Die Mediationslandschaft gestaltet sich wie ein Mikrokosmos der Gesellschaft. Ein Rückblick auf die Entwicklung der Mediation, die ergriffenen und verpassten Chancen bei ihrer Implementierung in Deutschland, ist ihr Spiegel. Er ist nicht nur für Mediatoren interessant, weil er auch Aufschluss über gesellschaftspolitische Phänomene im allgemeinen erlaubt. Der vorliegende Beitrag geht auf einen Vortrag zurück, den ich auf der zweiten Mediationskonferenz am 2.10.2019 in Bischkek halten durfte. Die Frage nach einer optimalen Implementierung der Mediation, die keine Fehler wiederholen soll, stand dort im Vordergrund.

Wegen des großen Interesses und der anschließenden Diskussion habe ich versprochen, die Gedanken in einem Beitrag zur Diskussion offenzulegen. Dieser Bitte war ich in der Mediationskolumne bei Wiki to Yes nachgekommen. Der Beitrag kann und sollte im Wiki to Yes Forum diskutiert werden. Natürlich können auch hier Kommentare abgegeben werden. Hier lesen Sie eine Zusammenfassung meines Berichts, der eng mit der Geschichte der Integrierten Mediation verbunden ist.  Die daraus zu ziehende Lehre beinhaltet kurz gefasst den Appell zum Innehalten und zum Nachdenken. Er ist zugleich eine Wertschätzung der Mediation.

Es gibt viele Anstrengungen zur 
Implementierung und Förderung der Mediation. Nicht alle scheinen der Mediation dienlich zu sein. Manche stehen Ihr sogar im Wege. Sie ignorieren die Andersartigkeit der Mediation und übersehen ihre Besonderheit. Die Mediation ist zwar ihr Thema. Aber es geht dabei auch um Politik.

Einführung

Ich möchte einräumen, dass es sicher ganz unterschiedliche Perspektiven gibt, wie die Mediationslandschaft wahrgenommen werden kann. Es ist historisch bedingt, dass wir, der Verband Integrierte Mediation, uns eine Außensicht leisten können. Vielleicht ist das der Grund, warum wir bei vielen Fragen zu anderen Ergebnissen kommen. Wir erkennen die Andersartigkeit der Mediation. Das ist einer der Gründe, warum wir die Entwicklung der Mediation weitaus positiver sehen, als es die Evaluierung zum Mediationsgesetz nahezulegen scheint. Wir gehen von einem erweiterten Mediationsradius aus, der sich nicht nur auf Mediationen i.S.d. Mediationsgesetzes beschränkt. Mit dem Blick auf das Ganze finden wir, wie der Wiki to Yes Mediationsreport 2019 belegt, genügend Anzeichen, dass sich die Mediation durchaus positiv entwickelt, allerdings nicht da, wo man es gerne sehen würde und vielleicht auch nicht da, wo Maßnahmen zu ihrer Förderung ansetzen.

Historie

Ein Blick auf die Historie der Mediation in Deutschland mag helfen, ihre Entwicklung auch aus einer Perspektive zu betrachten, die in öffentlichten Berichten oft zu kurz kommt.

  • Die erste, nicht zu übersehende öffentliche Wahrnehmung der Mediation lässt sich auf den Kongress zur Mediation im Jahre 1996 datieren. Es war eine Aufbruchsstimmung spürbar unter den Teilnehmern. Voller Enthusiasmus teilten sie die ersten Erfahrungen und Ideen über die Mediation miteinander. Niemand dachte ernsthaft an ein Business. Stattdessen kam die Hoffnung auf eine bessere, friedvolle Welt mit der Ahnung auf, wozu die Mediation fähig sei und was sie bewirken könne.
  • Die Mediation hatte vorher schon Einzug in Deutschland gehalten. Es wurden Trainer aus dem Ausland, vornehmlich aus Amerika eingeladen, um die Mediation zu lehren. Einige Mediatoren hatten eine Ausbildung im Ausland genossen. In allen Fällen war das Harvard-Konzept und das durch die angelsächsische Justiz geprägte Bild der Mediation die Grundlage der Ausbildung. Zu dieser Zeit waren weder die Ausbildung noch die Ausbildungsinhalte vorgeschrieben. Es war jedem selbst überlassen, was er wie und wozu lernt.
  • Zumindest was den Bedarf nach Ausbildung anbelangt, verbreitete sich die Mediation wie ein Virus. Der Trainerbedarf erlaubte es sogar unerfahrenen Mediatoren, Trainings anzubieten. Die Begeisterung für das neue Thema stand über der Praxis. Deshalb bildeten sich Gruppen um die wenigen erfahrenen Mediatoren herum. Die Gründung der ersten Vereine geht auf das Jahr 1992 zurück. Man bemühte sich, die Mediation genauer zu definieren und die dazu führende Ausbildung vorzugeben. Ein Wildwuchs sollte vermieden werden.
  • Die Gruppen und Vereine trafen sich zunächst regelmäßig in einem informellen Forum, dem so genannten deutschen Forum für Mediation, wo sie versuchten, ein Einvernehmen über die Mediation, ihre Anwendung und ihre Ausbildung herbeizuführen. Manche Vereine erklärten die gegenseitige Anerkennung, um ihre Konsistenz zur Mediation zu dokumentieren. Leider wurde die Anerkennung wie ein Qualitätsmerkmal gehandelt. Deshalb lehnten es viele Verbände ab, sich von einem anderen Verband anerkennen zu lassen. Sie erachteten die selbsterteilte Berechtigung zur Anerkennung als einen demokratisch nicht gerechtfertigten Subordinationsversuch, der nach ihrer Meinung mit dem Konzept der Mediation nicht ohne weiteres kompatibel war und möglicherweise anders hätte kommuniziert werden müssen.
  • Schon im Jahre 1998 kam es zur ersten Ernüchterung. Die Idee einer neuen, besser kultivierten (Streit-)Welt schien nur noch denen vorbehalten zu sein, die ihre „rechtmäßige“ Nachfolgerschaft zu den „Jüngern des Heils“, den selbsternannten Mediatorenausbildern und Anerkennern nachweisen konnten. Eine erste, unausgesprochene Sorge um Konkurrenz und Verdrängung machte sich breit und mit ihr die Angst, einen bisher nicht einmal existierenden Markt zu verpassen. Es entstand ein indirekter, für den sozialen Markt typischer und nicht eingestandener Wettbewerb, der sich weniger auf die Nachfrage nach Mediation, als auf die Nachfrage nach Ausbildungen zur Mediation konzentrierte.
  • Die Erkenntnisse der Verbände und der aktiven Mediatoren wurden im Jahre 2004 zusammen mit den Protagonisten im Ausland im sogenannten Code of Conduct for Mediators auf der EU-Ebene zusammengeführt. Der Code sah eine Selbstverpflichtung zur Einhaltung grundlegender Standards zur Mediation vor. Jeder konnte sich diesem Code unterwerfen, ohne dass es auf die Zugehörigkeit zu einem Verband oder einer Vereinigung ankam.
  • Es war noch immer eine Zeit, die durch die Aktivitäten der Pioniere geprägt war. Versuche und Forschungen über die Möglichkeiten der Mediation wurden angestrengt. Langsam stellte es sich – nicht für jeden bemerkbar – heraus, dass der amerikanische Ansatz, eine Alternative zur Justiz zu finden, in Deutschland weniger ausgeprägt war als in den angelsächsischen Ländern. Das mag mit dem Ansehen, den Kosten und der Kalkulierbarkeit der Gerichte in Deutschland zusammenhängen. Hier bildete sich deshalb der größte und naheliegende Bedarf der Bevölkerung an der Mediation im Bereich der Familiensachen heraus. Die Notwendigkeit, konstruktive Lösungen im Interesse der Kinder zu finden, war in diesem Bereich am deutlichsten zu erkennen und wichtiger als ein Konzept zur Umgehung der Justiz.
  • Die Mediation hat sich nicht nur im Inland, sondern auch im europäischen Ausland mehr oder weniger gleichförmig entwickelt. Bei dem Versuch einer europäischen Angleichung diente der Code of Conduct als Grundlage für die am 21.5.2008 erlassene Richtlinie des Europäischen Parlaments über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen. Obwohl die Richtlinie wegen der eingeschränkten Entscheidungsgewalt der EU nur einen Teilbereich der Mediation betraf, nutzten die Mitgliedstaaten die Initiative, um die Mediation generell und für alle Bereiche in nationalen Gesetzen einzuführen.
  • Erst vier Jahre später, am 21.Juli 2012 wurde das Mediationsgesetz in Deutschland als Art. 1 des Gesetzes zur Förderung der Mediation erlassen. Der zunächst angegebene Zweck war die Umsetzung der EU Direktive und die Entlastung der Justiz. Der Entwurf umfasste konsequenterweise auch die Gerichtsmediation, die wie jede andere Mediation dem Mediationsgesetz unterworfen wurde.
  • Weil wohl in erster Linie die anwaltliche Lobby in der gesetzlichen Anerkennung der gerichtsinternen Mediation eine Wettbewerbsverzerrung sah, wurde sie aus dem Gesetzesentwurf wieder herausgenommen. Auch andere Vorschriften, wie z.B. die Vollstreckbarkeit der Abschlussvereinbarung wurden zurückgenommen. Der Gesetzeszweck wurde jetzt ebenso allgemein wie nichtssagend mit der Stärkung der Mediation angegeben.
  • Im Bundesrat kam Widerstand gegen die veränderte Gesetzesfassung auf. Die Richter wollten auf die inzwischen erfolgreich praktizierte Mediation im Gericht nicht mehr verzichten. Sie meinten, dass die gerichtsinterne Mediation den Wettbewerb schon deshalb nicht beeinflussen könnte, weil die Gerichtsmediation nur für Verfahren in Betracht komme, die bereits gerichtsanhängig seien. Die Intervention des Bundesrates führte dann zu dem Kompromiss, dass die Mediation einmal als Verfahren i.S.d. Mediationsgesetzes angesehen wurde und einmal als die von einem nicht entscheidungsbefugten, gesetzlichen Richter angewendete Methode. Wohl eher unbewusst führte diese Unterscheidung in eine Systematik, die der Vielfalt der Mediation entgegen kommt und zumindest eine Differenzierung zwischen der Mediation i.S.d. Mediationsgesetzes und der Mediation als Methode nahelegt, auf die das Mediationsgesetz nicht anwendbar ist.
  • Mit den Bemühungen um den Erlass des Mediationsgesetzes bildete sich auch eine Lobby der Verbände heraus. Weil manche Verbände einen besonders guten Kontakt zur Regierung unterhielten, benötigten sie das Forum der Verbände nicht mehr, um ihre Interessen durchzusetzen. Drei der Verbände, die später als B-Verbände bezeichnet wurden und sich selbst als groß und bedeutend bezeichneten, traten deshalb aus dem Forum aus.
  • Um der so begründeten Allianz ein Gegengewicht gegenüberzustellen, gründeten die im Forum verbliebenen Verbände das Deutsche Forum für Mediation als einen rechtsfähigen Verein. Sie wollten den Stimmen der im Forum verbliebenen Verbände ein Gewicht geben.
  • Die Zersplitterung der Verbände führte zu weiteren Gründungen von Vereinen und Organisationen, die auf ihre Weise versuchten, eine Mediatorenvereinigung anzubieten, der sich alle Mediatoren zugeordnet fühlen konnten. Inzwischen gibt es je nach Zählweise etwa 15 Verbände und Organisationen allein auf Bundesebene. Sie gruppieren sich in die fünf sogenannten B- und D-Verbände , die dem DFfM angeschlossenen Verbände und in die nicht organisierten Verbände, die für sich selbst sprechen wollen.
  • Am 21. August 2016 erließ die Regierung die vom Gesetzgeber vorgesehene Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren (Zertifizierte-Mediatoren-Ausbildungsverordnung – ZMediatAusbV). Das erklärte Ziel der Verordnung war die Schaffung von Transparenz und einer dauerhaften Qualitätssicherung der Mediation und der Mediatoren.
  • Von außen betrachtet zeigt sich die Regierung eher zurückhaltend, weil sie die Entwicklung der Mediation zunächst beobachten will. Um sich ein Bild über den Stand der Entwicklung machen zu können, gab sie eine großflächige Evaluierung zum Mediationsgesetz in Auftrag. Die Forschung kommt zu dem Ergebnis, dass die Entwicklung der Mediation trotz des Mediationsgesetzes stagniere.
  • Dessen ungeachtet tun sich die B- und D-Verbände, also auch das Deutsche Forum für Mediation zusammen, um Standards für eine höherwertige Ausbildung anzubieten. Diese Bemühungen erfolgen durchaus in einem indirekten Auftrag der Regierung, die mit der Ausbildungsverordnung nur eine Mindestanforderung sicherstellen wollte. Leider verhandeln die in dem sogenannten QVM (Qualitätsverbund Mediation) zusammengeschlossenen Vertreter der B- und D-Verbände nur exklusiv. Genau betrachtet ist der Verbund also nur ein Teilverbund. Obwohl ein erster, vergleichbarer Vorstoß unter der Bezeichnung GAMA in diese Richtung an der Zustimmung der Kammern zerbrach, unternahmen sie auch den zweiten Versuch ohne Beteiligung der involvierten Stakeholder.
  • Am 17.7.2019 veröffentliche das QVM neue Standards. Es wird sich zeigen, ob der Geist dieser Standards zur Förderung der Qualität oder zur Kontrolle des Ausbildungsmarktes angetreten ist. Auch wenn die ausgeschlossenen Verbände nicht laut werden, bedeutet das keine Zustimmung zu der Vorgehensweise. Ein Konsens unter den Mediatorenverbänden ist jedenfalls nach wie vor fraglich.

Entwicklungsphasen

Auf unserer Konferenz im Mai 2019, Mediation in Bereitschaft, hatten wir Mordehai Mironi eingeladen, um über seine Erfahrungen über die Entwicklung der Mediation in Isreal zu berichten. Mironi hat drei Entwicklungsphasen ausgemacht, die wir auch hier beobachten können. Er hat die Phasen wie folgt gekennzeichnet:

  1. Die erste Phase sei durch die Pioniere der Mediation geprägt worden. Er nannte die Phase deshalb „Pioneers of Mediation“.
  2. Die zweite Phase sei mit dem Erlass des Mediationsgesetzes eingeläutet worden. Er nannte diese Phase die „Revolution of Mediation“. Sie war durch ein großes Interesse an der Ausbildung und einem erweiterten Angebot an Mediationen gekennzeichnet. Diese Phase legte den Grundstock für die dritte Phase.
  3. Die dritte Phase bezeichnete er als „Decline of Mediation“. Er sieht den Untergang der Mediation in dem Phänomen, dass der Begriff inflationär für jegliche Form der einvernehmlichen Streitbeilegung verwendet wird, obwohl es sich bei den Herangehensweisen eher nicht um Mediation als um normale Vergleichsverhandlungen handelt.

Auf dieses Schema bezogen, befindet sich die Entwicklung der Mediation in Deutschland am Anfang der dritten Phase. Sie steht vor einem Scheideweg. Es muss sich herausstellen, ob sie wie in Israel dem Untergang geweiht wird oder ob es gelingt, die Entwicklung im Sinne der Mediation voranzutreiben. Auch hier in Deutschland wird der Begriff mehr und mehr als Synonym für konventionelle Verfahren oder eine irgendwie geartete aussergerichtliche Streitbeilegung verwendet, sodass die Unterschiede zwischen der Mediation, der Schlichtung und Verhandlungen mit mediativen Techniken verschwimmt.

Verdeutlichung

Die Geschichte des Verbands Integrierte Mediation liefert ein anschauliches Beispiel für die Motive zur Gründung eines eigenen Verbandes und die daraus resultierende Zusammenarbeit unter den Verbänden in Deutschland.

Den historischen Ausgangspunkt bildete eine Methodensuche für hoch eskalierte Konflikte in Familiensachen. Ein Richter, ein Psychologe und ein Rechtsanwalt, alle auch Mediatoren, haben sich zusammengetan, um den Umgang mit Konflikten im gerichtlichen Umfeld zu verbessern. Je mehr sie experimentierten, umso deutlicher wurde die Nähe zur Mediation. Weil es sich um eine Anwendung im gerichtlichen Erkenntnisverfahren handelte und der Richter ein Entscheider war, setzten sich die angesprochenen Verbände erst gar nicht mit den methodischen Fragen auseinander.

Es war die Zeit der Selbstfindung der Mediation, wo das vorgestellte, komplexe Modell eher zur Verwirrung beitrug. Es passte nicht in das formal geprägte Bild, das man sich seinerzeit für die Mediation zurechtlegen wollte. Die Protagonisten der später als Altenkirchner Modell bezeichneten Praxis wollten genau wissen, wo die Grenze liegt zwischen der Mediation als Verfahren, als Methode, der Verhandlung und der Schlichtung, zu der ein Richter in Deutschland ja auch aufgefordert ist.

Zu dieser Zeit ging man noch davon aus, dass die Mediation in ihrem klassischen Format, so wie sie gelehrt wurde, eine Zukunft habe. Die pauschale Reaktion der Verbände legte deshalb die Behauptung nahe, das Modell sei keine Mediation. Weil damit die eigentlich gewollte Methodendiskussion verhindert wurde, wurde der Idee ein eigener Name gegeben. Sie wurde als Integrierte Mediation bezeichnet. Jetzt war eine Abgrenzung möglich aber auch eine Ausgrenzung. Sie wurde von den Verbänden voreilig zur Stigmatisierung genutzt, weil man sich jetzt sicher war, dass die visionäre Idee der Integrierten Mediation ja gar keine Mediation sein könne. Eine Auseinandersetzung mit den Ideen blieb aus. Nur weil es durchaus auch andere Meinungen zur Frage gab, wo genau die Grenzen der Mediation anzusiedeln sind und was die Kernidee der Mediation ist, kam es zur Gründung des gleichnamigen Verbandes im Jahre 2001.

Mit der Unterstützung der dem Verein beigetretenen Mitglieder begann eine nunmehr von den anderen Verbänden isolierte Phase der Forschung, die vornehmlich darauf abstellte, die Grenzen und die genaue Wirkweise der Mediation zu erforschen. Das Justizministerium in Rheinland-Pfalz konnte von einem Projekt überzeugt werden, wo auch andere Richter die Methode erlernten. Obwohl die Evaluierung dieses Projektes eine statistisch erhebliche Steigerung der Zufriedenheit aller Verfahrensbeteiligter nachwies, wurde die Forschung nicht weiter beachtet. Sie passte nicht in das Bild der Mediation, wie es später im Mediationsgesetz festgeschrieben wurde. Dass das Mediationsgesetz nur einen Anwendungsbereich der Mediation beschreiben kann, wird nur dem aufmerksamen Leser deutlich.

Die weiteren Forschungen der Integrierten Mediation und die international gesammelte Erfahrung über die verschiedensten Verwendungsformen der Mediation führten schließlich zur Entwicklung der bisher einzigen Theorie über die Mediation, in der die Mediation als ein kognitiver Prozess verstanden wird. Zusammen mit einer Systematik über die Verfahren, einschließlich der Mediation und der Beschreibung einer ins Detail führenden mediativen Logik, war es jetzt möglich, die Mediation nach ihrem Charakter abzugrenzen, ihre Herangehensweise eindeutig zu bestimmen und sogar mit Benchmarks auszustatten.

Die Idee ist noch immer visionär, obwohl die Praxis bereits eindeutige Hinweise liefert, dass der erweiterte Mediationsradius ein Zukunftsmodell ist. Dass die Mediation überwiegend in abgewandelten Formaten angewendet wird, belegt die Evaluierung. Es ist eine Frage der Zeit, bis die anderen Verbände dasselbe unter einem neuen Namen und als eigene Einsicht präsentieren werden. Es wäre einfacher und eindeutiger, wenn man sich über die bereits gewonnenen Erkenntnisse austauschen könnte.

Realisierung

Die Verbandslandschaft in Deuschtland lassen sich in drei Gruppen unterteilen. Auf der einen Seite stehen die B- und D-Verbände, die sich im QVM zusammengefunden haben, um neue, über die Ausbildungsverordnung hinausgehende Standards für die Ausbildung und insbesondere die Zertifizierung vorzugeben. Immerhin ist die Regulierung der Ausbildung ein Motiv, sich näher zu kommen. Das bereits in der Ausbildungverordnung erwähnte Bedürfnis, mehr Transparenz und Verbraucherschutz zu bieten, wird vom QVM in den Begriff Qualität übersetzt. Sicher ist die Frage der Ausbildung ein Garant für eine qualitative Anwendung der Mediation. Ob die Art und Weise der Zertifizierung dabei eine so große Bedeutung hat erscheint jedoch fraglich, weil es dazu bereits Regelungen gibt. Wie die Ausbildung jedoch die Qualität einer Tätigkeit sicherstellen soll, für die außer einigen ethischen Standards keine Regeln der Kunst definiert sind, noch eine Systematik vorgehalten wird, mit der sich die Verfahren und die darauf abzielenden Dienstleistungen eindeutig gegeneinander angrenzen lassen und solange sich das Wissen um die Qualität hinter einem Zertifikat verbirgt, das sich zwar als ein Gütesiegel erklärt, die Qualität aber nicht aufdeckt, sieht es so aus, als würde das Pferd von hinten aufgezäumt. Ganz abgesehen davon, sind selbst die neuen Ausbildungsstandards noch weit von einer Berufsausbildung entfernt. Auch ist fraglich, ob sich hinter den dort aufgeführten Themen die gesamte Kompetenz und Erfahrung verbirgt, die in der Mediationslandschaft anzutreffen ist.

Neben den B- und D-Verbänden gibt es die im DFfM angeschlossenen Verbände. Sie glaubten daran, dass es vielleicht irgendwann wieder eine Plattform wie das Forum geben wird. Mittlerweile stellt es sich mehr und mehr heraus, dass die gut zur Mediation passende Idee der Politik geopfert wird.

Und schließlich gibt es die nicht organisierten Verbände, Institutionen und Kammern, die sich auch dem Thema Mediation verschrieben haben. Unter ihnen befinden sich zum Teil hochspezialisierte Fachverbände. Es ist nicht erkennbar, ob und wie deren Kompetenz beachtet wird. Aktuell gibt es weder einen Dachverband, noch ein anderes Forum, wo sich die Verbände auf gleicher Augenhöhe untereinander austauschen können.

Was der Mediation wirklich helfen und auch die Nachfrage  ankurbeln würde, wäre eine allgemein genutzte überparteiliche und verbandsunabhängige Plattform, ähnlich dem Forum, wie es vor dem Erlass des Mediationsgesetzes bestanden hat.

Politik basiert wohl eher auf der Durchsetzung als auf dem Konsens. Sie unterscheidet sich dadurch von der Mediation. Um zu beweisen, dass es auch anders geht, fördern wir die Onlineplattform Wiki to Yes, wo sich Experten und vor allem Praktiker unabhängig vom Beruf oder der Verbandszugehörigkeit und für jedermann erreichbar zusammentun, um erst einmal eine allgemein anerkannte Wissensbasis zu schaffen, die alle Verwendungen der Mediation erfasst, ihre Kompetenz würdigt und eine gemeinsame Entwicklung ermöglicht. Das Mediationswiki schafft Transparenz über die Inhalte, mit denen sich jeder auseinandersetzen, korrigieren und erweitern kann.

Ausblick

Der Anlass dieses Beitrags waren Überlegungen zur Implementierung der Mediation in Kirgistan. Es ist bemerkenswert zu sehen, wie sich dort sogenannte Mediationszentren bilden, die untereinander in einen Wettbewerb geraten. Jeder Verband versucht, den anderen zu übertrumpfen und strategische Vorteile zu erlangen. Vermeintliche Wissensvorteile unterstützen die Strategie und führen dazu, Wissen den anderen vorzuenthalten und an eigene Ausbildungen zu binden. Auch dort ist die Ausbildung der Schlüssel für die Kontrolle der Entwicklung der Mediation. Weil die Nachfrage nach Mediationen ausbleibt, kommt der Gesetzgeber ins Spiel. Die Lobbyarbeit ist plötzlich wichtiger, als das sicher noch unvollständige Wissen über Mediation aufzuarbeiten. Die Ausbildungen haben trotz der inzwischen staatlich anerkannten Zertifikate darunter zu leiden. Mit dem Argument, die Entwicklung fördern wollen, werden inzwischen die gleichen Forderungen an den Gesetzgeber erhoben wie hier. Auch die Argumente sind die gleichen. Aber was ist die Erfolgsstory?

Die Mediation erwartet ein anderes Denken. Nach unserer Auffassung ist das mediative Denken auch zur Bewertung ihres Erfolges und zu ihrer Implementierung erforderlich. Das Denken der Mediation ist nicht auf die Lösung, sondern auf den gemeinsamen Nutzen aller fokussiert. Ihr Gegenstand ist die Verstehensvermittlung. Ihr Weg und ihr Ziel sind der Konsens.

In dem Verständnis wäre es nicht nur ideal, wenn die Entwicklung der Mediation statt in selbstreferenziellen  Denksilos als Kooperation mit allen Stakeholdern erfolgt. Diese Vorgehensweise würde den Geist der Mediation in sich tragen und ein Anschauungsbeispiel für ihre Kompetenz darstellen. Die Coopetition wäre ein zur Implementierung der Mediation passender Vorschlag. Sie erlaubt eine gemeinsame Entwicklung, gemeinsame und aufeinander abgestimmte Forschungen und lässt trotzdem noch Raum für den Wettbewerb, der sich dann allerdings alleine auf den Vertrieb konzentriert.

Arthur Trossen
Altenkirchen, den 29.10.2019