Wechselmodell und Pflichtmediation

So ließe sich eine Initiative zur Gesetzesinitiative überschreiben, die am 13.3.2018 dem Bundestag vorgelegt wurde und die das Wechselmodell als Regelfall festschreiben möchte. Mediatoren spekulieren schon auf einen Zuwachs an Fällen. Mehr Streit wird es in jedem Fall geben und wohl auch mehr Unverständnis. Aber worum geht es genau?

Die Initiative

Die offizielle Überschrift des Antrages von etwa 50 Abgeordneten des Bundestages und der FDP-Fraktion lautet: Getrennt leben ‒ Gemeinsam erziehen: Familienrechtliches Wechselmodell als Regelfall einführen.

Die Initiative zielt darauf ab, dass der Bundestag beschließt, die Bundesregierung zur Vorlage eines Gesetzesentwurfs aufzufordern, der das Wechselmodell bei Trennung ohne Elternkonsens und bei fehlenden Lösungen für die entstehenden Folgeprobleme als Regelfall gesetzlich festschreibt.

Der Wortlaut

Nach dem Wunsch der Abgeordneten soll der Gesetzesentwurf im Wortlaut folgende Regelungen enthalten:

Das Wechselmodell wird bei einer Trennung als gesetzlicher Regelfall eingeführt, sofern es keine einvernehmliche Regelung der Eltern gibt und es im Einzelfall nicht dem Kindeswohl widerspricht.

Im Kindesunterhaltsrecht ist eine anteilige Beteiligung der Eltern sowohl an Bar- als auch Naturalunterhalt als Regelfall vorzusehen. Das Kindergeld soll beiden Elternteilen hälftig zustehen. Ferner hat in diesem Zusammenhang eine Neuregelung der Verfahrensstandsschaft in entsprechenden Unterhaltsstreitigkeiten ebenso stattzufinden wie eine Reform des Unterhaltsvorschussgesetzes.

Es ist zu prüfen, inwieweit die Mehrbedarfe multilokaler Trennungsfamilien im Wechselmodell sowohl steuerlich als auch bei dem Bezug von Sozialleistungen berücksichtigt werden könnten. Darüber hinaus ist unter anderem zu prüfen, ob auch die bestehenden Regelungen zum Ehegattenunterhalt (Betreuungsunterhalt), zur alleinigen Entscheidungsbefugnis eines Elternteils in Angelegenheiten des täglichen Lebens (§ 1687 Abs.1 S.2, 3 BGB), zu melderechtlichem Wohnsitz und örtlicher Gerichtszuständigkeit (soweit an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes angeknüpft wird) sowie zu rentenrechtlichen Kindererziehungszeiten reformiert werden müssen.

Schließlich ist sicherzustellen, dass gerichtsferne Familienmediationsangebote, deren verpflichtende Vorschaltung in familiengerichtlichen Verfahren in Kindschaftssachen zu prüfen ist, bundesweit verfügbar sind.

Der Antrag im Wortlauf: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/011/1901175.pdf

Die Bedenken

Warum der Bundestag ein solches Gesetz nicht gleich beschließt?

Verdächtig ist bereits, dass die Initiatoren nicht selbst die Verantwortung für die Gesetzesinitiative übernehmen. Sie wären dazu befugt. Nach Art. 76 GG kann der Bundestag selbst eine Initiative einreichen, wenn sie von einer Fraktion oder 5% der Abgeordneten des Bundestages vorgelegt wird. Die Initiative zur Initiative wurde von der FDP Fraktion vorgelegt. Der Umweg deutet daraufhin, dass die Abgeordneten entweder nur Aufsehen erregen wollen oder nicht in der Lage waren, die Fragen zu klären, die einem derartigen Gesetzesvorhaben vorausgehen, sodass das Parlament die Verantwortung für ein derartiges Gesetz übernehmen kann. Die Überschrift Getrennt leben ‒ Gemeinsam erziehen klingt auf den ersten Blick gut. Auf den zweiten Blick wirft sie gravierende Fragen auf, die geklärt werden sollten, bevor es zu einem solchen Gesetz kommt. Es wäre also stimmig und ehrlicher (wenn auch weniger spektakulär), wenn die Regierung aufgefordert worden wäre, den Fragen nachzugehen und zu erwägen, ob ein solches Gesetz sinnvoll erscheint.

Warum der Bundestag ein derartiges Gesetz nicht beschließen sollte?

Der Antrag scheint zu kurz gedacht, sowohl was das Pflichtmodell wie die Pflichtmediation anbelangt. Es sollte den Eltern vorbehalten bleiben, das für die Restfamilie am besten passende Modell zu finden. Das Wechselmodell ist (in der Mediatorensprache formuliert) eine Lösung. Wenn sie ein gemeinsames Erziehen bezwecken soll, muss sich der Gesetzgeber mit der Frage auseinandersetzen, ob eine aufgezwungene Lösung den Weg dahin bereiten kann.

Wäre es nicht besser (ganz nach der Weisheit: Der Weg ist das Ziel) statt der Lösung, den Weg vorzugeben? Es ist sicher richtig, dass von den Eltern eine Einigung erwartet werden kann und muss. Die Scheidung setzt eine Zerrüttung voraus. Das sollte nicht übersehen werden. Denn daraus folgt die Erfahrung, dass die Einigungsfähigkeit in einer zerrütteten Beziehung nicht gerade nahe liegt. Wenn die Menschen darüber hinaus noch in eine Mediation gezwungen werden müssen, stellt sich sowohl ihre Einigungsbereitschaft (die mangelnde Bereitschaft eine Lösung zu suchen) wie ihre Einigungsfähigkeit in Frage. Mithin konterkariert die in der Initiative vorgesehene Pflichtmediation bereits das politische Ansinnen, das auf Gemeinsamkeit und Einigungsfähigkeit aufsetzt.

Wie sich die Einigungsbereitschaft und die -fähigkeit in einer zerrütteten Beziehung (wieder-) herstellen lässt, war eines der zentralen Themen, wofür das sogenannte Altenkirchener Modell einen Lösungsansatz geboten hat. In diesem als erfolgreich evaluierten Modell ging es darum, die (hoch zerstrittenen) Eheleute in eine Einigung zu bringen, wobei der Fokus (wie in der Mediation) auf den Weg, nicht auf das Ziel gerichtet war.

Ob sich das Wechselmodell als ein Regelmodell eignet ist auch äußerst umstritten. Eine offizielle Statistik zu Wechselmodellen gibt es nicht. Sie scheinen aber die Ausnahme zu sein. In vielen Fällen sind sie praktisch nicht durchführbar (schulpflichtige Kinder bei unterschiedlichen Elternwohnorten, arbeitspflichtige Eltern). Auch werden sie oft wie ein Kinderteilungsmodell also im Elternegoismus verwendet. Ein solches Konzept sollte weder staatlich gefördert noch initialisiert oder nahegelegt werden. Zu fördern sind Modelle, die den Kindes- nicht den Elternbedürfnissen entsprechen. Das Wechselmodell verlangt eine Elternreife, die nicht ohne Weiteres unterstellt werden kann.

Auch was die Zwangsmediation anbelangt, gibt es sicher besser zur Mediation passende Wege, die Mediation ins Spiel zu bringen, wenn und wo sie erforderlich ist. Die meisten Familiensachen werden über die Verfahrenskostenhilfe finanziert. Eine Pflichtmediation würde auch die Diskussionen über die Mediationskostenhilfe neu aufwerfen, wenn die Zwangsmediation nicht per se die Forderung des BGH (siehe Beschluss XII ZB 601/15 vom 1. Februar 2017 ) nach einigungsbereiten und einigungsfähigen Eltern konterkariert.

Mehr zum Thema Wechselmodell unter www.wiki-to-yes.org