„Bei der Mediation geht es darum, die inneren Bedürfnisse der Verhandlungsparteien herauszuarbeiten“, lesen wir auf „Gesundheit.heute.at“ in dem Beitrag: „Mediation, die neue Art der Konfliktbewältigung“. Darüber finden wir Banner wie: „Schicken Sie uns heute Ihre Love-Story“ oder „Werden Sie Pate bei SOS Kinderdorf“. Dann etwas kleiner gedruckt aber fett und noch als Teil der Überschrift lesen wir: „ohne Anwalt“.

Mediation, die neue Art der Konfliktbewältigung ohne Anwalt lautet also der Titel.

„Aha“, denkt der Leser, „prima dann spar ich mir den Anwalt!“. Es ist deprimierend, wenn die Vermeidung von Anwälten zu einer Werbebotschaft der Mediation wird. Es ist nicht nur für die Anwälte deprimierend, die sich das zu Herzen nehmen sollten, nein auch für die Mediatoren, die so argumentieren. Diese Art der Vermeidungswerbung wird der Mediation nicht gerecht.

Erstens stimmt sie so nicht- Es gibt durchaus auch Rechtsanwälte, die konstruktiv und behutsam mit ihren Klienten umgehen. Ein Mediator sollte nicht auf Vorurteile aufsetzen. Das verrät nur sein eigenes Denken. Schließlich gibt es auch Klienten, die durchaus mit der Arbeit von Rechtsanwälten zufrieden sind. Sie würde man mit dieser Botschaft also gar nicht erreichen.

Zweitens ist die Botschaft irreführend. Der Konsument mag jetzt entweder daran denken, dass die Rechtsfragen vom Mediator beantwortet werden oder dass sie in der Mediation nicht vorkommen. Beides ist falsch.

Drittens wird die Mediation degradiert, wenn der Grund ihrer Nachfrage lediglich in dem Motiv der Anwaltsvermeidung oder der Vermeidung von teuren Prozessen gesehen wird. Diese Werbung verkennt die Kompetenz der Mediation. Sie führt zu einer Identifikation, die man leicht missverstehen kann.

Die Mediation sollte nicht deshalb nachgefragt werden, weil sie billig ist oder weil dadurch etwas anderes vermieden wird. Sie hat eine durchaus eigenständige Bedeutung (sollte sie wenigstens haben) und sollte deshalb nachgefragt werden.

Es wäre schade, wenn der Nachfragegrund lediglich in der Vermeidung von Streit oder Kosten besteht. Das ist für den Betroffenen auch nicht immer stimmig. Erstens gibt es Mediationen, die teurer sind als Gerichtsverfahren und zweitens haben manche Menschen auch Lust am Streiten. Wer sagt übrigens, dass Mediation Streitvermeidung sei? Sie kann dazu beitragen, muss es aber nicht. Mediation ist eine konstruktive, zielführende Art des Sichauseinandersetzens, bei der durchaus auch Eskalationsstrategien intervenierend und zielführend eingesetzt werden können. Die Formel Mediation = friedlich, Gericht = feindlich stimmt mit der Realität nicht überein.

Nein, Mediation ist kein Schmusekurs, keine Kuscheljustiz und auch keine Vermeidungsstrategie, im Gegenteil. Mediation hat etwas zu bieten – und zwar auch dann, wenn friedliche Anwälte in einem Prozess involviert sind. Sie machen die Mediation keinesfalls arbeitslos so wie die Mediation andere Berufe nicht überflüssig machen kann, will und soll. Auch der Friede macht die Mediation nicht überflüssig. Komplexe Problemstellungen und Widersprüche gibt es nämlich auch dort. Also wollen wir versuchen, das Bild über die Mediation nicht in Simplifizierungen zu reduzieren, die nicht mehr sind als eine trügerische Gesinnung. Sie werden schon deshalb dem Wesen der Mediation nicht gerecht.

Wir wollen versuchen, etwas präziser mit den vermeintlich werbewirksamen Behauptungen umzugehen und die Mediation als das zu schildern, was sie ist. Übrigens ist die Mediation recht gut bekannt. Fast täglich erscheinen Pressemeldungen über die Mediation. An mangelnder Bekanntheit kann es also nicht liegen, wenn die Mediation nicht so nachgefragt wird, wie Manche es gerne sähen. Eher liegt der Grund darin im mangelnden Verständnis. Tatsächlich gibt es keine monokausale Ursache für die Nachfragesituation. Da sind viele Aspekte und Interessen, die ineinander spielen.

Mediatoren machen sich viele Gedanken, wie sie die Nachfrage nach Mediation steigern könnten. Anwälte machen sich Gedanken, wie sie ihren Markt retten könnten. Richter machen sich Gedanken, wie sie sich vor der Arbeitsflut retten könnten. Psychologen machen sich Gedanken, wie sie ihren Markt erweitern und so weiter und so weiter. Für jeden ist die Mediation eine Art Geheimrezept.

Auf der Suche nach Erklärungen, warum die Nachfrage nicht so ist wie sie sein sollte, kommt man als Ausbilder schnell auf die These, dass es an der mangelnden Kompetenz der Mediatoren liege. Man muss mehr Ausbildung anbieten und vor allem den Fachmediator einführen. Wenn der Mediator schon nicht genug nachgefragt wird, dann liegt das wohl daran, dass er als nicht spezifisch fachlich gesehen wird, lautet ein Erklärungsversuch.

Aus der Sicht des Kunden ist die Kompetenz des Mediators nicht das Ausschlaggebende Kriterium – wenigstens nicht auf den ersten Blick. Er würde sie einfach unterstellen, wenn da nicht das Geschrei um Kompetenzmangel wäre. Ob zu Recht oder nicht – für den Kunden stellt sich die Frage überhaupt erst nachdem er den Bedarf für Mediation erkannt hat. Ich kaufe ein Auto ja auch nicht nur, weil es technisch ausgereift ist. Sondern ich kaufe ein Auto zunächst, weil ich ein Fortbewegungsmittel suche. Erst wenn ich weiß, dass ich ein Fortbewegungsmittel brauche, dann kommt die Frage nach den technischen Qualitäten des Autos auf. Bemerkenswerter Weise werden auch weniger gute Autos gekauft und der KFZ-Handel hat nicht wirklich darunter gelitten, dass Simca einmal eine Zitrone für ein schlecht ausgereiftes Auto bekommen hat.

Ähnlich ist es mit der Mediation. Zunächst muss man wissen wofür man sie braucht und dann erst kommen alle anderen Fragen auf. Also ist es unser unermüdliches IM-Anliegen, aufzuklären, was Mediation ist, was sie sein kann und wo (weitere) falsche Mythen einen unzutreffenden Eindruck vermitteln.

Wenn die hier ins Auge gefallene Schlagzeile sagt: „ohne Anwalt“, ist das ein Vorteil? Bei rechtslastigen Themen braucht es eine Rechtsberatung und dafür ist der Anwalt (wohl bemerkt: nicht der Anwaltsmediator!) zuständig. Gemeint ist offenbar: „ohne den sinnlos streitenden, eskalierenden Anwalt“. Den will man (Manche wenigstens) vermeiden. Meistens ist der aber auf der Gegenseite und dann denkt man, dass es keine andere Wahl gäbe als auch zum streitigen Anwalt zu gehen – und zwar zu einem, der noch besser streiten kann. Die Mediation ist nach der hier zitierten Schlagzeile in solchen Fällen außen vor. Ihr Anwendungsbereich mag auch sehr eingeschränkt sein, solange man glaubt, die Mediation sei nur zur Streitvermeidung geschaffen. Die integrierte Mediation hat erkannt, dass gerade dann, wenn heftig gestritten wird, die (integrierte) Mediation nicht nur möglich, sondern auch sinnvoll ist.

Innere Bedürfnisse und Interessen sind ebenfalls zwei verschiedene paar Schuhe. Der Hinweis ist zwar absolut nicht falsch, es gibt aber Mediationen, die sich nur des Problems und nicht des Konfliktes annehmen. Dort werden dann keine Bedürfnisse herausgearbeitet. Das Bild ist also unvollständig. Im Grunde entwickelt die Mediation mit den Parteien ein Zukunftsbild, wie der ideale Zustand sein sollte, um dann die verschiedenen Sichten einer idealen Zukunft aufeinander abzustimmen und zu überlegen, wie man dort hinkommen kann. Bedürfnisse sind nur dann anzusprechen, wenn sie dazu beitragen, das Zukunftsbild zu zeichnen. Mediation ist keine Psychoanalyse und erst recht keine Therapie.

Unvollständig sind auch die in dem zitierten Beitrag genannten Einsatzbereiche Wirtschaft (z.B. zwischen GF und Betriebsrat), Nachbarschaft, Familie, Scheidung, Trennung und Politik (eher seltener). Sie wurden enumerativ aufgeführt. Es sind aber nur selektive Beispiele.

Nun, meckern kann man leicht. Was ist aber richtig?

Die Mediation ist ein Verfahren, das die Parteien dazu befähigt, Lösungen zu finden. Das setzt voraus, dass man erkannt hat, nach Lösungen suchen zu müssen. Das bedeutet, man hat entweder keine Idee wie man das Problem lösen kann oder der bekannte Weg ist nicht der ideale. Jetzt kommen die Gerichtsverfahren ins Spiel. Der Betroffene muss abwägen, was er dort und hier erreichen kann. Die Beratung bleibt bei der Suche nach Lösungen übrigens nicht außen vor. Die Mediation stellt sich deshalb eher als ein Prozessmanagement dar, als eine inhaltliche Verarbeitung von Problem und Fragestellungen. Um alle Seiten des Problems und der Fragestellungen zu erkennen und durchleuchten zu können, um also das scheinbar Unmögliche möglich zu machen, bedarf es einer wertfreien, unbeeinträchtigten, neutralen Metasicht. Da ist die eigentliche Dienstleistung, die der Mediator den Parteien über einen Verstehensprozess vermittelt. Das versteht natürlich nur, wer etwas von Wahrnehmung und Kommunikation versteht. Hier ist der Ansatz, wenn man darüber nachdenkt, die Mediation vermarkten zu wollen. Die weitere Besonderheit der Mediation besteht darin, dass sie in der Lage ist, die gesamte Komplexität des Problems einschließlich des Konfliktes zu bewältigen. Der friedliche Umgang miteinander ist die Konsequenz daraus, nicht die Voraussetzung.

Weil das alles schwierig zu erklären ist, bedarf des der Beispiele und Vorbilder. Die findet man im Alltag. man muss nur richtig hinschauen.