Schon das Programm des Kongresses der integrierten Mediation „Mediation ohne Grenzen“ wirkte wie ein Streifzug durch die Mediation, durchaus auch mit der Absicht, ihre Grenzen auszuloten. Es verwundert nicht, wenn die Teilnehmenden, die selbst praktizierende Mediatoren sind, der einhelligen Auffassung waren, dass die Mediation gerade in der aktuellen, von Kriegen und zunehmender Streitbereitschaft geplagten Gesellschaft einen Ausweg darstellen kann. Es ist jedoch noch viel zu tun. Hat die Mediation schon ihre Grenzen erreicht, wenn wir feststellen, dass die Mediation nicht hinreichend genutzt wird? Die Antwort lautet ganz klar: Nein, noch lange nicht.

Auf der Suche nach den Grenzen und Einschränkungen stellte der Kongress die Vielfalt der Mediation heraus. Er hat viele Berührungspunkte aufgedeckt, auf die man im ersten Moment gar nicht kommen würde. Die Mediation spielt in allen Lebensbereichen eine wichtige Rolle. Dank der Erfahrungstiefe und der Kompetenz der Referenten in den unterschiedlichen Fachgebieten und natürlich auch Dank der engagierten Teilnehmer haben sich Erkenntnisse und Inspirationen herausgestellt, die das Bild und die Bedeutung der Mediation ganz gut ausloten konnten. Zumindest ergaben sich Anhaltspunkte, aus denen sich weitere Themen und Projektvorschläge ergaben, die der Vertiefung bedürfen. Deutlich wurde aber auch die Notwendigkeit, die vielen Ideen und Aspekte in die Mediation so einzuordnen, dass sie eine Wirkung entfalten und letztlich auch der Allgemeinheit zur Verfügung stehen. Das ist auch ein wesentlicher Teil unserer Verbandsarbeit.

Die thematische Vielfalt wirkte sich nicht nur auf die Inhalte, sondern auch auf ihre Darstellung und die Konferenzgestaltung aus. Die Teilnehmenden wurden aktiv in das Geschehen einbezogen. Der Kongress war ein Erlebnis. Das Miteinander wurde trotz zum Teil unterschiedlicher Auffassungen und kontroverser Diskussionen als sehr harmonisch beschrieben. So muss es sein. So kann es sein. So verstehen wir uns.

Bei der Mediation steht das Gemeinsame im Vordergrund. Genau darum ging es auch mit der von Holger Kern gleich zu Beginn der Konferenz vermittelten Erfahrung, dass und wie Menschen unwillkürlich einen gemeinsamen Ton finden. Der musikalische Auftakt verdeutlichte, dass es etwas in uns Menschen gibt, das eine Synchronisierung nicht nur nahelegt, sondern auch ermöglicht. Warum gelingt das nicht im Konflikt? Da haben wir es doch auch mit Menschen zu tun. Wir nähern uns dem Thema der Veranstaltung: Mediation ohne Grenzen. Wenn die Mediation, entsprechend dem Vortrag von Heike Egner tatsächlich eine zutiefst menschliche Angelegenheit ist, unterliegt sie auch den Grenzen des Menschen oder denen, die er sich setzt. Immerhin wird die Mediation von Menschen ausgeführt. Wenn sie als ein System beschrieben wird, in dem Menschen miteinander kommunizieren, wird auch der Mediator zu einem Teil des Interaktionssystems. Die Emergenz entsteht aus der Irritation des Systems. Man kann von dem Mediator keine Wunder erwarten. Wohl aber, dass er über einen Handwerkskoffer verfügt, der es den Parteien ermöglicht, die Kontingenz der Kommunikation entlang der Mediation zu beeinflussen. Damit stellt sich die Verbindung zur kognitiven Mediationstheorie her, denn letztlich ist die bewusste Verarbeitung der systemischen Irritationen nur möglich, wenn sie kognitiv erfasst werden kann. Auch Werner Schieferstein führte seine langjährigen Erfahrungen auf das Order from Noise Prinzip zurück. Es geht darum, die Veränderungsfähigkeit von Systemen und ihre Fähigkeit zur Selbstorganisation zu erkennen und gegebenenfalls für die Konfliktlösung zu nutzen. Der Mediator spielt dabei eine wichtige Rolle. Einigkeit bestand jedoch, dass er auch nur ein Mensch ist. Auffassungen, die ihn als etwas Besonderes herausstellen oder gar als einen besseren Menschen deklarieren, wurden zutiefst und kategorisch abgelehnt.

Wenn die erste Runde der Konferenz den wissenschaftlichen Hintergrund beleuchtete und den Menschen in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt hat, lenkte die zweite Runde den Blick auf die berufliche Praxis. Raimonda Krämer berichtete über ihre Forschung zur Verwendung der Mediation in der anwaltlichen Praxis. Auffällig war, dass nach der Auffassung der an der Exploration teilnehmenden Anwälte, in den meisten Fällen die Parteien eine Mediation ablehnen. Es wurde herausgestellt, dass die Kompetenz der Mediation insbesondere in der Bevölkerung nicht hinreichend bekannt ist. Roland Zarges berichtete in seinem auf die eigene Berufspraxis bezogenen Vortrag, dass ihm die Mediation ständig begegne und wie sehr er ihre Kompetenz auch außerhalb des förmlichen Verfahrens i.S.d. Mediationsgesetzes zu nutzen weiß. Wenn sich die Kompetenz der Mediation vermittelt, erschließt sich den Menschen auch ihre Verwendbarkeit. Auf die Frage, wie sich die Bekanntheit der Mediation steigern lässt und welche Möglichkeiten zur Vermarktung hilfreich sind, ließ sich der Vortrag von Cornelia Droege genannt Körber ein. Sie berichtete über eine systematische Herangehensweise bei der Verbreitung in sozialen Netzwerken, also dort, wo sich potenzielle Kunden finden lassen.

In der nächsten Themenrunde ging es um Erfahrungen und Projekte im Bereich der Kita und der Schulmediation. Zuvor wurde bereits der gesellschaftliche Aspekt der Mediation herausgestellt. Die Mediation als ein Friedensprojekt beginnt bei den Kindern. Die darauf bezogenen Vorträge von Elina Wähner, Tom Schönborn und Meeli Laane hatten gemeinsam, dass es wichtig ist, die Kinder anzuhören und einzubeziehen. Nicht nur, dass wir von ihnen lernen können. Es ist auch unsere Aufgabe ihnen die Resilienz im Umgang mit Konflikten zu vermitteln. Mudar Adas schließlich zeigte auf, wie hilfreich es wäre, wenn die Idee der integrierten Mediation als eine Friedensbotschaft auch in der arabischen Welt verbreitet würde.

Die 4. Themenrunde wandet sich wieder dem Menschen zu. Monika Zielinski-Bülte zog den Bogen in den medizinischen Bereich wo sie die Schnittstellen zur Mediation nachgewiesen hat. Im Mittelpunkt ihres Beitrages stand die Frage der Mediationsfähigkeit der Medianden, woran krankheitsbedingte Beeinträchtigungen erkannt und überwunden werden können und wann Medianden aus diesem Grund nicht an der Mediation teilnehmen können. Ihr Vortrag fand ein großes Interesse bei den Teilnehmern. Er war zugleich ein Ausblick auf eine Fachausbildung, die demnächst über das zfh angeboten wird.

Mit der 5. und letzten Themenrunde schloss sich der Kreis der Veranstaltung. Jetzt wurden die Teilnehmer von Judith Wollstädter, Hermann Baumann, Holger Kern und Stefanie Sampaio de Medeiros regelrecht in einem Orchestergraben platziert, wo sie hautnah Konflikte im Orchester nachempfinden konnten. Die Musik wurde zum letzten Grenzgang der Veranstaltung. Nicht nur, dass der Grad des Fachwissens eines Mediators auf die Probe gestellt wurde, sollte auch der Frage nachgegangen werden, ob und wie die Musik dazu beitragen kann, den Rhythmus der Mediation und ihren Flow spürbar zu machen.

Die über zwei Konferenztage gehende Veranstaltung erhielt ein überaus positives Feedback. Gelobt wurde die Organisation, die trotz coronabedingter Einschränkungen dafür sorgte, dass niemand auf etwas zu verzichten hat. Gelobt wurde die Vielfalt und der Ideenreichtum,, das fachliche Knowhow und die vielen Inspirationen und Erfahrungen, die den Teilnehmenden vermittelt werden konnten. Inhaltlich wird der Kongress noch aufgearbeitet. Und damit auch diejenigen Mitglieder, die leider nicht persönlich teilnehmen konnten von den Ergebnisse profitieren, wird auch eine videotechnische Aufzeichnubng demnächst auf unserem Youtube-Kanal zu sehen sein.