Der Begriff „Divorce Management“ ist noch nicht etabliert. Sicherlich, im Rahmen meines Engagements für Mediation bin ich dem Begriff schon begegnet. Aber erst jetzt, wo ich mich intensiver für die Angelegenheiten des Financial Planning’s interessiere, fällt es mir wie Schuppen von den Augen:

Divorce Management ist die Ausrichtung für eine effiziente Scheidungsberatung.

Ganz besonders in wohlhabenden Familien aber auch bei Unternehmerehen besteht der Beratungsbedarf im Zusammenhang mit einer Trennung oder Scheidung nicht nur aus der RECHTSBERATUNG. Hier sind interessengerechte Lösungen gefragt, deren Erfolg ausschließlich aus der Sicht der Parteien beurteilt wird. Bei einer längerfristigen Betrachtung liegt der Fokus nicht auf der ZERSCHLAGUNG, sondern auf dem möglichen NEUANFANG.

Mediation als Basis

Die Idee ist nicht neu. Bereits die Bemühungen um Mediation kennt die Strategie der Herbeiführung einer interessengerechten Lösung. Leider lässt sich die Mediation bis heute nicht erwartungsgemäß vermarkten. Die Mediatoren haben genug Probleme, zu definieren, was Mediation überhaupt bedeutet. Ein neutraler Richter kann kein Mediator sein, ein Anwalt nur dann, wenn er die Interessenvertretung der Parteien ablehnt. Wer soll da noch durchblicken. Schade, denn Mediation deckt durchaus ein Bedürfnis der Rechtssuchenden. Diese haben nämlich inzwischen gelernt, dass die juristische, auf Sieg und Niederlage ausgerichtete, Streitbeendigung nicht immer deckungsgleich mit einer dauerhaften Konfliktlösung ist. Dies gilt besonders dann, wenn der Konflikt zweier Parteien sich – wie für Familienzwistigkeiten typisch – über einen längeren Zeitraum erstreckt. Dort zeigt es sich, dass die gewonnene Schlacht in der langfristigen Sicht nicht gleichbedeutend mit dem gewonnenen Krieg ist. Wir haben gelernt, dass es im Krieg keine Gewinner gibt. Offensichtlich glauben wir nicht an das Gelernte.

Um die ewigen Diskussionen über die Frage „Wer ist Mediator?“, „Was darf der Mediator?“ abzugrenzen und endlich eine praxisnahe Anwendung zu erreichen, wurden mediative Strategien in Gerichtsverfahren integriert. Es kam zur Begründung des „Altenkirchener Modells“ einer Musteranwendung für INTEGRIERTE MEDIATION. Diese Form der Mediation wird nicht über das Verfahren, sondern über die final ausgerichtete Methode definiert.

Ebenso wie die Mediation geht die Integrierte Mediation davon aus, dass sich das Ziel einer (echten) Konfliktlösung in dem parteigerechten Interessenausgleich finden lässt. Nicht die Vernichtung des Gegners bringt den Sieg, sondern die Herbeiführung eines parteidefinierten Interessenausgleichs. Die integrierte Mediation erkennt eine Zeitdynamik und die sich im Laufe des Konfliktes verändernden Positionen, Einstellungen und Emotionen. Demzufolge definiert sich die integrierte Mediation nicht als ein kompaktes Verfahren, das sich nach wenigen Sitzungen beenden lässt, sondern eher als ein Konfliktsteuerungsprogramm, das auf der METAEBENE ansetzt und die Leistungen der konventionellen Beratung nicht nur zu akzeptieren weiß, sondern auch nutzbar macht.

Nach der Erfahrung des „Altenkirchener Modells“ läßt sich die integrierte Mediation besser vermarkten, als die in Deutschland allzu akademisch geratene Mediation. Warum ist das so?

Die integrierte Mediation koordiniert bestehende und den Parteien bekannte Strategien. Sie versucht, den Parteien ein größeres Spektrum an Lösungsmöglichkeiten zu geben, ohne diese als besser oder schlechter zu bewerten. Weil die integrierte Mediation ihren Ansatzpunkt auf der Metaebene findet, wo alle an der Streitbewältigung beteiligten Instanzen einbezogen werden, ist sie in jedem Fall effektiver als jedes, sich von konkurrierenden Modellen abgrenzende, solitäre Verfahren.

Was hat das alles mit Divorce Management zu tun?

Diese Frage beantwortet sich, wenn man sich damit vertraut macht, wie komplex eine Scheidung ist.

Komplexität der Scheidung

Eine Scheidung (im hier verstandenen Sinn) betrifft nicht lediglich die Ehesache (also die bloße Frage nach dem Bestand der Ehe). Regelungsbedürftig sind vielmehr alle davon abhängigen Bereiche:

Wir erkennen drei polarisierende Ebenen: die juristische, die wirtschaftliche und die psychisch-soziale (emotionelle) Ebene.

Juristische Ebene

Bereits die rechtliche Ebene weist eine kaum durchschaubare Komplexität an denkbaren Sachverhalten auf. Juristisch gesehen bewirkt die Scheidung keine Vermögensnachfolge. Scheidung ist die Beendigung einer Ehe (eines Ehevertrages) mit der daran anschließenden Vermögensauseinandersetzung bei Aufrechterhaltung bestimmter, postvertraglicher Verpflichtungen (wie z.B. die weiterreichende Unterhaltspflicht). Das Recht plant die Zerschlagung. Regelungen werden in folgenden Rechtsgebieten gefunden:

Unterhalt……………………….. Differenziert werden Kindesunterhalt und Ehegattenunterhalt, letztere werden wiederum unterschieden nach Getrenntlebenunterhalt und Geschiedenenunterhalt. Es geht jeweils um die Verurteilung zur Zahlung einer laufenden, monatlichen Rente.

Eheliches Güterrecht………. Wir differenzieren zwischen Gütertrennung, Gütergemeinschaft und Zugewinngemeinschaft. Im letzteren Fall wird eine Verurteilung zur sofort fälligen Zahlung (1/2 des Vermögensüberschusses) angestrebt.

Altersversorgung……………. Wir differenzieren zwischen dem gesetzlichen und dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich. Es wird die Aufteilung des 1/2 – Rentenüberschusses durch Teilung der Renten angestrebt.

Elterliche Sorge……………… Angestrebt wird die Übertragung des Sorgerechts auf einen der Elternteile.

Umgangsrecht……………….. Angestrebt wird die zwangsweise Einräumung eines Umgangs mit dem gemeinsamen Kind.

Hausrat…………………………. Es geht um die Verteilung der gemeinsam genutzten Gegenstände, einschließlich der Ehewohnung.

Juristisch gesehen kommt den einzelnen Bereichen durchaus ein Eigenleben zu. So werden Einzelregelungen (z.B. im Unterhalt) ohne Rücksicht auf emotionale oder wirtschaftliche Bedingungen getroffen.

Wirtschaftliche Ebene

Alle im Zusammenhang mit der Scheidung angesprochenen rechtlichen Sachverhalte haben eine wirtschaftliche Entsprechung.

Unterhalt……………………….. Es geht um laufende Zahlungen des sozial stärkeren Ehepartners an den sozial schwächer gestellten Partner. Der wirtschaftliche Bezug ist also die gegenwartsbezogene Absicherung des Partners bzw. die Erhaltung des familiären Wohlstandes. Es ergeben sich Auswirkungen auf das Einkommen.

Zugewinn………………………. Es geht um die Auseinandersetzung (Verteilung) des gemeinsam erwirtschafteten Vermögens. Der wirtschaftliche Bezug ist also der ehezeitbezogene, verganganheitsorientierte Vermögensausgleich. Es ergeben sich Auswirkungen auf das Vermögen.

Altersvorsorge……………….. Es geht um den Ausgleich eines Versorgungsnachteils beim anderen Partner. Der wirtschaftliche Bezug ist also der zukunftsorientierte Vorsorgeertrag. Es ergeben sich Auswirkungen auf die Altersversorgung.

Elterliche Sorge……………… Wer das Sorgerecht hat, muß nicht arbeiten gehen (je nach dem Alter der Kinder).

Umgangsrecht……………….. Wenn die Umgangshäufigkeit zur Bedarfsdeckung führt, verringert sich der Unterhaltsanspruch.

Emotionale Ebene

Spätestens seit Watzlawik wissen wir, dass die Kommunikation immer eine maßgebliche emotionelle Komponente besitzt. Gerade während der Trennung werden die Emotionen der Parteien bestimmend für deren Handlungen und Entscheidungen. Die Emotionen bestimmen den Konfliktverlauf. Im Rahmen des „Altenkirchener Modells“ wurden folgende Entsprechungen aufgedeckt:

Unterhalt……………………….. Es geht um die wirtschaftliche Abhängigkeit eines Ehegatten vom Anderen. Der sozial stärkere Ehegatte zeigt seine Überlegenheit, indem er die Höhe der (freiwilligen) Zahlungen bestimmt. Der betroffene Ehegatte steuert die Zahlungspflicht des anderen durch den Grad seiner Bedürftigkeit. Beide Parteien haben es in der Hand, den Grad der Abhängigkeit selbst zu definieren.

Zugewinn………………………. Die Geltendmachung von Zugewinn erfolgt über eine Vermögenssaldierung. Die Höhe der geltend gemachten Ansprüche ist oft umgekehrt proportional zur Zufriedenheit der Ehegatten. Je unzufridener der bedürftige Gatte, desto höher sind seine Geldforderungen.

Altersvorsorge……………….. Es geht um die Frage der eigenen Versorgungsfähigkeit. Diese Fähigkeit repräsentiert den Status der individuellen, wirtschaftlichen Absicherung (Sorglosigkeit).

elterliche Sorge………………. Sorgerechtsansprüche werden oft als Reaktion auf die Einstellung oder Reduktion von Unterhaltszahlungen geltend gemacht.

Umgangsrecht……………….. wie vor.

Hausrat…………………………. Die Verwendbarkeit des Hausrats und der Ehewohnung repräsentiert die konservativen Emotionen abhängig von der Wirtschaftskraft.

Dimension „Zeit“

Der Umgang mit „Scheidung“ muss besonders die Dynamik einer zeitlichen Komponente beachten. Sowohl die emotionelle wie auch die wirtschaftliche Situation ist keinesfalls als statisch zu betrachten. Hier gibt es phasenabhängige Veränderungen, die sich in den nachfolgend beschriebenen Zeitintervallen typisieren lassen:

1. Zeitraum: Eheschließung – Trennung (Status: verheiratet, intakte Ehe):

Bestimmend sind Emotionen des Aufbaus, der Stabilisierung. Dementsprechend ist die wirtschaftliche Ausrichtung auf vermögensbildende Strategien gerichtet.

2. Zeitraum: Trennung – Scheidung (Status: getrennt lebend)

Vor dem Hintergrund emotioneller Depression, Auseinandersetzung und Zerschlagung erleben die Parteien auch den wirtschaftlichen Zusammenbruch (oder zumindest die Reduktion). Der Schwerpunkt der Einkommensverwendung liegt jetzt in der zumeist titulierten Unterhaltsleistung.

3. Zeitraum Scheidung – Selbstversorgung (Status: geschieden)

Die Parteien lernen, sich auf die neue Situation einzustellen. Es beginnt die Phase der Konsolidierung und Neuausrichtung.

4. Zeitraum von Selbstversorgung – Rentenfall (Status: geschieden)

Mit der beginnenden Unabhängigkeit des bedürftigen Ehegatten, erhöht sich die Leistungsfähigkeit beider Parteien. Diese Phase entspricht auch emotionell einem Neuanfang, verbunden mit der Wiedererlangung der (vollen) Wirtschaftskraft.

Konsequenzen für Berater

Eine Kenntnis der Mechanismen und Zusammenhänge auf dem rechtlichen, wirtschaftlichen und psychosozialen Bereich erhöht die Beratungsqualität (interdisziplinäre Kompetenz). Ziel ist stets eine Gesamtlösung. Die Entscheidung einzelner Fragen wird stets im Lichte der Gesamtlösung bewertet. Das nunmehr beachtenswerte Zusammenspiel aller Kräfte lässt uns erkennen:

Scheidung ist mehr als nur Rechtsberatung.
Scheidung erfordert ein (Konflikt-) Management.

Nicht die juristische Analyse einer Situation sondern die an „win-win“ Prinzipien ausgerichtete, individuelle Zielsetzung der Parteien bestimmt die anzuwendende Strategie. Die Beratungskompetenz umfasst dabei alle Bereiche.

Es ist aber nicht allein das Wissen um die rechtlichen, wirtschaftlichen und psychosozialen Begebenheiten. Vielmehr bedarf es auch der Kenntnis von Strategien (etwa der integrierten Mediation) wie die Parteien die für sie maßgeblichen, interessengerechten Lösungen aufspüren und umsetzen können. Hier bedarf es einer zusätzlichen Umsetzungs- und Abwicklungskompetenz, die in dieser Komplexität derzeit noch nicht angeboten wird.

Erst dann, wenn die interdisziplinäre Beratungs-, Umsetzungs- und Abwicklungskompetenz zusammen angeboten werden, kann den ratsuchenden Parteien eine Gewähr für optimierte Lösungen nach einer Scheidung gegeben werden. Erst jetzt werden individuelle Umsetzungen möglich.