I. Die „Debatte“

„Eine Debatte (franz. débattre: (nieder-)schlagen) ist ein Streitgespräch, das im Unterschied zur Diskussion formalen Regeln folgt und in der Regel zur inhaltlichen Vorbereitung einer Abstimmung dient.“ (Wiki).

Wie verschieden sich doch Einigkeit ausdrücken kann. Ganz unerwartet und kurzfristig wurde die Tagesordnung des Bundestags um eine „Aktuelle Stunde“ erweitert und, auf Verlangen aller Fraktionen, vor die „Debatte“ über das Mediationsgesetz, eingefügt. Es ging um die „Demokratiebewegung in Russland“. Diese wurde über eine Stunde diskutiert, – richtig debattiert, wer nun am meisten und besten gegen die üblen Zustände in Russland sei.

Ein Paradebeispiel, wie man sich über eine einmütige Beurteilung (in Russland herrscht keine Demokratie) sehr kontrovers und lebhaft auseinander setzen kann. Das ist ja der Grund, weshalb die gängigen Talkshows und die Nachrichten dieses Thema immer wieder bringen.

So eine Werbung hätte die Mediationsbewegung auch gebraucht. So kann man die Mediation fördern, indem möglichst viele Leute davon erfahren. Hier hätte es uns schon geholfen, wenn wenigstens die unterschiedlichen Standpunkte streitig diskutiert worden wären, denn hier geht es um etwas, was

unsere

Bevölkerung angeht.

Aber, es herrschte nur eitel Sonnenschein und vorweihnachtliche Stimmung im Deutschen Bundestag:

Das Protokoll der zweiten und dritten Lesung (TOP5.- in der linken Leiste anklicken. Es sind nur 11 Seiten.) lässt da keine Wünsche offen. Meine Zitate beziehen sich darauf.

Dr. Eva Högel: „Es ist so richtig schön vorweihnachtlich, dass wir uns alle so einig sind und uns gegenseitig so sehr loben.“ *Protokollanmerkung: (Heiterkeit) „Witz beiseite: Das Gesetz ist wirklich Grund genug, dass wir uns gemeinsam Loben. Ich habe das alles staunend aus einiger Entfernung beobachtet.“ (Anm. des Autors: das habe ich auch versucht, aber Rechtsausschuss ist ja geheim. So muss ich mich auf das verlassen, was dann im Bundestag gesagt wird).

Es wurde sogar ein Feiertag proklamiert – und das so kurz vor Weihnachten und nach Nikolaus.

„Der heutige Tag ist ein Festtag“ (Ingrid Hönlinger) und weiter: „Der heutige Tag ist ein Feiertag für alle Bürgerinnen und Bürger, die in unserem Land eine andere Konfliktkultur und eine bessere Streitkultur wollen.“ (Anm. des Autors: sofern sie davon erfahren. Also auf die Straße ist niemand gegangen, s. Schluss)

Genug der Loblieder. Jetzt geht es zur echten Förderung und die hat Sonja Steffen klar formuliert:

„Nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes soll die Mediation
in rechtlichen Konflikten zukünftig Standard
werden. Dabei hilft es sehr, denke ich, dass zukünftig in
der Klageschrift zwingend aufgeführt werden muss, ob
der Klageerhebung der Versuch einer außergerichtlichen
Konfliktlösung vorausgegangen ist. Falls vor Klageerhebung
keine Mediation stattgefunden hat, muss dargelegt
werden, welche Gründe der Mediation entgegenstehen.
Es wird aber immer noch Fälle geben, in denen beispielsweise
das fehlende Kräftegleichgewicht verhindert,
dass eine Mediation erfolgreich sein kann. Dann
kann man auch direkt den Weg in die Klage beschreiten.
Ich denke, das ist gut so.“

Das finde ich auch, dass „zwingend aufgeführt werden muss, ob der Klageerhebung der Versuch einer außergerichtlichen Konfliktlösung vorausgegangen ist.“ und „Falls vor Klageerhebung keine Mediation stattgefunden hat, muss dargelegt werden, welche Gründe der Mediation entgegenstehen.“ und habe mir für diesen und allen Feiertagen einen Weihnachtsbaum besorgt und sofort begonnen zu schmücken.

Nur leider steht das im Gesetz nicht drin!

Dort steht ewas von „geeigneten Fällen“ und „kann“. Aber nicht nur Sie, Frau Steffen stehen diesbezüglich alleine da. Herr Plassmann, immerhin Sachverständiger bei der öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses hat in seinem Interview mit der Legal Tribune-online am 29.12.11 praktisch dasselbe behauptet. Und schaut man sich sein Gutachten an, so geht es schon in die richtige Richtung. Leider haben die Politiker diesen Weg aber abgeschnitten, so dass jetzt nur noch Wunschträume verbreitet werden können.

Auf diese Weise misstrauisch geworden, horchte ich noch etwas genauer hin. Zum Beispiel als es darum ging, dass das Recht nicht privatisiert werden solle und dass man erst dann Geld ausgeben will, wenn supereisenfest feststeht, dass die Länder bestimmt nicht drauf zahlen, wenn die Mediation prozesskostenhilfemäßig mit einbezogen wird.

Es wimmelt nur so von Widersprüchen und verschiedenen Standpunkten und Positionen und das wird alles in einer Weise vorgetragen, als wenn sich alle einig wären, bzw. sich durchgerungen hätten Meilensteine zu setzen und dem Volk (oder den lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger?) zuzumuten beim ersten Rechtsanwaltsbesuch eventuell, wenn es diesem gefällt und er Lust hat, anzuhören, dass dieser Gang auch hätte woanders hinführen können (zum Mediator).

Jetzt verstehe ich es auch, warum der Weihnachtsbaumhändler am Baum so einen Sternenbanner angebracht hatte:

Es ist das Preisschild!

Wären die Rechtsausschusssitzungen eine Mediation gewesen, so hätte der Mediator zumindest wegen des Dissenses zwischen „soll“ (Gesetz/Vereinbarung) und „muss“(nach Ansicht mancher Vertragschließenden, stimmend oder nickend- s. nächsten Absatz) dafür sorgen müssen, dass seine Medianden den Inhalt, die Bedeutung und die Folgen ihrer Vereinbarung kennen.

Eine Erklärung kann es allerdings dafür geben. Wie Arthur Trossen schon einmal berichtet hat, kann die Körpersprache in anderen Kulturkreisen auch einmal ganz andere Bedeutungen haben. So bedeutet nicken manchmal auch NEIN! Leider weiß ich nicht, ob im Ausschuss mit aufstehen, durch handaufheben oder mit nicken abgestimmt wird, so dass ich diesbezüglich keine weiteren Schlüsse ziehen kann.

Bei einem Vertrag könnte die SPD ja nach § 119 BGB anfechten. Bei diesem Gesetz kann sie sich eigentlich nur noch der Justizministerkonferenz anschließen. Vielleicht geht noch was. Nur für meinen Baum wird es schmuckmäßig nichts mehr nützen.

Besonders tragisch war dann das Ende der Debatte und die einstimmige Abstimmung des auf dem Meilenstein sitzenden Jahrhundertwerks durch aufstehen der Abgeordneten. Ich hatte PHOENIX extra gebeten, besonders auf den TOP 5 zu achten und diesen zu übertragen, weil es sich um eine wenig bekannte, dafür aber für das Rechts- Staats- und Streitwesen für die Bevölkerung um Jahrhundertereignisse und Meilensteine handle. Man hat sich bedankt und mir zugesagt, dass das vorgemerkt sei.

Leider sind wohl nicht nur den Redakteuren bei einer derart leblosen und unverständlichen Debatte alle Geduldsfäden gerissen. Prompt, während die Abgeordneten feierlich aufgestanden waren, wurde schon das nächste Thema („Geschlechtergerechtigkeit in der Wissenschaft“) eingeblendet, so dass es aussah, als wenn die stehenden Herren (vielleicht auch Damen) dafür stimmen würden. Die Ministerin ist übrigens sitzen geblieben und hat auch keine Rede gehalten. Und das, wo sie doch bislang keine historischen Ereignisse ausgelassen hat.

Außerdem hat man mir untersagt, dass ich den entsprechenden Screenshot in diesem Blog abbilde. Aber, wer will, kann ja mal kurz in mein ganz privates Fotoalbum schauen.

Das war jetzt also nur die Debatte und ich denke, jetzt könnte man ans Werk gehen, sich mit den eigentlichen Problemen der Förderung der Mediation zu beschäftigen. (Kann aber leider nicht sehr weit auf römisch zählen;-) Eine Chance ist jedenfalls bislang wieder mal vertan.