Was halten die Politiker von der Mediation wirklich?

Ich beantworte diese Frage gleich am Anfang und werde dann versuchen, es zu beweisen. Die Antwort lautet:
Fast alle Nichts!

Wir Mediatoren wissen, dass es oft nicht ganz einfach ist, die wahren Gedanken und Absichten hinter dem zu erkennen, was uns unsere Medianden so erzählen. Manchmal gelingt das nur über Umwege und dadurch, dass man beachtet, was nicht gesagt wird oder worauf sich die Betroffenen nicht einlassen wollen.

Ein Paradebeispiel der Offenbarung ihrer wirklichen Einschätzung der Mediation haben die Politiker fast aller Parteien gestern im Bundestag geliefert.

Es geht um die „Neuregelung des Sorgerechts für nicht miteinander verheiratete Eltern“, die auf Grund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts notwendig wird. Dazu liegen zwei Anträge zur Gesetzgebung vor (das Gesetzgebungsverfahren befindet sich also sozusagen in einem Vorstadium)

Antrag der SPD: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/086/1708601.pdf
Antrag Die Linke: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/094/1709402.pdf

Die Problemlage wird gleich von der ersten Rednerin, Frau Christine Lamprecht (SPD), sehr klar und sachlich dargestellt: http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/17/17175.pdf (Protokoll links auf TOP 6 klicken, Seite 20692). Diese Debatte geht bis Seite 20701/20702 und endet damit, dass das Gesetzesvorhaben in die Ausschüsse verwiesen wurde.

In der Sache geht es darum, wie das Sorgerecht bei nicht verheirateten Paaren geregelt werden soll, sowohl, wenn diesbezüglich kein Streit herrscht, als auch (besonders) wenn dies streitig ist.

Für den streitigen Fall haben die Volksvertreter nur den kurzen Weg vom Jugendamt zum Gericht im Auge. Nur mit einer Ausnahme, nämlich vom Vertreter der LINKEN (Jörn Wunderlich) wird gefordert, dass vorher eine Mediation unbedingt stattfinden soll:

„Ganz wichtig ist – ich denke, darin sind wir uns einig –, dass eine Gerichtsentscheidung Ultima Ratio sein sollte. In der Regel gibt es vor Gericht immer Gewinner und Verlierer. Deshalb ist es wesentlich, dass vor einer
Gerichtsentscheidung versucht wird, eine Mediation durchzuführen. Man kann ja niemanden dazu zwingen, aber eine Mediation muss angeboten werden, um gerade
im Interesse des Kindeswohls nach Möglichkeit eine einvernehmliche Regelung der Eltern zu erzielen.“

Dazu kontert Thomas Silberhorn (CDU/CSU)

„… aber für den Streitfall, um den es hier geht, bieten Sie nicht mehr an als ein Mediationsverfahren und den Hinweis, dass im Übrigen der Rechtsweg offenstehe. Ja, was denn nun? Damit ist doch den Eltern nicht geholfen!
(Zwischenrufe:)
(Caren Marks

[SPD]: Mit dem Mediationsverfahren ist Eltern nicht geholfen? Also! – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Mit dem Mediationsverfahren nicht? Das höre ich zum ersten Mal!)

(Silberhorn weiter:) So sehen wir betroffen: Vorhang zu und alle Fragen offen.
Mehr kann ich zu Ihrem Entwurf nicht sagen.

Somit haben in dieser Debatte, wo es um ein Gesetz geht, das geradezu nach der Mediation schreit, lediglich 3 Abgeordnete das Wort Mediation in den Mund genommen.

Jörn Wunderlich LINKE), der die Mediation einfordert,
Caren Marks (SPD) die sie zwischenruft und
‚Thomas Silberhorn (CDU/CSU), der offensichtlich der Ansicht ist, dass die Mediation ein Pille Palle – Verfahren ist. Trotzdem ließ er es sich nicht nehmen und in der ersten und zweiten Lesung zum Mediationsgesetz eine Rede zu halten und zu sagen:

„So können ordentliche Gerichtsverfahren oft wenig Rücksicht auf
die Ursachen einer Streitigkeit und auf die Befindlichkeiten der Parteien nehmen.
In diesem Zusammenhang begrüße ich es, dass wir nun die Mediation in allen Formen – außergerichtlich, gerichtlich und gerichtsnah – auf eine neue rechtliche
Grundlage stellen.“

Ansonsten ließ er aber durchblicken, dass Streit nur mit Rechtsanwälte beigelegt werden kann.

Und der Rest? – Schweigen -!

Die Debatte als solche war geradezu ein Musterbeispiel an kontroverser, sachlicher Diskussion. Die parteipolitischen Seitenhiebe waren wirklich klitzeklein. So hätte ich mir die Debatte über das Mediationsgesetz gewünscht.

Wenn bei einem solchen Gesetz (und ich empfehle, sich einmal die Problemlage durch Nachlesen der Debatte klar zu machen) die Möglichkeit der Mediation von fast allen Abgeordneten noch nicht einmal ansatzweise ernsthaft in Erwägung gezogen wird, kann man davon ausgehen, dass die Masse der PolitikerInnen nichts von der Mediation hält. q.e.d..

Zum Schluss wurde die Sache an die Ausschüsse verwiesen, damit die Regierung einen Gesetzentwurf macht. Federführend wird dieses Mal das Familienministerium sein. Endlich! Da hätte schon das FGG-Reformgesetz, wo es hauptsächlich um das Verfahren in Familiensachen (FamFG) und das Gesetz zur Förderung der Mediation … (die Kernaufgabe der Mediation liegt im Familienbereich) ging und geht, hin gehört.

Jetzt ist also das Familienministerium dran, das sich bislang mit keinem Wort zur Mediation geäußert hat und Hoffnung keimt bei mir auf.

Anlässlich dieser Entwicklung möge Arthur Trossen, wenn er seinen SchülerInnen wieder damit droht, des Nächtens 😉 anzurufen, um die Prinzipien der Mediation abzufragen, darauf bestehen, dass dazu auch die Hoffnung gehört. 😉