Integrierte Mediation in Familiensachen im OLG Koblenz Bezirk

Eine Scheidung ist dann gut verlaufen, wenn alle Prozesse für beide Seiten nutzbringend abgewickelt werden. Das heißt, wenn die Eheleute in psychologischer, sozialer, wirtschaftlicher und juristischer Hinsicht wieder autonom sind. Aus dieser ganzheitlichen Perspektive bemisst sich der aus der juristischen Intervention folgende Nutzen nicht nur nach der Brillanz des Vortrages oder dem rhetorischen Geschick. Letztlich entscheidend ist die Lebbarkeit der gefundenen Regelung und ihr individueller Nutzen für alle Betroffenen. Dieses Ziel verfolgend, lautet die These, dass die Effizienz der Arbeit in Familiensachen durch die Einbeziehung psychologischer, betriebs- bzw. finanzwissenschaftlicher und kommunikativer Kompetenzen ganz wesentlich gesteigert werden kann.

Die integrierte Mediation ist in der Literatur bereits besprochen

[1]. Sie ist ein von den anderen Varianten der gerichtsnahen und gerichtsinternen Mediation abzugrenzender Fall, der mit dem Justizprojekt einer großflächigen Erprobung und einer eigenen Evaluation zugänglich wird.

Ausgangspunkt der Projektüberlegungen

Praktische und dem Projekt zugrunde liegende Erfahrungen einer integrierten Mediation konnten zunächst am Amtsgericht in Altenkirchen (sog. Altenkirchener Modell) gewonnen werden. Der Richter wendet Techniken und Verfahrensweisen an, die in der späteren Literatur als Migrationstechniken beschrieben werden und zur Mediation führen. Es geht um eine verbesserte Kommunikation im familiengerichtlichen Verfahren, um eine gesteigerte Kompetenz für die Beantwortung von Fragen, die nicht juristische sind und um eine Beseitigung der nachteiligen Folgen einer Streitentscheidung.

Die Erfahrungen im Altenkirchener Modell haben gezeigt, dass die Ausrichtung auf Win-win Lösungen schon dann wirkungslos sind, wenn auch nur eine der Parteien sich dieser Zielsetzung – eventuell mit Hilfe ihres Prozessbevollmächtigten – entzieht. Nicht umsonst verlangt die Mediation die freiwillige Teilnahme der Medianden. Der Grund liegt darin, dass eine Kooperation von allen gewünscht sein muss, wenn sie zustande kommen soll.

Natürlich kann der Richter die Einbeziehung kooperativer Strategien empfehlen und die Parteien von deren Vorzügen überzeugen. Leicht fällt dies aber nur, wenn das Streitsystem den Nutzen einer kooperativen Verfahrensausrichtung für sich insgesamt in Anspruch nehmen will. Der dazu erforderliche Grundkonsens kann zwar im Einzelfall verhandelt werden. Er kann sich wirkungsvoller und flächendeckender jedoch aus einem vernetzten Arbeiten ergeben.

In Altenkirchen schien sich diese Vernetzung zunächst über die informelle Kommunikation zwischen dem Richter und den Anwälten herzustellen. Hier herrschte ein Verhandlungsklima, in dem schon wegen der menschlichen Nähe eine persönliche Auseinandersetzung auf direktem Wege möglich war.

Eine weitergehende, (inter-)professionelle Vernetzung ergeben die Erfahrungen aus der so genannten Cochemer Praxis. Der Cochemer Arbeitskreis Trennung und Scheidung verfolgt das Ziel, Institutionen und Personen, die in den Trennungs- und Scheidungsprozess von Eltern involviert sind, miteinander ins Gespräch zu bringen, Vorgehensweisen und spezielle Hilfeangebote untereinander bekannt zu machen, Formen der Kooperation zu entwickeln und zu praktizieren und die Öffentlichkeit zu informieren.

Die jetzt als Koblenzer Praxis bezeichnete Vorgehensweise bündelt die Erfahrungen des Altenkirchener Modells und der Cochemer Praxis in einem einheitlichen Arbeitsmodell. Dieses Modell basiert auf der hinreichenden Erfahrung, dass interessengerechte Ziele durch die Beachtung kooperativer, auf Konsens ausgerichteter Verhaltensweisen ohne weiteres und mit einem vertretbaren Aufwand auch innerhalb des Gerichtsverfahrens zu erreichen sind.

Zielsetzung des Projektes

Aus der Zielsetzung des als „Integrierte Mediation in Familiensachen“ bezeichneten Projektes ergeben sich zwei wesentliche Anforderungen:

  • Die erste Anforderung will die Zufriedenheit aller Prozessbeteiligten (also der Parteien, der Parteivertreter, der Richter und der sonstigen Beteiligten) erhöhen.
  • Die zweite Anforderung will die Reduktion des Arbeits- und Kostenaufwandes für alle Prozessbeteiligten (also auch für die Parteien) messbar erreichen. Gegebenenfalls soll auch die Zahl der anhängigen Verfahren reduziert werden.

Nachdem die gerichtsnahe und die gerichtsinterne Mediation bereits einer wissenschaftlichen Evaluation unterlagen, schließt das vorliegende Projekt eine wissenschaftliche Lücke, indem die Effizienz eines mediativen Arbeitens innerhalb des erkennenden Gerichts einer Evaluation zugeführt wird. Das in der Literatur bereits vorgestellte, Koblenzer Justizprojekt hat hierfür einzigartige Voraussetzungen geschaffen. Erwartet werden:

  • Eine messbare Reduktion oder gar ein Ausbleiben der Folgesachen durch eine steigende Zahl von Konfliktlösungen oder durch die Wiederaufnahme der Gesprächsbereitschaft unter den Eheleuten (Eltern).
  • Eine messbare Arbeitserleichterung durch den behutsameren Umgang mit den Ressourcen des Richters und des Gerichts.
  • Eine messbare Arbeitserleichterung durch eine optimale Einbeziehung fremder Ressourcen (Auslagerung der Seelsorge), der arbeitsteiligen Übernahme von Verantwortung (Teamverständnis), sowie der Einbeziehung eines interdisziplinären Wissens.
  • Eine messbare Zunahme der Zufriedenheit durch nutzbringende und zufrieden stellende Ergebnisse.
  • Eine fundierte Wertschätzung der Arbeit aller am Scheidungsverfahren beteiligten Professionen durch eine gesteigerte Kooperationsbereitschaft infolge einer interprofessionellen Vernetzung und Arbeitsteilung mit Jugendämtern, Anwaltschaft usw.
  • Ein verbessertes Qualitätsmanagement durch die Erhebung eines verwertbaren Feedbacks.
  • Ein verbessertes Streitklima durch die Errichtung konstruktiver Streitsysteme, wie etwa die Arbeitskreise Trennung und Scheidung (AKTS).

Die Umsetzung des Projektes

Die Umsetzung des Projektes verläuft in drei Phasen. Zwei Phasen sind nunmehr abgeschlossen. Die zeitlich aufeinander aufbauenden Phasen sind:

  • Vorbereitungsphase (Mai 2000 – Febr. 2004)
  • Ausbildungsphase (März 2004 – Juli 2005)
  • Evaluierungsphase (ab Juli 2005 …)

Die bisher zurückgelegten Schritte werden in der nachfolgenden Historie – nach den einzelnen Projektphasen differenziert – aufgezeigt:

Vorbereitung

Mai 2000 Anregung eines Justizprojektes[11]
30.10.2000 Vorlage der Projektskizze „integrierte Mediation“
31.1.2001 Vorbesprechung mit ROLG Bock
29.3.2001 Startschuss
4.5.2001 Vorbesprechung über Projektverlaufsplanung
19.5.2001 Einladung der Richter zur Teilnahme am Projekt
28.8.2001 Präsentation des Projektes am OLG
August 2003 Vorstellung und Abstimmung der Projektskizze
9.8.2003 Abstimmung der Rahmenbedingungen und des Designs für die Evaluation durch die wissenschaftliche Begleitforschung
9.10.2003 Gründung der Landeskonferenz Trennung – Scheidung
Dezember 2003 Treffen zur Vorbereitung der Kickoff Veranstaltung
20.1.2004 Kick-off Veranstaltung, offizielle Projektpräsentation vor den Familienrichterinnen und Familienrichtern und deren Vorgesetzten

Ausbildung

Die Ausbildung der teilnehmenden Richterinnen und Richter ist einem Fernstudiengang angelehnt, der von einem hohen Präsenzanteil begleitet wird. Das Ausbildungskonzept habe ich in Zusammenarbeit mit Eberhard Kempf und in Abstimmung mit Dr. Heinz Georg Bamberger entwickelt. Die im Projekt zur Verfügung stehenden Trainer waren Dipl. Psych. Eberhard Kempf und ich. Weitere Ausbilder waren Dipl. Psych. Heiner Krabbe und natürlich auch die persönlich allerdings nicht in Erscheinung getretenen Autoren der Skripte (Kurshefte). Zu erwähnen sind schließlich auch Jürgen Rudolph, der Beiträge zur interprofessionellen Zusammenarbeit eingebracht hat sowie die Teilnehmer selbst, die Ihre reichhaltigen Erfahrungen und ihr Wissen beigesteuert haben.

Die Ausbildung nahm folgenden Verlauf:

8.3.2004 Aushändigung Skript „Integrierte Mediation“[12]
8.3.2004-10.3.2004 1. Blockseminar in Bad Münster „Scheidungsmanagement“: Einführung, Integrierte Mediation, Übungen zur Gesprächs- und Verhandlungstechnik
28.4.2004 1. Tagesseminar im OLG: Feedback, Review zur Tagung, Übung, Vertiefung: Anwendungsmöglichkeiten der Zielvereinbarung
21.6.2004 2. Tagesseminar im OLG: Feedback, Rollenspiel, Vertiefung: Positionsaufgabe, Veränderungen wahrnehmen
16.11.2004 3. Tagesseminar im OLG: Feedback, Rollenspiel, Vertiefung: Anwälte als Helfer bei der Suche nach Lösungen, Rollenspiel
26.1.2005 4. Tagesseminar im OLG: Feedback, Diskussion mit Rechtsanwälten/innen, Eigensicht – Fremdsicht, Rollenspiel Umgang mit Parteivertretern
28.3.2005 Aushändigung Skript: „Grundlagen der Mediation“[13]
7.3.2005-10.3.2005 2. Blocksseminar in Bad Münster: Schwerpunkt Mediation, Konflikttheorie, Frage- und Gesprächstechniken, Strategien, Rollenspiele
11.5.2005 5. Tagesseminar im OLG: Feedback und Supervision. Rollenspiel: Bedürfnisse im Gerichtsverfahren ansprechen
4.7.2005 Aushändigung Skript III[14] Haltung und Denken
4.7.2005 6. Tagesseminar im OLG: Feedback und Supervision, Abschluss

Evaluation

Die dritte Phase des Projektes, die Evaluation, hat vorbereitend schon vor der Aufnahme der wissenschaftlichen Arbeit durch Prof. Dr. Roland Hofmann und Prof. Dr. Josef Neuert begonnen. Konkrete Beiträge zur Evaluation waren:

o.a. Sitzungen eines von Dr. Bamberger geleiteten Beirates zur Ausarbeitung von Feedback-Fragebögen, die später als Grundlage der Evaluation herangezogen werden können
28.3.2004 Aushändigung und Beantwortung des ersten Fragebogens
26.1.2005 Aushändigung und Beantwortung des zweiten Fragebogens
28.3.2005 Aushändigung und Beantwortung des dritten Fragebogens
4.7.2005 Vorher- Nachher Befragung
21.3.2005 Startverhandlung zur Evaluation durch Prof. Dr. Neuert und Prof. Dr. Hofmann

Das Lernkonzept

Das Lernkonzept trägt dem Umstand Rechnung, dass die teilnehmenden Richterinnen und Richter für die Ausbildung nicht frei gestellt werden konnten[15]. Deshalb war die Ausbildung in den üblichen Arbeitsablauf eines Richters zu integrieren. Es kam darauf an, die teilnehmenden Richterinnen und Richter nur so weit zu belasten, wie sie es neben ihrer Alltagsarbeit verkraften konnten. Die Lösung ergab ein gemischtes Ausbildungskonzept, das unterschiedliche Lernplattformen mit Gelegenheiten zu Übungen und zum praktischen Erfahrungsaustausch zur Verfügung stellt. Die verschiedenen Lernplattformen sind:

  • Studienbriefe
    Skript I, II und III beinhalten insgesamt ca. 350 Seiten Text. Es handelt sich um Ausführungen, die auch in dem Fernstudium der ZFH eingesetzt werden.
  • Vorträge
    Powerpointgestützte Vorträge, welche die Zusammenhänge zwischen Theorie und Praxis erläutern.
  • Übungen
    Übungen im Rollenspiel, Gesprächs- und Kommunikationsübungen
  • Kontrolle
    Selbstreflexion, Feedback, Supervision, Intervision
  • Austausch
    Diskussionen und Erfahrungsaustausch mit Kollegen haben am Rande der Tagungen statt gefunden. Viele fanden diesen Erfahrungsaustausch schon für sich gesehen als eine Bereicherung.
  • Intranet
    Über den Zugang zu einem Intranet wurde eine Lern- und Arbeitsplattform angeboten.

Lerninhalte

Zugrunde liegen die Lerninhalte der integrierten Mediation. Inhaltlich konzentriert sich die Ausbildung auf folgende Bereiche:

Grundlagen der Mediation

  • Konfliktarten, Konflikttheorie, Konfliktverhalten, Konfliktevolution, Konflikteskalation
  • Kommunikation, Gesprächs- Verhandlungs- Gestaltungstechniken, Synchronisation – Basis einer gelingenden Kommunikation, Die Botschaftsebenen in der Kommunikation, Aktives Zuhören als „Basis-Tool“, Spiegeln, Metakommunikation
  • Wahrnehmung, Wirklichkeit und Wahrnehmungsbeeinträchtigungen Konstruktion von Wirklichkeiten
  • Verhandlung, Harvard Konzept, Verhandlungstechniken
  • Prinzipien der Mediation, Freiwilligkeit, Neutralität / Allparteilichkeit, Haltung und Menschenbild,
  • Eignung zur Mediation, Eignung zum Mediator/in, ethische Anforderungen
  • Mediation als Verfahren, Hindernisse, Voraussetzungen, Phasenmodelle, Weg und Ziel
  • Methoden und Techniken, Positionen und Interessen, Entscheidungsspielräume, Window I, II, Selbstbehauptung,
  • Das Setting (Raum und Beziehung, Bedeutung der Atmosphäre)
  • Umgang mit Autorität, Macht und Machtgefällen, Haltung und Denkweisen, Fairness,
  • Konflikthintergründe in Familienverfahren (Veränderung des Familienbildes, die Perspektiven der Beteiligten (Mann / Frau / Kind),
  • Familienleitbilder, Familienlandkarten, Rollenkonflikte
  • Scheidungszyklen, Dynamik bei Trennung und Scheidung,
  • Bedeutung der Konfliktinterventionen, typische Konfliktverhaltensweisen
  • Familienpsychologie, Beziehungen („Legobaukasten“), Identifikationen
  • Bedürfnisse, Interessen, Emotionen
  • Die „persönlichen Tools“ im Verfahren (Persönlichkeit, Sprache und Körpersprache, …)
  • Zum Umgang mit Affektionsbedürfnissen, Rolle der Rechtsanwälte/innen
  • Kinder, Frauen und Männer in der Mediation
  • soziale Kompetenz (Akzeptanz, Authentizität, Empathie)
  • Die systemischen Aspekte von Konfliktlösungen (zur Bedeutung von Arbeitskreisen bei der Lösung von Konflikten, Die Erweiterung des Sichtfeldes z.B. das Zusammenspiel der Kräfte)
  • Bildung und Pflege von Streitsystemen, verfügbare Ressourcen
  • Rollenerwartung, Rollenverhalten und Rollensicht,
  • Systemische Bedingungen einer gelingenden Kommunikation (formelle und informelle Kommunikation, Flaschenhals)
  • Spannungsverhältnis der Disziplinen (Recht, Psychologie, Ökonomie, Sozialwissenschaft – Die Kombination durch Scheidungsmanagement)
  • Zum Verhältnis von gerichtlichem Verfahren, (gerichtsnaher, gerichtsinterner) Mediation und integrierter Mediation, Lösungspentagramm, Zielvereinbarung
  • Die Interventionsmöglichkeiten im Verfahren (Rolle und Interventionsinstrumente, strategische Aspekte des Nullsummenspiels, Strategiewechsel, Potenzialbereich),
  • Migrationsprozesse,
  • Objektive und subjektive Freiräume
  • Anwendungsbereiche der Mediation und ihre Abgrenzung zu anderen Verfahren der Streitbewältigung, namentlich den forensischen Verfahren,
  • Prinzipien (Mediation oder mediatives Handeln, Kompetenz und Reichweite der Mediation in ihren unterschiedlichen Varianten, Vorbereitung der Mediation (strategische Migration)
  • Bedeutung des Rechts als Instrument der Krisenintervention (Rahmenbedingungen in der Justiz, Autoritäten, Erwartungen, Nutzen, ..)
  • Ziele und Visionen
  • Einführung in das Thema, Hinweis auf Anwendungsmöglichkeiten im Alltag, Eigensicht und Fremdsicht, Bedeutung der Dienstleistung, Notwendigkeit zur Zielvereinbarung, Kommunikation, Wahrnehmung,
  • Ansätze für ein Qualitätsmanagement, Feedback, Übung Gesprächstechnik, Einführung in die Supervision, Selbsterfahrung, Einsatzbedingungen
  • Assessments
  • Ausschöpfung der Ressourcen (Seelsorge, Vernetzung, Institutionen, Fähigkeiten)

Grundlagen der Familienpsychologie

Grundlagen der Persönlichkeiten im Verfahren

Grundlagen der systemischen Konfliktlösung

Mediation

Grundlagen eines effizienten (Konflikt-)Managements

Qualitätsvergleich

Die Ausbildung umfasst insgesamt mehr als 184 Stunden. Darin enthalten sind Fernstudienanteile für das Lesen und Bearbeiten der Skripte sowie Seminare als Präsenzanteile.

  • Fernausbildung:
    Die auf den Fernstudienanteil entfallende Studiendauer beträgt 98 Ausbildungsstunden bei einem zu verarbeitenden Text im Umfang von 350 Seiten. Der Umrechnungsschlüssel berücksichtigt neben der reinen Lesezeit die Zeit der Vor- und Nacharbeitung. 28 Stunden Unterricht werden dem Studium von je 100 Seiten Skript gleichgesetzt. Verwendet wurden die Skripte, die auch im Fernstudiengang der ZFH bzw. der FH Darmstadt eingesetzt werden.
  • Präsenzausbildung:
    Die auf die Präsenzausbildung entfallende Studiendauer beträgt bei 14 Ausbildungstagen[16] zu jeweils 6 Stunden Unterricht je Tag 84 Stunden. Die in der Mediationsausbildung erwarteten gruppendynamischen Effekte (Abbau von Hemmungen im Rollenspiel, Öffnung in der Gruppe, Vertrauen der Gruppe) konnten vor dem Hintergrund der kollegialen Nähe und die Häufigkeit der Treffen erreicht werden. Ein über die Unterrichtseinheiten hinausgehendes Bedürfnis nach mehr Präsenz wird durch die Häufung von Übungsmöglichkeiten im beruflichen Alltag kompensiert. Der Präsenzausbildungsanteil beträgt 47%!

Die Ausbildungsinhalte stehen im Einklang mit dem code of coduct for mediators dem sich der gemeinnützige Verein Integrierte Mediation e.V. und damit auch die ihm angeschlossenen Ausbildungsinstitute und Ausbilder unterworfen haben. Darüber hinaus besteht Einklang mit der directive of the european parliament and of the council on certain aspects of mediation in civil and common matters. Schließlich orientieren sich die Ausbildungsinhalte ohne weiteres an den in Deutschland anerkannten Standards der Mediation und zwar sowohl des BM wie der BAFM. Eine vergleichende Gegenüberstellung enthält die Aufstellung im Anhang. Von diesen abweichend wurde lediglich die Vermittlung der Rechtskundeanteile auf konkrete Fragen der juristischen Einbeziehbarkeit beschränkt. Allerdings wurden darüber hinausgehend spezielle Verfahrensanleitungen vermittelt, die auf die Besonderheiten der Mediation innerhalb der gerichtlichen Sachbearbeitung eingehen. Gemeint sind die Migrationsstrategien der integrierten Mediation ebenso wie die Einbeziehung der interprofessionellen Kooperation nach dem Konzept der AKTS.

Abschluss

Das Ende der Ausbildung wurde mit einer Teilnahmebescheinigung bestätigt. Es besteht die Möglichkeit der Vergabe des Zertifikates MediatorIMF für das Fernstudium der integrierten Mediation nach Vorlage einer Abschlussarbeit. Weiterhin erfolgt die Anrechnung der Ausbildung im Falle einer Fortbildung zum (Voll-)MediatorIM. Einem Wusch der Teilnehmer folgend, werden die zweimonatlich statt findenden Supervisionstermine fortgesetzt.

Begleitende Angebote

Mögliche Einflussnahmen auf den Projektverlauf ergeben sich aus begleitenden Maßnahmen und Projekten, auf die ich zur Vervollständigung der Darstellung kurz eingehen will:

  • Da sind zunächst die Veranstaltungen in den Arbeitskreisen Trennung– Scheidung, die mit Vorträgen und Diskussionen das Thema „Bewältigung von Familienkonflikten“ abrundeten.
  • Eine bedeutsame Parallelentwicklung bildet die Landeskonferenz, eine interprofessionelle Arbeitsgemeinschaft, die die Gründung, Organisation und die Arbeit in den regionalen Arbeitskreisen fördert.
  • Mit Portafamilia wird eine interprofessionelle Plattform geschaffen, auf die nicht nur die Teilnehmer des Projektes, sondern jedermann zugreifen kann, um sich zu informieren.
  • Die ZFH startet die Ausbildung: Scheidungsmanagement ein Fall der integrierten Mediation als ergänzende Ausbildung für Rechtsanwälte und Mitarbeiter der Jugendämter.
  • Schließlich ergeben sich Möglichkeiten einer weiteren Vernetzung mit einem so genannten Twinning Projekt der EU Projekt, in dem ich als so genannter RTA, also als Langzeitberater für die Einführung der ADR vornehmlich in Familiensachen in Lettland beratend zur Verfügung stehe. Dort ist ein Pilotprojekt geplant, das sich an der Koblenzer Praxis orientierten wird.

Evaluierung

Die zu untersuchende These lautet auf einen Nenner gebracht:

Besseres Ergebnis (Zufriedenheit)
bei geringerem (Kosten)aufwand

Das bessere Ergebnis mag aus einem konfliktlösenden Verfahrensausgang bestehen, der den Parteien einen von allen erkannten Nutzen einbringt. Der geringere Kostenaufwand kann sich aus einer reduzierten Nachfrage ergeben aber auch aus einem schonenden Einsatz der verfügbaren Ressourcen, also etwa durch optimierte Arbeitsabläufe.

Sicherlich lässt sich die Stimmigkeit dieser These durch messbare Parameter belegen. Die Anzahl der zwischen den Parteien geführten Folgeverfahren, die Zahl der Rechtsmittel, die Häufigkeit des Schriftwechsels, sowie die Häufigkeit und die Dauer der Termine sind „harte Fakten“, die der nunmehr beginnenden wissenschaftlichen Evaluation zugänglich sein werden. Darüber hinaus interessieren aber auch „weiche Fakten“, so genannte soft skills, die von den üblichen statistischen Erhebungen abweichen. Davon betroffen sind unbestimmte Parameter wie z.B. die Zufriedenheit der am Verfahren beteiligten Personen.

Als der bedeutsamste Parameter einer Veränderung des Verfahrens oder der Verfahrensweise erscheint die Haltung der Verfahrensbeteiligten insbesondere des Richters. Die neue, konfliktbezogene Kommunikation benötigt soziale Kompetenz, um ihre volle Wirkung zu entfalten. Die Merkmale der sozialen Kompetenz sind nach Carl Rogers die Authentizität, die Akzeptanz und die Empathie. Leider wirken diese Parameter eher langfristig und im Verborgenen. Wenn überhaupt, sind sie meist auch erst auf den zweiten Blick erkennbar. So geht die kommunikative Verfahrensweise zumindest in der Anfängerphase mit mehr und längeren mündlichen Verhandlungen einher. Sie ergibt subjektiv einen höheren Zeitaufwand, der erst mit geringerem Schriftverkehr oder mit ersparten Entscheidungen gerechtfertigt werden kann, wenn nicht bereits das Ergebnis für sich spricht.

Die Frage, wie die Parameter zu erheben und zu messen sind, ist die Herausforderung der nachfolgenden wissenschaftlichen Evaluation. Um alle Aspekte abzudecken, hat sich bereits während der Phase II des Projektes ein vorläufiger Beirat gebildet, in welchem Gedanken zur Evaluierung entwickelt wurden.

Die wissenschaftliche Aufarbeitung wird die richterliche Arbeit der Teilnehmer des Projektes mit Nichtteilnehmern vergleichen. Die Dauer dieser Evaluation ist auf drei Jahre veranschlagt. Das Gutachten wird demnächst vorgelegt. Eine weitere Studie ist die Koblenzer Praxis.

Beide Studien bescheinigen den erfolgreichen Abschluss der Evaluation und den Erfolg des Projektes.

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