Die „reine“ Mediation – eine Alternative zum Gerichtsverfahren

Die Mediation wird gerne als eine Alternative zum Gerichtsverfahren agesehen. Bei genauem Hinsehen ist sie es nicht. Zwar sind beide Verfahren insofern vergleichbar, als sie einen rechtsschöpfungsakt erzeugen. Im einen Fall meistens in der Form einer Gerichtsentscheidung, im anderen Fall stets als eine Vereinbarung. Das Ergebnis ist in beiden Fällen die Auflösung oder Bewältigung eines Konfliktes / Problems durch eine selbst- oder fremdbestimmte Regelung. Strategisch gesehen unterscheiden sich die beiden Verfahrenstypen.

Das Gerichtsverfahren unterliegt einem so genannten Nullsummenspiel. Hier gewinnt eine Partei auf Kosten der anderen Verliererpartei. Die zum Nullsummenspiel passende Strategie ist die Konfrontation.

Die Mediation ist ein Verfahren im Positivsummenspiel (kooperativer Wettbewerb). Hier wird angestrebt, dass beide Parteien Gewinner sind. Der Gewinn der einen Partei erfolgt deshalb nicht auf Kosten der Anderen.

Die Vorstellung, dass es zwei Gewinner geben kann, ist ungewohnt. Trotzdem gibt es Beispiele, dass und wie ein solches Ergebnis zu erzielen ist. Es gelingt, wenn man nach Lösungen sucht statt sie durchzusetzen. Damit wird ein gravierender Unterschied zwischen dem gerichtsverfahren un der Mediation deutlich. Während es im Gerichtsverfahren darum geht, Lösungen durchzusetzen, geht es in der Mediation darum, Lösungen zu finden.

Srategisch betrachtet ist es kaum möglich, von einer Konfrontation in eine Kooperation zu wechseln. Innerhalb einer Konfrontation würden Kooperationsangebote als Teil der Konfrontation angesehen werden. Das hindert ein offenes Gespräch, wie es für eine Kooperation notwendig wäre.Anders nur, wenn die Kooperation von der Konfrontation getrennt werden kann. Das ist einer der Gründe, warum die Mediation als ein isoliertes Verfahren ausgestaltet ist, das sich von dem Konfrontationsgeschehen deutlich ausgrenzen kann.

Um die Unterscheidung zur integrierten Mediation genau beschreiben zu können, führen wir den Begriff der „reinen“ Mediation ein. Die reine Mediation beschreibt das von der Konfrontation getrennte, isoliert ausgeführte Verfahren der Mediation.

Die Mediation ist ein Verfahren, bei dem ein neutraler Dritter die Parteien in einem vertraulichen (abgeschotteten) Verfahren darin unterstützt, selbst eine Lösung des Problems / Konfliktes zu finden. Damit dies möglich ist, bedarf es einer Veränderung im Denken der Parteien. Die notwendigen Erkenntnisschritte werden mit den Phasen der Mediation sehr gut beschrieben. Methodisch unterstützt der Mediator die Parteien, indem er zunächst versucht, das Problem und die jeweilige Sichtweise darauf zu  verstehen. Dann vermittelt er der Gegenseite, was er verstanden hat und umgekehrt. Erst nachdem beide Parteien in der Lage sind, die Sachlage aus einer Metasicht zu bewerten, kommt es zu Verhandlungen.

In einem Gerichtsverfahren beschränkt sich der Verstehensprozess auf Sachverhalte. In der Mediation bezieht er sich zwar auch auf den Sachverhalt. Allerdings relativiert die Mediation die unterschiedlichen Sichtweisen auf den Sachverhalt und bringt somit die Person der jeweiligen Partei ins Spiel. Obwohl auch die Mediation Person und Problem voneinander trennt, führt sie doch die ganzheitliche Sicht ein und würdigt die hinter dem Problem stehende Person, indem sie deren Sichtweisen und Befindlichkeiten offen legt. Es kommt zu einer Erweiterung des Gesichtskreises und somit zu einem größeren Lösungsangebot.

Viele Menschen glauben nicht, dass so eine Vorgehensweise im Konflikt möglich sei. Tatsächlich beweist die Erfahrung jedoch, dass es auch bei eskalierten Konflikten und besonders dann, wenn die Situation aussichtslos erscheint, durchaus möglich ist, konstruktive Lösungen zu finden, die beiden Parteien gerecht werden. Man muss es einfach erlebt haben. Dann weiß man dass es funktioniert.