Was bewirkt eigentlich den Erfolg in der Mediation, wenn der Mediator weder entscheiden, noch wenn er beraten oder eine Lösung vorschlagen darf?


Die Mediation ist ein Verfahren zur Konfliktlösung, in dem der Mediator weder entscheidet, noch berät er die Parteien hinsichtlich Sachfragen. Er schlägt nicht einmal eine Lösung vor. Mit diesen Einschränkungen grenzt sich die Mediation deutlich von einem Gerichtsverfahren, einem Schiedsgerichtsverfahren und einer Schlichtung ab. Im Idealfall unterlässt der
Mediator JEGLICHE Einflussnahme auf das Ergebnis.

Verwundert es nicht, dass es einem Mediator bei all dieser Zurückhaltung dennoch gelingt, zur Konfliktlösung beizutragen? Was bewirkt die Einigkeit der kurz zuvor noch so streitbaren Medianden? Ist es Magie oder ist es einfach nur die Kunst einer mediativen Verfahrensweise? Entscheiden Sie selbst. Die Anforderungen an eine Mediation und die Fertigkeit, die Medianden zu unterstützen, selbst eine eigene Lösung zu verhandeln, ergeben sich aus nur 3 wesentlichen Schritten, die der Mediator sukzessiv verfolgt. Jeder dieser Schritte verfolgt eine eigene Zielsetzung. Die Schritte des Mediators und seine
damit verbundenen Ziele sind:

1. Ich will alle Medianten verstehen
2. Ich will das Verstandene allen anderen Medianden vermitteln
3. Ich will das Vermittelte zwischen den Medianden verhandelbar machen

Es wird also deutlich, dass der Mediator einen Verstehensprozess unterstützt, der die Voraussetzung für die Verhandlung des Konfliktes, gegebenenfalls auch für die Neuverhandlung des Konfliktes darstellt. In dem 3-er Schritt verbergen sich alle Anforderungen und Techniken eines Mediationsverfahrens.

Sie sollen im Folgenden vorgestellt werden :

A1. Verstehen wollen und können

1. Schritt und Zielsetzug des Mediators: „Ich will alle Medianten verstehen.“

Verstehen, das ist gar nicht so einfach. Besonders dann, wenn es dem Mediator nicht nur darauf ankommt, die Sachfragen zu verstehen. Der Mediator interessiert sich besonders für die dahinter liegenden Bedürfnisse und Interessen. Den Medianden verstehen zu wollen bedeutet für den Mediator, Informationen so wahrzunehmen, dass sie der Wirklichkeit und Lebenserfahrung des Medianden entsprichen und nicht der Vorstellungswelt des Mediators. Der Mediator weiß, dass jedes Individuum ein eigenes Konstrukt von Wirklichkeit besitzt. Dieses Konstrukt stimmt nicht unbedingt mit dem Wirklichkeitskonstrukt eines anderen Individuums überein. Um die Wirklichkeit des Anderen zu verstehen, bedarf es einer Kommunikation, die folgende Anforderungen erfüllt :

• Es bedarf eines Gesprächs- und Verhandlungsklimas, in dem vertrauensvolle Gespräche mit streitenden Parteien möglich sind. (Der Mediator achtet auf ein ausreichendes Zeitfenster, weiterhin ein kommunikationsförderndes Setting, wie etwa die passende räumliche Ausstrahlung, die Authentizität des Gesagten , usw. )
• Es bedarf einer Zuwendung, die es erlaubt, den anderen so wahrzunehmen, wie er ist. Der andere Mensch und seine Geschichte muss vollständig akzeptiert und verstanden werden. Dazu ist nicht nur ein genauen Zuhören erforderlich, sondern auch eine Abstimmung, ob das Gesagte auch richtig verstanden wurde. (Der Mediator versteht sich auf das aktive Zuhören, er kennt die Schleife des Verstehens, kann paraphrasieren, verbalisieren, fragen,
visualisieren, synchronisieren und beherrscht noch weitere Kommunikationstechniken)
• Es bedarf der Kenntnis der Eigenwirkung. Der Mediator muss frei von eigenen Gedanken sein. Er muss seinen eigenen Einfluss erkennen und strukturelle Koppelungen verhindern. (Der Mediator hat sich einer Selbstanalyse unterzogen, er kennt sein eigenes Konfliktverhalten, weiß um seine Neutralität bzw. Allparteilichkeit und zeichnet sioch durch Empathie aus und der Bereitschaft, den Anderen so zu akzeptieren wie er ist und sich darstellt).
• Es bedarf einer Haltung, die den Menschen öffnet. Die emotionalen Befindlichkeiten sowie die Bedürfnisse sollen ansprechbar sein. (Der Mediator beherrscht das Paraphrasieren, Verbalisieren und das aktive Zuhören, das auch in diesem Zusammenhang wirksam ist. Er erliegt insbesondere keinem therapeutischen Übereifer, der die Medianten in pathologische Diagnosen zwängt)
• Es bedarf eines Wissens über Konflikte und konfliktorientiertes Verhalten und eines Wissens, wie Bedürfnisse bewusst gemacht werden (Der Mediator wendet offenes Fragen an und wiederum die Technikken des Paraphrasierens und des Verbalisieren. Er ist in der Lage, Tabus aufzulösen)
• Es bedarf einer Struktur, die den Beteiligten hilft, sich besser zu orientieren (Der Mediator schafft Transparenz., Er trennt die Sach- und Emotionsebenen, Kann mit „4 Ohren“ hören und mit „4 Schnäbeln“ sprechen. Er beherrscht weeitere Gesprächsregeln, weiß Anker zu setzen,und zu visualisieren)

A2. Das Verstandene vermitteln wollen und können

2. Schritt und Zielsetzung des Mediators: „Ich will das Verstandene vermitteln“.

Ohne eine Befugnis, den Fall zu entscheiden oder sonst auf das Ergebnis Einfluss zu nehmen, macht es keinen Sinn, den Mediator von irgend etwas zu überzeugen oder auf seine Seite zu ziehen. Der Zweck der Kommunikation erschöpft sich darin, von ihm verstanden zu werden. Indem der Mediator das Verstandene mit seinen eigenen Worten zurückmeldet, trägt er dazu bei, dass der Mediand sich selber besser versteht und seine oft im Verborgenen liegenden Interessen entdeckt. Andererseits vermittelt er der Gegenseite, was sich hinter den Äußerungen des Medianden verbirgt. Genau dieses umfassende Verstehen ist der erste wichtige Schritt, der eine Veränderung im Verhalten der Medianten bewirkt. Es kommt entscheidend darauf an, dass beide Seiten – trotz ihrer Betroffenheit und Parteilichkeit – verstehen, was gemeint ist.

Die Bedingungen einer derartigen Kommunikation sind:

• Es bedarf einer Haltung die es erlaubt, dass beide Seiten bereit sind, dem Mediator zuzuhören. (Der Mediator achtet auf Neutralität und Allparteilichkeit. Er bewirkt zunächst dass dier eine Seite sich selbst besser versteht. Dann hilft er der anderen seite sich zu verstehen. Erst wenn beide Seiten eine Selbstbehauptung abgegeben haben, wird der Blick auf die jeweils andere Seite ermöglicht. Diese Technik wird als Window I und Window II Technik bezeichnet)
• Es bedarf einer Informationsaufbereitung, die das Verstandene vermittelbar macht. Das Verstandene soll akzeptiert werden können (Der Mediator versteht es, Anschuldigungen positiv auszuwerten und negative Äußerungen positiv umzuformulieren, indem er das Positive herauszuhören vermag. Der Mediator beherrscht das Normalisieren)
• Es bedarf einer Zielorientierung die auf Konsens gerichtet ist. Angriffe sollen unschädlich sein. Wer sich Angriffen ausgeliefert fühlt, geht in die Verteidigungsposition, die einem Verstehenwollen im Wege steht. In einer friedlichen Atmosphäre verhandelt es sich leichter. (Der Mediator beherrscht das Ignorieren von abwertenden Äußerungen, ebenso wie das Wertschätzen. Er versteht e,s den Blick in die Zukunft zu ermöglichen. Er trennt die Sachebene von den Emotionen, stellt offene Fragen und erhellt die hinter den Positionen liegenden Interessen)
 

A3. Das Vermittelte verhandelbar machen

3. Schritt und Zielsetzung des Mediators: Ich will das Vermittelte verhandelbar machen

Das Ziel der Mediation ist noch nicht erreicht wenn die Medianten den Konflikt und die Zusammenhänge verstehen. Es geht um Lösungen. Die Aufgabe besteht also darin, Verhandlungen zwischen den Medianten (wieder) zu ermöglichen und eine Bereitschaft zum Konsens herzustellen. Dies ist eine Bedingung dafür, dass die Medianten selbst die Lösung ihres Problems erarbeiten. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen sind:

• Es bedarf einer Konsensbereitschaft (Der Mediator erwartet Freiwilligkeit der Teilnahme an der Mediation.
Er führt ein Bewusstsein über die Selbstverantwortung der Medianden herbei, fördert deren Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen, stärkt das Vertrauen in das Verfahren, und stellt eine Balance zwischen den Medianden her, die deren Unterwerfung verhindert)
• Es bedarf einer Übernahme von Verantwortung und Klarheit darüber, dass der Mediator nur die Verantwortung für das Verfahren übernimmt und nicht für das Ergebnis. Die Selbstsicherheit zu gewinnen oder wenigstens nicht zu verlieren ist ein ´wesentlicher Erfolgsgarant. (Der Mediator unterstützt Transparenz, Selbstverantwortung, Selbstvertrauen usw. )
• Es bedarf einer Strategie die das Verliererprinzip aufgibt und Verlustängste abbaut. (Der Mediator verfogt eine win-win Zielsetzung. Seine Strategieist die Erweiterung des Kuchens. Er hilft, Positionen abzubauen und versucht Positionsdenken aufzulösen. Er arbeitet nutzenorientiert und kann mit unterschiedlichen Wertvorstellungen der Parteien umgehen.)
• Es bedarf der Autonomie. Nur autonome Ansätze ergeben eine Lösung (Der Mediator stellt die Eigenverantwortlichkeit heraus, führt autonome von der gegenseite abgelöste Selbstbehauptungen herbei, hilft den Parteien ihre Abhängigkeit voneinander abzulösen. Er ermöglicht eine Entscheidung der Medianden, anstatt sie ihnen abzunehmen)
Wurden die drei Schritte und die sich dahinter verbergenen Zielsetzungen erfolgreich umgesetzt, haben die Medianden gelernt, sich und einander besser zu verstehen. Sie haben eine Einschätzung über den Konflikt und dessen Zusammenhänge. Meistens hat eine Versöhnung statt gefunden, wenigstens eine Akzeptanz der anderen Interessen. Es besteht ein erweitertes Spektrum, in dem Lösungen zu finden sind und eine erhöhte Bereitschaft, dies zu tun.
Mediation ist also keine Magie sondern nur eine auf Klärung statt Durchsetzung ausgerichtete Kommunikation. Es handelt sich um einen Prozess, der mit der Erkenntnis verbunden ist, dass selbstbestimmte und verhandelte Lösungen zu konstruktiven Ergebnissen führen.