Es ist Weihnachten. Gerade bekomme ich ein Mail das mich irritiert. Sehr schöne Worte aber was lösen sie aus? Der Weihnachtsgruß lautet: „Ich wollte es nicht versäumen, mich bei Dir zu bedanken! Danke, dass Du mir Dein Wissen hast zukommen lassen. Danke, dass Du so viel Geduld mit mir hattest. Danke, dass Du Deine Zeit investiert hast.“ … Das war zu dick.

Was soll ich davon halten, wenn sich der Dank auf nur ein Gespräch zurückführen lässt, für das ich mich selbst bedanken könnte. Ist es schon eine wertzuschätzende Geste wenn ich nur mit jemandem spreche? Muss ich mir bewusst sein, dass ich ihm damit etwas Gutes tue das seinen Dank verursachen könnte? Am Liebsten hätte ich ergänzt: „und danke dass Du auf der Welt bist“. Aber das wäre dann sarkastisch.

Ich beginne über „Danke“ nachzudenken. Was bedeutet das eigentlich? Danke, laut Wikipedia, bezeichnet Danke eine Höflichkeitsformel. Dank hingegen eine Haltung. Dankbarkeit wird erwiesen, wenn man von anderen Menschen etwas bekommen hat (Geld, Zuneigung, Wissen oder Gegenstand) und sich darüber freut. Es ist laut Wikipedia die Anerkennung empfangenen Wohlwollens und die Bereitschaft, es zu vergelten. Nun frage ich mich, wie wirkt die Danksagung wenn der Bedankte gar nicht das Gefühl hat irgendeinen Dank ausgelöst zu haben? Dann klingt wirkt der überschwenglische Dank nur noch wie eine Floskel. Sie erzeugt sogar eine innere Ablehnung. „Nett gemeint“ kommt dann dabei heraus.

Das Phänomen beobachte ich auch in anderen Bereichen. Wenn der Supervisor sich eine Wertschätzung herauskrampft überhöre ich sie schon, weil ich weiss, dass sie nur das Intro für die folgende Kritik darstellt. Honi soit qui mal y pense. Ich würde ihn anspornen: „Komm sag schon was Dir nicht gefallen hat“, weiß aber, dass damit auch wieder nur Diskussionen ausgelöst werden, die ich nicht wirklich brauche. Also ertrag ich die Lobhudelei als solche.

Auch wenn die Laier am Telefon abläuft „Hier ist Fa. sowieso, Frau sowieso am Apparat, was kann ich für Sie tun?“ stimmt es nicht immer gewogen. „Sagen Sie mir, wer Ihr Kommunikationstrainer war!“ möchte ich manchmal am liebsten antworten und erkenne, dass es mir lieber wäre, die Dame oder der Herr am Telefon würden einfach nur sagen was sie meinen. Gerne freunlich, wenn es freundlich gemeint ist.

Ein weiteres Beispiel hat mich beeindruckt. In einem Projekt gab es Streit. Ich war ein Aussenstehender, aber in den Mailverkehr eingebunden über das cc. Eines Abends fragte mich meine Kollegin: „Hast Du das böse Mail gesehen von dem anderen Kollegen?“ Ich hatte ein Mail gesehen aber ganz sicher kein böses. Deshalb bat ich mir das Mail weiterzuleiten. Am nächsten Morgen sprach mich ein Kollege auf das „böse Mail“ an. Weil ich verwundert war las ich mir das Mail nochmals genau durch. Es war nichts Böses daran zu erlennen. Der Kollege hatte alle seine Kritikpunkte nach den Regeln der Kunst vorgetragen. Zuerst die Wertschätzung, dann der Traum wie es sein könnte, dann die Hinterfragung der Veratnwortlichkeiten … Einfach klasse formuliert. Wie kann da was Böses dran sein? Mir wurde klar, dass die Betroffenen das Mail anders wahr genommen hatten als ich. Sie haben die tolle Formulierung überlesen. Sie fühlten sich sogar in ihrer Ablehnung bestätigt und gerechtfertigt.

Die Beispiele werfen mir die Frage auf, wozu also diese Formulierungskünste und das Schöngerede? Die Botschaft kommt doch trotzdem an. Das Problem ist also nicht die Formulierung, sondern die Absicht dahinter. Ich bedanke mich also für die erwiesene Dankbarkeit, denn die Absicht dahinter gefällt mir und die weiß ich sehr wohl zu wertschätzen.