Arbil in Kurdistan-Irak

ADR Conference. Efficient conflict resolution in civil trade and family cases

So lautete der ausgeschriebene Titel einer 2-Tageskonferenz in Arbil. Die Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit e.V. in Bonn, kurz IRZ genannt, hatte die Konferenz ermöglicht. Es war ein erster Austausch über Erfahrungen der außergerichtlichen Streitbeilegung mit dem Irak. Am 9. und 10. Februar reisten die deutschen Experten der Mission und die Referenten der Konferenz, Prof. Dr. Frank Diedrich, Dr. Reiner Ponschab und Arthur Trossen, zur ETTC in Arbil, wo die Konferenz statt fand.


Die Veranstaltung dieser Konferenz war ein erster bedeutsamer Schritt, ein behutsames Kennenlernen. Sie ermöglichte vorsichtige Berührungen der Iraker mit der Mediation. Sie war ein erster, ganz sicher auch ein nachhaltiger Kontakt. Ihr Impuls war aber noch lange nicht stark genug, um den Virus der Mediation zur Ausbreitung zu bringen. Er war jedoch groß genug, um ein deutliches Interesse auf mehr Informationen über Mediation zu wecken. Obwohl die Konferenz ursprünglich für alle irakischen Rechtsanwälte, Richter, Konfliktmanager (Schiedsmänner), Berufskammervertreter usw. ausgelegt sein sollte, beschränkte sie sich – nicht zuletzt auch aus Sicherheitsgründen – zunächst auf die kurdischen Rechtsanwälte. Um schiitische und sunnitische Juristen zu erreichen wird es weitere Konferenzen erfordern. auch wollen die Richter nicht ohne weiteres an einem Seminar teilnehmen, in dem sie sich kollegial zu Rechtsanwälten stellen würden. Zu groß ist der Abgrenzungsbedarf der einzelnen Berufs- und Bevölkerungsgruppen. Wenn es Mediatoren innerhalb der einzelnen Berufsgruppen geben wird, ist deren Zusammenführung in einer einheitlichen Konferenz unproblematisch.

Während unserer Konferenz am 9. und 10 Februar in Arbil bei 20 Grad und Sonnenschein. Zu gleicher Zeit sind die Temperaturen in Deutschland auf –6 Grad gefallen. „Wir sind gekommen, um zu lernen!“ Das war die Devise der deutschen Experten. Mit Vorträgen und Übungen verdeutlichten wir die ADR Verfahren in Europa. Einen Überblick über die ADR in Kurdistan-Irak bzw. im Irak gaben die Referenten der irakischen Kollegen, Richter Sardar Yassen H. Amin und Rechtsanwalt Zuber Alhaj Sadec. Ihre Ausführungen sind in die vorangestellte Darstellung mit eingeflossen.

Kurdistan ist ein im Aufbau befindlicher Staat. Er ist auf eine funktionierende Justiz dringend angewiesen. Eine Justiz, die sich der Macht der Klane zu entziehen mag, die sich modernen Gesellschaftsformen zu öffnen vermag und vor allem unabhängig ist. Die ADR kommt gerade zur rechten Zeit. Mit ihr kommt – über kurz oder lang – auch die Mediation. Sie wird im Irak ein eigenes Bild erhalten. Einerseits wird sie an die vorhandenen Traditionen und Rituale anzuknüpfen haben. Andererseits muss sie sich auf internationale Standards einlassen und Traditionen in Frage stellen können. Zur Förderung einer eigenverantwortlichen Konfliktlösung bedarf es eines Umdenkens in der Bevölkerung. Um eine Demokratie aufbauen zu können, müssten die Menschen lernen, dass nicht allein die Ansässigkeit in einer Region oder die Zugehörigkeit zu einer Familie oder einem Klan ausschlaggebend ist für das eigene Handeln, sondern die auf individuellen Bedürfnissen beruhende eigene Entscheidung. Nicht zu unterschätzen ist der Einfluss, den die Irak-Rückkehrer auf den Prozess einer gesellschaftlichen Angleichung nehmen können. Ähnlich dem Oberbürgermeister von Arbil, der mehr als 20 Jahre in Deutschland gelebt hat, gibt es viele Kurden, die sich an ein demokratisches Leben gewöhnen konnten, ehe sie in ihre Heimat zurückkehren. Die Förderung der ADR gäbe auch den Rückkehrern eine verlässlichere Grundlage für Auseinandersetzungen unter Abwägung der ihnen vertrauten Werte.

Auf Mediation sind wir nicht gestoßen im Irak. Mediatoren haben wir  auch keine angetroffen. Die Mediation ist als Teil eines Prozesses des Umdenkens gut vorstellbar. Ihr denknotwendiger Umgang mit der Bedeutung von Machtbalance und dem Verständnis von Gerechtigkeit als Harmonie, auch ihre Einstellung zur Unabhängigkeit und Autonomie käme allen Bürgern der autonomen Region Kurdistan-Irak sicher gelegen – auch der Kurdistan-Irakischen Justiz. Die Bereitschaft, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen, war wenigstens unter den Teilnehmern der Konferenz deutlich spürbar. Es war auffällig wie entspannt und offen wir uns dort begegneten konnten. Themen wie Gerechtigkeit, Macht und Unabhängigkeit, das Verhältnis von Gerichtsentscheidung und Religion, die Stellung der Rechtsanwälte, und die Wahrung der Menschenrechte konnten völlig frei angesprochen werden. Das letzte was ich auf der Reise nach Kurdistan-Irak zu lernen hatte war die Erkenntnis, wie unterschiedlich wir Menschen sind und doch so ähnlich. Die Konferenz hat uns gut gefallen.

Unsere Diskussionspartner zeigten sich sehr interessiert – oder war dies nur der uns verborgene Ausdruck ihrer traditionellen Gastfreundschaft, die den Kurden auch dann nachsagt wird, wenn es sich um ungebetene Gäste handelt?