sich für sie einsetzt, wie sehr sie ihm vertrauen kann und wie gut er sie vertritt. Der emotionale Gleichklang macht den Anwalt ganz unbewusst zum teilnehmenden Verstärker des Konfliktes. Die emotionale Nähe wird vom Mandanten verstanden und begründet das Vertrauen, das weitere Mandate nach sich zieht. Die emotionale Nähe verhindert das professionelle Arbeiten. Sie treibt den Konflikt anstatt ihn zur Disposition zu stellen. Der Gegenanwalt wird sich veranlasst sehen, die emotionalen Botschaften meist ebenso emotional zu erwidern. Er schlägt in die gleiche Kerbe, damit nicht der Eindruck von Schwäche entsteht. Die Metasicht spiegelt ein diffuses Bild. Zwar versucht jeder der Beteiligten einschließlich der Rechtsanwälte eine Konfliktlösung herbeizuführen. Trotzdem verfolgen alle ganz unterschiedliche Interessen und gegensätzliche Ziele. Jeder verfolgt ein anderes Ziel bei der gleichen Strategie, nämlich der Vernichtung des Gegners. In Familiensachen hat sich ein Modell entwickelt, das die systemischen Einflüsse zu steuern versucht. Man hat erkannt, dass die konfrontative Form der Streitbewältigung letztlich nicht nur auf Kosten des sozialen Systems sondern konkret zu Lasten der Trennungskinder geht und auf deren Buckel ausgelebt wird. Um wenigstens die Kinder zu schützen, haben die am Familienkonflikt beteiligten Institutionen ein Kooperationsmodell entwickelt, das unter der Bezeichnung Cochemer Praxis bekannt wurde. Die am Familienprozess beteiligten Professionen, wie zum Beispiel die Anwaltschaft, die Jugendämter und die psychologischen Beratungsstellen haben sich zusammen mit dem Familienrichter in regelmäßig statt findenden Arbeitskreisen für die Kindschaftssachen darauf verständigt, das Kindeswohl gegebenenfalls auch gegen die Interessen der streitenden Eltern zu verteidigen. Da sich alle am Prozess beteiligten Dienstleister im Gerichtsbezirk gegen den offenen Streit solidarisiert haben, finden die Partien keinen Helfer mehr, der ihren Eskalationsdrang unterstützt, wenn es um Kindschaftssachen geht. Die Besonderheit dieser Kooperation besteht in dem gemeinsamen Ziel, Schaden von Kindern abzuhalten.

Streit lässt sich nicht nur in Kindschaftssachen abwenden. In jedem konfliktbasiertem Verfahren ist es wichtig, ein gemeinsames Ziel zu verfolgen. Es ist auf der Metasicht zu finden. Das gemeinsame Ziel ist die optimale Konfliktlösung. Hiervon müssen nicht nur die Parteien, sondern auch die Rechtsanwälte überzeugt werden. Es liegt auf der Hand, dass sie an einer kooperativen Verfahrensweise nur dann zustimmen können, wenn sie mit Ihren eigenen Interessen einhergeht. Diese Interessen sind:

  • hoher Verdienst (wenig Arbeit bei hohem Ertrag)
  • guter Ruf beim Kunden (der Anwalt will den Prozess gewinnen, weil er damit dem Kunden zeigt, wie erfolgreich er ist. Kein Rechtanwalt würde einem Vergleich zustimmen, wenn er dadurch den Mandanten verliert.)

Dem Rechtsanwalt fällt es leichter, dem Vergleich zuzustimmen, wenn er sich damit besser verkaufen kann. Der Richter motiviert den Anwalt demnach zur Kooperation, wenn er gegenüber den Parteien verdeutlich, dass die Teilnahme an den Vergleichsverhandlungen ein Beweis dafür ist, wie sehr der Anwalt sich für die Mandantschaft einsetzt, wie sehr er sie versteht, wie sehr er das Vertrauen rechtfertigt und wie gut er sie vertritt. Der Richter lobt kooperatives Verhalten und tadelt Beiträge, die zur Eskalation führen. Damit die Teilnahme an Vergleichsverhandlungen für den Anwalt keinen Schaden bedeutet, achtet er darauf, dass mit den Vergleichsverhandlungen keine Kürzung des Anwaltshonorars einhergeht.

Rechtsanwälte versuchen für ihre Mandanten das Beste herauszuholen. Das gelingt umso besser, je besser sie sich auf den jeweiligen Richter einstellen. Konsequent stellen sie ihr Verhalten soweit möglich auf die Eigenarten des Richters ein. Es entsteht ein Trainingseffekt, den der Richter nutzen kann, eine kooperative Grundhaltung in zukünftigen Sachen zu etablieren. Wichtig ist es dabei, dass der Richter selbst konsequent und berechenbar ist in der Art seiner Entscheidung und Verhandlungsführung. So wird der Anwalt sich bei nachfolgenden Vergleichsverhandlungen daran erinnern, wenn der Richter als Schlichter den Kompromiss der Mitte vorgeschlagen hat, im Urteil aber der Klage statt gibt. Er hat gelernt, dass der Vorschlag des Richters nicht bedeutet, den Prozess verloren zu haben. Warum soll er dann dem Vergleichsvorschlag beim nächsten Mal zustimmen?

Der Richter selbst ist für Vergleichsverhandlungen motiviert, weil er in schwierigen Fällen die Ressourcen der Parteien besser nutzen kann, um den Fall zu erledigen. Sein Interesse besteht an

  • geringerer Arbeitsbelastung (es gibt längere Verhandlungen, aber weniger Schreibarbeit)
  • Feedback
  • Karriere (Vergleichsverhandlungen und Schlichtungsmaßnahmen sollten dem Richter keine beruflichen Nachteile bringen. Wenn ein Richter viele Vergleiche abschließt, dann ist er geschickt, nicht faul. Das gleiche gilt bei häufigen Vertagungen. Diese können dem Konflikt dienen und sollten nicht als Kriterium für mangelnde Terminvorbereitung herangezogen werden)

Bezüglich der Interessen anderer Beteiligter, wie das Jugendamt in Familiensachen z.B. ist analog zu verfahren.

Zusammenfassung

Damit alle Prozessbeteiligten an der Herbeiführung eines Vergleiches mitwirken, sind auch deren Interessen zu beachten. Sind diese Interessen nicht bekannt, sollte der Richter sich in informellen Gesprächen etwa mit den Rechtsanwälten darüber informieren. Wenn derartige informelle Gespräche nicht möglich sind, kann er Arbeitskreise und Workshops bilden, in denen ein solcher Austausch unverdächtig möglich ist.

Ergebnis

Als Ergebnis halte ich fest, dass der Weg zum Vergleich nicht nur möglich, sondern auch sinnvoll ist.

Leider gibt es keinen Königsweg, kein festes Prüfungsschema, das sich abarbeiten ließe. Zu unterschiedlich sind die Konstellationen, die sich aus den Einzelinteressen ergeben könnten. Letztlich bleibt dem Richter nichts anderes übrig, als nach dem Prinzip Try and Error vorzugehen. Sein Ziel ist es herauszufinden, inwieweit die Parteien sich auf den Weg in den Vergleich, sei es Kompromiss- oder Konsensvergleich einlassen können. Er verwendet die Erkenntnisse aus der Schlichtung oder gar aus der Mediation und setzt sie Schritt für Schritt in seinem Verfahren ein. Dabei sieht er, inwieweit die Parteien folgen oder nicht.

Das Bild das sich ihm stellt ist eher ein Mosaik bei dem jede Intervention nicht mehr ist als ein Puzzleteil. Deshalb kann es passieren dass Fehler sich nicht auswirken aber dass mehrere Interventionen erforderlich sind um die Wirkung zu erzielen. Wie im Babysitterfall ist es nicht nur die raffinierte Frage sondern das Zusammenspiel vieler Faktoren, die auch nicht alle bekannt geworden sind.

Ganz ausschlaggebend ist die Haltung, Wichtiger als Techniken. Wenn sie wirklich wollen, dass die Parteien selbst eine Lösung finden, werden sie automatisch dazu beitragen, die Parteien auf diesem Weg zu bestärken. Das geschieht ganz intuitiv. Für eine Professionalisierung verwenden sie die Erkenntnisse und Tools die Ihnen in diesem Beitrag kurz vorgestellt wurden.

Arthur Trossen