Über das angebliche Zeugnisverweigerungsrecht des Mediators
und über die Vertraulichkeit in der Mediation – Ein Praxisfall

vorladungEs war eine Familienmediation. Ja, sie war herausfordernd. Das Paar wollte irgendwie auseinander kommen und wieder nicht. Man konnte nicht mehr miteinander, machte sich das Leben zur Hölle, aber loslassen, das konnten beide auch nicht wirklich. In einem solchen Fall wird auf der ganzen Klaviatur gespielt.

Polizei, Gewaltschutz, Hausverweisung, …. waren nur einige der Instrumente. Der Krieg verlagert sich von offener zu verdeckter Gewalt. Die eine Partei ist permanent anwaltlich vertreten. Die andere Partei mal ja, mal nein. Es kommt zur Mediation.

Die Mediation fing sehr vielversprechend an. Die Mediatoren, einer davon war ich, konzentrierten sich, ganz im Sinne der transformativen Mediation, auf die zwischen den Parteien bestehende Beziehung; nicht analytisch und nicht therapeutisch, aber um zu verstehen, wie sich die Beziehung zwischen den beiden als der maßgebliche Kontext für alle Folgefragen ausgestalten soll. Dabei stellte es sich sogar heraus, dass niemand von beiden eigentlich die Scheidung will. Der mann kündigt sogar ein Interesse an, mit der Frau wieder zusammen sein zu wollen. Die Frau ist ambivalent. Einerseits möchte sie es, andererseits hat sie Angst, sie könnte dem Mann wieder erlegen sein. Wüsste sie, dass dies nicht zu befürchten ist, dann wäre auch sie bereit es wieder zu versuchen. Es wieder zu versuchen war somit ein Thema der Mediation. Dort war die Beziehung mittlerweile so eingeschätzt worden, dass man zwar Schwierigkeiten miteinander hat, sich sogar bedroht fühlt und nicht nein sagen kann, dass man aber sehr aufeinander bezogen ist (zumindest unidirektional) und sehr viel Bedeutung in die Ehe legt.

Nun gestaltet sich die Auseinandersetzung etwas schwierig, denn das Haus, das der Ehemann als seines ansieht, weil er es – aus seiner Sicht – mit all seiner Manneskraft maßgeblich aufgebaut und hergerichtet habe, ist nicht so sehr das Seinige, wie er angenommen hat. Seinerzeit hatte er die Frau gezwungen, ihn als Miteigentümer in dem von der Frau geerbten bebauten Grundstück eintragen zu lassen. Und jetzt, in der Scheidung geht die Rechnung nicht wirklich auf, weil der Zugewinn eine Zahlung von Seiten des Mannes erwarten lässt. Weil das Grundstück ererbt wurde, fällt lediglich die Wertsteigerung des Anwesens in den Zugewinnausgleich. Das passt überhaupt nicht zu der Einschätzung und Selbstbewertung des Ehemannes.

Ohne eine Einigung und wirtschaftlich betrachtet, müsste das Haus verkauft oder versteigert werden – und dann hat niemand mehr etwas davon. Aber vielleicht ist das der Sinn, der das Verhalten des Mannes erklärbar macht. Es fällt auf, dass er, sobald er den Mechanismus der Zugewinnausgleichsberechnung begriffen hatte, kleinste Hobbygeräte als Anfangsvermögen deklarierte. Werte, die die Frau zunächst als „mit in die Ehe gebracht“ deklarierte, wurden plötzlich bestritten. All das war eigentlich ein ganz „normales Spiel“. Es kommt in der Mediation öfter vor. Und damit kann ein mediator auch gut umgehen. Es war sicherlich eine anspruchsvolle Mediation, aber sie war durchaus Erfolg versprechend und sogar mit der erklärten Möglichkeit einer Wiedervereinigung.

Nun passierte, was öfters in der Mediation geschieht. Es läuft etwas im Hintergrund. Während sich die Mediation dahinzieht, findet plötzlich ein Scheidungstermin statt. Das war sogar für die Parteien überraschend, hatten sie das Verfahren wohl aus en Augen verloren. Sie selbst hatten ihre Ambivalenz auch auf die Verfahren bezogen. da gab es den Scheidungsantrag, eine Rücknahme und Wiedererhebung ein Gegenantrag usw. Ohne die Ambivalenz zu thematisieren oder zu hinterfragen, kam es zum Scheidungstermin.

Der Richter hatte über keine Folgesachen zu entscheiden und nur die Scheidung auszusprechen. Die Parteien fühlten sich überfahren. Sie hatten der Scheidung trotzdem oder vielleicht gerade deshalb zugestimmt. Geregelt war damit aber gar nichts. Außer, dass der formale Zusammenhalt aufgebröckelt wurde und daraus ergab sich mit der Zeit ein verändertes Verhalten. Die Mediation veränderte ebenfalls ihr Gesicht. Das Wiedervereinigungsthema war vom Tisch und auch der Einigungsdruck war nicht mehr so groß. Die Frau hatte nun 3 Jahre Zeit ihre Zugewinnausgleichansprüche geltend zu machen.

Die Uhr begann zu ticken und man kann es sich an 3 Fingern ausrechnen, was als nächstes passiert war. Es war schon ein zu beobachtendes Merkmal in der Mediation, dass der Ehemann, sorry, ich meine natürlich der geschiedene Ehemann, eine sehr eigene selbstbezogene Sicht auf das Recht und auf das hat, was er als gerecht empfindet. Es war, so kann ich vielleicht sagen, eine schon sehr herausfordernde Sichtweise. Das recht gäbe ihm keine Handhabe sie zu verwirklichen. Wenn es um das Haus geht, hat der Mann die rechtlichen und wirtschaftlich schlechteren Karten. Und das liegt am Zugewinnausgleich. Ich will keine Details über das auffällige Verhalten des Mannes schildern. Dies nur, um die Anonymität des Falles zu wahren. Das Verhalten war jedoch grenzwertig und die Frage der Mediationsfähigkeit, die bei mir erst weit hinter der Mediatorenfähigkeit und abhängig von dieser aufkommt, war ein Thema mit denen wir, die Mediatoren sich auseinanderzusetzen hatten. Ja, ich hatte eine Co-Mediatorin.

Der Mann war nach der Scheidung jedenfalls nicht zu weiteren Mediationsterminen und nicht einmal zu Einzelgesprächen bereit. Die Frau meldete sich von Zeit zu Zeit, weil sie noch immer eine friedliche Lösung will und vor allem ist es ihr wichtig, das Elternhaus bewahren. Angebote, den Ehemann auszuzahlen, d.h. seinen Miteigentumsanteil unter Verrechnung der Zugewinnausgleichsansprüche abzukaufen, wies der geschiedene Ehemann weit von sich. Er beansprucht die Würdigung seines Beitrages zur Ehe, indem er Zahlungen ohne eine Anrechnung der Verpflichtung zur Zahlung des Zugewinnausgleichs fordert. Für ihn wäre es auch passend, wenn zwar sein Anfangsvermögen, aber nicht das der Ehefrau angesetzt wird.

In dem Haus lebte bis vor kurzem noch die inzwischen verstorbene Mutter und zumindest zeitweilig eines der Kinder.  Eines steht zumindest für die Ehefrau fest: Ein Zusammenleben ist so, wie sich die Beziehung jetzt herstellt, nicht mehr möglich. Bleibt also nur der Weg in die formale Auseinandersetzung und – so wie es aussieht – in die Zwangsversteigerung. Dann hat niemand mehr etwas davon. Das scheint die Strategie des Mannes zu sein – Nur eine Hypothese!! Sie passt in den Rosenkrieg. Es gibt aber auch andere Hypothesen. Aber, man muss mit dem Rosenkrieg umgehen, irgendwie. In der Mediation wäre es möglich das Thema zu bearbeiten. Nach Glasl gelingt eine Mediation in dieser Eskalationsstufe nicht mehr. Meine Erfahrung ist eine andere. Sie setzt aber das Zusammenspiel von Mediation und Justiz voraus, das hier leider nicht stattgefunden hat und auch weiterhin nicht stattfindet. Ein Fortgang der Mediation – wie auch immer – setzt allerdings voraus, dass weiterhin Gespräche stattfinden und eine Gesprächsbereitschaft (Ein anderes Wort für Freiwilligkeit!) besteht. Gesprächsbereitschaft besteht zumindest bei dem Mann nicht mehr – wenigstens nicht im meditativen Sinn. Die Parteien suchen jetzt den für Viele naheliegenderen Weg. Die Ehefrau wird den Mann verklagen müssen, um die Verjährung zu unterbrechen. Er sucht den Weg in die Strafjustiz. Die Justiz lässt sich ja so schön instrumentalisieren.

Offenbar zeigte der Mann seine geschiedene Frau wegen Betruges in der Mediation an.

Natürlich lautet die Anzeige nur auf versuchten Betruges, es kam ja nicht zu einer Einigung. Wohl kam es zu einem brauchbaren Vorschlag, der aber dann im letzten Moment wieder negiert wurde. Ein weiterer Ausdruck der Ambivalenz, die übrigens auch innerhalb der Mediation aufgedeckt und thematisiert wurde.

Ich bekam eine Zeugenvorladung von der Polizei. Pflichtschuldig wies ich auf das Zeugnisverweigerungsrecht des Mediators hin …. Bei dem Thema bin ich fit, gebe ich doch einen Lehrbuchkommentar zum Mediationsrecht heraus, der demnächst erscheinen wird. Dort wird das Thema Vertraulichkeit und Zeugnisverweigerung des Mediators umfänglich behandelt. Deshalb ein kurzer Einschub zur Hintergrundinformation:

Das Zeugnisverweigerungsrecht des Mediators ist tatsächlich kein recht, sondern eine Pflicht. Das bedeutet, wenn die Parteien den Mediator entbinden, ist er zur Aussage verpflichtet. Das Zeugnisverweigerungsrecht ist löchrig. Es endet am „ordre public“ und am Strafrecht. Der Mediator steht also als Zeuge im Strafverfahren zur Verfügung. Wie und inwieweit lesen Sie bitte im Detail in dem demnächst erscheinenden Kommentar nach. Die Veröffentlichung wird demnächst auch hier bekannt gemacht werden.

Zurück zum Fall: Die Polizei schickt die Akte an die Staatsanwaltschaft. Ich war selbst einmal Staatsanwalt, ich weiß also um die Belehrung, die mir sodann schriftlich mitgeteilt wurde. Sie enthielt lapidar den folgenden Satz: „Die StPO sieht ein Zeugnisverweigerungsrecht für Mediatoren nicht vor“ Punkt. Dann folgen die rechtlich gebotenen Androhungen.

Nun, die Mitteilung des Staatsanwaltes stimmt, sie ist aber zu kurz gedacht. Ich frage mich: Wie kann ein Betrug begangen werden, wenn der Mediator weder entscheidungs- noch vorschlagsberechtigt ist, wie kann er überhaupt versucht werden in einer solchen Situation? Der Vorwurf lautet: Betrug in der Mediation! Wer sollte hier getäuscht werden? Der Mediator ist – wenn er sich korrekt und konsequent an die Regeln der Mediation hält sozusagen untäuschbar. Also kann sich der Betrugsvorwurf nur darauf beschränken, dass die Gegenseite den Anzeigeerstatter getäuscht haben will. Wie bitte soll das in einem Fall geschehen, wo alle Informationen über die man täuschen könnte aus der Lebensgemeinschaft resultieren, die die Parteien miteinander gelebt haben. Zumal wenn alle Fakten nachprüfbar sind und nur bestritten werden müssten. Selbst wenn – was ich bezweifle – Tatsachen falsch vorgetragen wurden,  wäre die Täuschungsabsicht fraglich. Wie kann ich jemanden täuschen, der über alles bescheid weiß und alles leicht nachprüfen kann?

Jetzt haben wir die Situation, dass materiell eine Straftat gar nicht in Betracht kommen kann. Formell besteht wegen der Strafanzeige kein Zeugnisverweigerungsrecht. Sollte der Mediator wie in meinem Fall jetzt die strafrechtliche Subsumtion durchführen? Darf er das überhaupt?  Wird er von der Polizei oder der Staatsanwaltschaft überhaupt soweit informiert dass er dazu in der Lage ist? Soll er sich gegebenenfalls mit dem Staatsanwalt anlegen? Wenn er die Aussage weiterhin verweigert drohen Zwangsmaßnahmen – rein formal betrachtet natürlich. Aber die formale Wirklichkeit ist auch eine Wirklichkeit.

Mein Vernehmungstermin findet bald statt. Ich weiß noch nicht, wie ich reagieren werde. Ich hab da aber so eine Idee ….. Leider ist der Fall ist nicht gut geeignet für eine Grundsatzentscheidung. Die Polizei hat auch schon Andeutungen gemacht, wie sie die Anzeige einschätzt. Es geht wohl nur um die formale Abwicklung und den formalen Abschluß der Akte. Wie gesagt, ich war selbst einmal Staatsanwalt und habe deshalb Verständnis auch für diese Seite der Wirklichkeit.

Was passiert als nächstes?

Wenn das Spiel der Parteien nicht unterbrochen wird, kann man mit der Gegenanzeige wegen falscher Verdächtigung rechnen, sinnvoller Weise wieder unter Benennung des Mediators als Zeugen. Dann steht die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche an. Der Zugewinnausgleich muss anhängig gemacht werden, weil sonst die Verjährung droht. Es ist ein formaljuristischer Grund, der vom geschiedenen Ehemann ganz sicher falsch verstanden werden wird und ihm weiteren Anlass und Rechtfertigung bietet, noch mehr zurück zu schießen. Der ganz normale Wahnsinn.

Als Mediator, und besonders als integrierter Mediator sucht man jetzt eine Antwort auf die Frage: Wie kann ich die Situation nutzen, um die Parteien wieder ins Gespräch zu bringen. Denn eines ist sicher, Gespräche sind der einzige Weg aus dem Wahnsinn heraus. Sie werden jetzt wahrscheinlich ahnen, wie meine Zeugenaussage aussehen wird. Sie wird sich mit der nicht erkennbaren Strafbarkeit auseinandersetzen und ein Appell sein, das Speil zu beenden und den Parteien die Fortsetzung der Mediation aufzuerlegen. Sie könnte auch als ein Medium betrachtet werden, wo der Mediator den Parteien nochmals ein Feedback gibt.

Es ist ein Versuch.

Sein Erfolg hängt davon ab, ob und wie die Polizei und die Staatsanwaltschaft damit umgehen werden. Normalerweise informiert die Staatsanwaltschaft den Anzeigeerstatter, dass das Verfahren eingestellt wude. Jetzt erwarte ich, dass sie dem Anzeigeerstatter ein Feedback über sein Verhalten verbunden mit dem Appell gibt, die Gespräche fortzuführen. Ich habe mich entschlossen, den Vernehmungstermin wahrzunehmen und schwerpunktmäßig über diese Optionen zu sprechen. Mal sehen, was passiert.

Ich werde berichten, wie der Fall weitergegangen ist.

Was der Fall auch deutlich macht, ist die Überstilisierung der Vertraulichkeit ind er Literatur. Manchmal wird sie dargestellt, als hinge davon alles ab. Oft begegnet man einer streng formalen Sicht, die mit der gelebten Praxis nicht wirklich einher geht. Der Fall hier mag ein Beispiel dafür sein, wie leicht sich die Vertraulichkeit aushebeln lässt.  Ein wirklicher Geheimnisschutz ist in der Mediation jedenfalls nicht möglich. Auch das wird in dem bereits angekündigten Lehrbuchkommentar flächendeckend thematisiert sein. Dort wird die Vertraulichkeit zwar auch als Geheimnisschutz, aber mehr als Schutz gegenüber der Mediation als der Partei gewürdigt. Vertraulichkeit bedeutet zweierlei: Zum Einen bedeutet es „nur für einige besondere Personen bestimmt; geheimeine vertrauliche Unterredung“, zum Anderen bedeutet es einfach nur: “ (auf Vertrauen gegründet und daher) freundschaftlich“. Wenn jemand die Sorge hat, dass Informationen missbraucht werden oder dass sie Konsequenzen haben, dann unterlässt er sie. Dabei kommt es nicht nur auf den rechtlichen Missgebrauch der Informationen an. Die Mediation soll es möglich machen, auch einmal laut das Falsche zu denken oder Vorschläge zu machen, von denen man sich wieder distanzieren kann. Die Mediation sol Trial and Error ermöglichen und so lange unverbindlich bleiben, bis das richtige Ergebnis gefunden wurde. Das ist der tiefere Sinn von Vertraulichkeit in der Mediation. Es spricht eher ein Gefühl als die rationale, rechtliche Besorgnis aus. Einander zu vertrauen, ein konsensuales Ergebnis herbeiführen zu wollen, ist ein wesentliches Element der Mediation. Ohne ein solches Vertrauen ist die in der Mediation notwendige Kooperation kaum möglich.

Die Gedanken sind frei

So lautet die Strophe in einem deutschen Volkslied. Die Gedanken mögen frei sein. Aber was ist mit der Möglichkeit, sie frei zu äußern? Die besteht nur dann, wenn man die ach so freien Gedanken nur schadlos äußern kann, wenn dies keine Konsequenzen hat. Davon sind wir in unserer Gesellschaft – gerade im Moment weit entfernt. Gibt es da nicht gerade eine „Prism“-Affäre?

Übrigens sind die Informationen der Ermittlungsakte dem Anzeigeerstatter einsehbar, spätestens wenn er einen Rechtsbehelf gegen die Einstellung des Verfahrens erheben will.   Dazu muss er ja die Ermittlungen nachvollziehen können. So viel zum Thema Stärkung der Mediation durch das Mediationsgesetz.