In den letzen Jahren haben sich die Bemühungen um eine außergerichtliche Streitbeilegung dergestalt verändert, dass solche Lösungen zunehmend gewünscht werden.

Anlass hierzu war aber nicht zunächst eine Veränderung in der Streitkultur, vielmehr haben äußere Zwänge die Notwendigkeit eröffnet, nach alternativen Verfahren Ausschau zu halten:

Steigende Anzahl von Gerichtsverfahren bei sinkenden Richterzahlen

Verteuerung der Prozesse, Zunehmende Länge der Verfahrensdauer u.w.

So haben wir nun die Situation, dass ein zum Streit-Anwalt ausgearbeitetes Heer von Rechtsanwälten und Richter, die aus Zeitnot einen „Hauptsache- Dass- Kompromiss “, versuchen sollen, die Art ihrer Bearbeitung auch noch „ mediativ “ zu erbringen haben sollen.

Dabei herrscht bis heute noch nicht einmal eine gängige Meinung darüber vor, was eine solche „Mediation“ eigentlich ist. Gerne verwechselt mit Schlichtung oder Schiedsverfahren.

Es soll auf jeden Fall billiger sein, schneller, parteigerechter, interessengerechter als althergebrachte Methoden!!

Niemand scheint sich zu fragen, wie das gelingen soll!

Das Verhandeln selbst ist von alters her Aufgabe und Bestimmung des Rechtsanwaltes.

Aber seine Definition bestimmt ihn zudem zum Parteivertreter, damit zu einer Streitpartei!

Verstößt er hiergegen, so ist sehr schnell der Vorwurf des Interessenverrates da.

Mit für den tätigen Rechtsanwalt äußerst üblen Folgen, bis hin zum Verlust seiner Zulassung.

(siehe Anmerkung am Ende des Textes)

Und der Richter- nach seiner Definition dem objektiv geltenden Recht verpflichtet -soll nun plötzlich mit „mediativen Arbeitsmitteln“ versuchen, eine Einigung vor Gericht zu forcieren.

Das ist, als wolle man einem Chirurgen nunmehr die Aufgabe zuweisen, den Blinddarm zunächst mit homöopathischen Mitteln zu bekämpfen – selbstredend ohne eine Grundausbildung in der Homöopathie.

Wohl merkend, dass hier eine Schieflage entsteht, wird nun weiter versucht, sich aus der Zwickmühle zu befreien, indem man Mediation einfach anders definiert:

-schlichtendes Verhandeln

-Bedarf an Schlichtung

-kooperatives Verhandeln

-interessengerechtes Verhandeln u.w.

– mediatives Verhandeln u.v.m.

Die Aufgabe des Mediators ist aber ein ganzheitliches – die rechtliche und menschliche Situation beider Parteien – würdigendes Verfahren zu initiieren und zu leiten.

Dies kann dann Aufgabe eines Richters sein, wenn er eine entsprechende Grundausbildung erfahren durfte.

Natürlich sind alle Menschen mit menschlichen Problemen vertraut, dies allein macht sie jedoch nicht zum Experten, die menschlichen Probleme anderer diesen angemessen zu bearbeiten.

Das mag so gewesen sein zu Zeiten der altbekannten Rechtsexperten wie Cicero, Cäsar oder Sokrates.

Dort jedoch umfasste die Ausbildung selbstverständlich auch die Philosophie und Psychologie, ganzheitliches Denken war die Regel, ebenso wie die persönliche Grundausbildung neben der juristischen. Daher war der Umgang mit Wertmaßstäben, verschiedenen Gerechtigkeitsauffassungen , verschiedenen Wahrheiten selbstverständlich.

Damals jedoch war der Umfang der gesetzlichen Bestimmungen auf ein Minimum reduziert im Vergleich zu dem, was wir in heutiger Zeit als Juristen nicht nur beherrschen, sondern auch noch vorprognostizieren können sollen.

Damals hatte der Richter auch noch nicht 500 oder 600 Streitfälle in einem Jahr zu bearbeiten!

Wie soll ein Richter, der nur ein äußerst begrenztes Zeitkontingent pro Fall zur Verfügung hat, denn hierbei noch ausloten, welche tatsächliche persönliche Situation der Parteien dem Rechtsstreit zu Grunde liegt? Und wie will er ohne eine solche Kenntnis den Parteien zu eigenautonomen und eigenverantwortlichen Lösungen verhelfen?

Nein, was hier zu Lande just im Moment geschieht, ist deutscher Über-Perfektionismus:

Niemand will, dass Mediation nunmehr alle gerichtlichen Verfahren ersetzen sollte. Dies ginge auch gar nicht.

Auch ein Beinbruch lässt sich schwerlich mit Bach-Blüten heilen!

Niemand will, dass nunmehr die Rechtsanwälte arbeitslos werden – was auch unsinnig wäre:

Er ist der Fach-Mensch zur Bearbeitung der konkreten Rechtssituation mit den hierfür geeigneten Mitteln, abgestellt auf die Position seines Klienten, die es bestmöglich zu vertreten gilt.

Er kann auch verhandelnd tätig sein, nach seiner Grunddefinition jedoch zum Wohle seines Klienten, nicht zum Wohle der möglichst friedlichen Beilegung eines Konflikts (was auch immer das sein mag).

Bei uns geht man nun so weit, dass man den Rechtsanwalt auch noch gleich zum Konflikt-manager machen will.

(Wohin das führt sieht man bei den politisch – entsandten „Schlichtern“ ja immer wieder).

 

Ich als Anwalt soll also nach meinem Grundauftrag nicht nur die rechtliche Situation meines Klienten bestmöglich nach geltendem Recht zu seinem Vorteil nutzen, sondern darüber hinaus die Interessen der Gegenseite würdigen und einbeziehen zur schnellen und interessengerechten Bereinigung des Konflikts?!

Hier scheint eine gründliche Verwechslung und Vermischung vorzuliegen bezüglich dem Berufsbild des Rechtsanwaltes, des Richters, des vollausgebildeten Juristen, des Konflikt-managers.

Und dies führt die sogenannten alternativen „Streitschlichtungsverfahren“ per se ad absurdum.

Eine Schlichtung ist keine Mediation und soll es auch gar nicht sein. Und eine Mediation ist nicht das „Konflikt-Management“ und soll es auch gar nicht sein.

Das einfache Verhandeln, das streitige Verhandeln, das schlichtende Verhandeln, die Schlichtung, das Schiedsverfahren und die Mediation sind lediglich Instrumente des Konflikt-Managements, und letztlich zählt auch das Gerichtsverfahren hierzu.

Um erneut einen Vergleich zu Gesundheitspflege zu bringen:

Mensch benötigt den Hausarzt für das allgemeine Gesundheitsbild und je nach Art der Erkrankung den Hompöopathen, den Facharzt physisch oder psychisch bis hin zum Chirurgen.

Hierbei kann nicht der eine den anderen ersetzen, notwendig ist vielmehr die Ergänzung um die Elemente eines Berufsstandes, den der andere per definitionem nicht beinhaltet, und dies je nach Art der Erkrankung.

Die wirkliche Herausforderung besteht darin herauszufinden, wo wann was erforderlich ist, um eine möglichst optimale Bearbeitung des konkreten Falls zugunsten der hieran beteiligten Personen zu erlangen.

Hierfür sind Netze erforderlich, die nicht nach althergebrachtem Muster zusammenwirken, sondern nach einer umfassenden Gesamt – Analyse den Bereich einer Bearbeitung zu zuführen, der tatsächlich zur Bearbeitung ansteht, unter Berücksichtigung der Interessenlage der Parteien. Und diese darf nicht nur ein harmonisches Ergebnis oder der Konsens sein, sondern muss auch Zeit-Nutzen-Kosten. Analysen beinhalten.

Hier sind wir nun wohl an des tatsächlichen Pudels Kern angelangt:

Viele Ängste vor Honorarausfällen auf allen Seiten.

 

 

 

Ein Problem, das in anderen Nationen nicht mit dieser Verbissenheit betrachtet wird. Und das hat – meines Erachtens – einen Hintergrund:

In unserem Land ist die normale Gebührenforderung des Rechtsanwaltes in der Basis noch immer die Abrechnung über die Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung, deren Aktualisie-

rung an die vorhandene Marktsituation ihrer Zeit immer Jahre hinterher hinkt – ähnlich wie die Anpassung der Richtergehälter.

Als dieses Konzept verfasst wurde, war die Rolle des Anwaltes so wie auch die des Richters klar definiert: es gab ein rechtliches Problem zu lösen, das auf einem bestimmten Sachverhalt beruhte.

Verlangt waren somit fundierte Rechtskenntnisse und eine klare Sachverhaltsaufklärung. Das sind auch die Instrumente, die in der Grundausbildung gelehrt werden.

Fragen wie:

  • ist diese Lösung für beide fair unter Berücksichtigung der zwischenmenschlichen Beziehung der Beteiligten,
  • ist dies in diesem Fall für beide gerecht,
  • entspricht dies dem Gerechtigkeitsempfinden der Parteien,
  • entspricht dies dem Lebensbild der Parteien,
  • haben die Parteien dies in einem ausgewogenen Verfahren eigenverantwortlich für sich erarbeiten können

sind nicht diejenigen, die in ein solches Verfahren gehören. Aber genau das sind die Kernfragen im Rahmen einer Mediation. UUnd in der Bandbreite dazwischen siedeln sich alle anderen alternativen Konflilktlösungsmodelle an.

 

Diese Themen sind aber nicht „ en – passent “ in einem Verfahren zu erarbeiten, dessen Kernfragen auf den juristisch zu beurteilenden, beweisbaren Sachverhalt abzielen. Und schon gar nicht kann so etwas ohne zusätzliche Ausbildung, zusätzliches Wissen geleistet werden, es sei denn, man implementiert gleich einem selbsternannten „Seher“ die eigene Lebenserfahrung in die der Parteien. Dann aber mutiert die Verhandlung vor Gericht von einer Sach-Verhandlung zu einer Prognose über das vermutlich Beste- nach wessen Maßstab?

Rechtsklarheit und Rechtswahrheit führen zur Rechtssicherheit und damit auch zur Stabilität eines Rechtssystems.

Wenn aber nicht einmal mehr die dort agierenden Personen – die Rechtsanwälte und Richter- sich in ihrer Grundaufgabe zuordnen können, kann es der juristische Laie erst recht nicht mehr.

Dann werden gerichtlich erzielte Abschlüsse zu Entscheidungen, die so nachvollziehbar sind wie die Prognosen eines Kartenlegers.

Das haben wir Juristen, gleich welcher Couleur, nicht verdient.

 

 

 

Und darum müssen wir gemeinsam versuchen, möglichst klar und deutlich stellen, wer wir wo in welcher Funktion sind und was wir in dieser Funktion leisten können – und uns auch nicht davor scheuen, hierfür eine angemessene Gegenleistung zu verlangen.

Dass werden wir dann sicher nicht schaffen, wenn wir uns mit dem Argument „teurer und streit – eskalierender Jurist“, reuevoll bemühen, immer mehr kostenfreie scheinbare „Zusatz-Dienstleistungen“ anzubieten, um uns gegenseitig in „Billigkeit“ zu unterbieten.

Jeder potentielle Klient, egal in welchem Sektor, weiß, dass eine Leistung eine angemessene Gegenleistung braucht und ist auch bereit diese zu erbringen. Aber zunächst müssen wir erst einmal deutlich stellen, was wir überhaupt tun mit welcher Haltung.

Solange nicht einmal wir genau wissen, was letztlich unsere Aufgabe ist – wie soll es der Klient tun?

Nachtrag zur Definition der Aufgabe des Rechtsanwaltes, 02.07.2008:

Freiheit der Berufsausübung – Auszug aus der BORA

§ 1 Freiheit der Advokatur

(1) Der Rechtsanwalt übt seinen Beruf frei, selbstbestimmt und unreglementiert aus,

soweit Gesetz oder Berufsordnung ihn nicht besonders verpflichten.

(2) Die Freiheitsrechte des Rechtsanwalts gewährleisten die Teilhabe des Bürgers am Recht. Seine Tätigkeit dient der Verwirklichung des Rechtsstaats.

(3) Als unabhängiger Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten hat der Rechtsanwalt seine Mandanten vor Rechtsverlusten zu schützen, rechtsgestaltend, konfliktvermeidend und streitschlichtend zu begleiten, vor Fehlentscheidungen durch

Gerichte und Behörden zu bewahren und gegen verfassungswidrige Beeinträchtigung

und staatliche Machtüberschreitung zu sichern.

§ 3 Widerstreitende Interessen, Versagung der Berufstätigkeit

(1) Der Rechtsanwalt darf nicht tätig werden, wenn er eine andere Partei in derselben

Rechtssache im widerstreitenden Interesse bereits beraten oder vertreten hat oder mit

dieser Rechtssache in sonstiger Weise im Sinne der §§ 45, 46

Bundesrechtsanwaltsordnung beruflich befasst war.

(2) Das Verbot des Abs. 1 gilt auch für alle mit ihm in derselben Berufsausübungs- oder

Bürogemeinschaft gleich welcher Rechts- oder Organisationsform verbundenen

Rechtsanwälte. Satz 1 gilt nicht, wenn sich im Einzelfall die betroffenen Mandanten in

den widerstreitenden Mandaten nach umfassender Information mit der Vertretung

ausdrücklich einverstanden erklärt haben und Belange der Rechtspflege nicht

entgegenstehen. Information und Einverständniserklärung sollen in Textform erfolgen.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für den Fall, dass der Rechtsanwalt von einer

Berufsausübungs- oder Bürogemeinschaft zu einer anderen Berufsausübungs- oder

Bürogemeinschaft wechselt.

(4) Wer erkennt, dass er entgegen den Absätzen 1 bis 3 tätig ist, hat unverzüglich

seinen Mandanten davon zu unterrichten und alle Mandate in derselben Rechtssache

zu beenden.

(5) Die vorstehenden Regelungen lassen die Verpflichtung zur Verschwiegenheit

unberührt.