Dies ist der Vortrag von Iris Berger auf dem Kongress „Mediation richten“ 2008 in Koblenz. Es geht um die Autonomie …

Meine sehr geehrte Damen und Herren,

der Titel meines Initialisierungsvortrages lautet: Mediation und Autonomie.

Zunächst einmal: Was ist ein Initialisierungsvortrag?

Liest man in den gängigen Definitionen unter „Initialisierung“ nach, so versteht man darunter in der heutigen Zeit den Teil des Ladevorganges eines Computerprogramms, in dem der zur Ausführung benötigte Speicherplatz für das Programm reserviert und mit Startwerten gefüllt wird.

In diesem Sinne ist es mir ein Anliegen, für die sich an diesen Programmpunkt anschließende Diskussionsrunde Inputs zu geben sowohl zu der Autonomie innerhalb der Mediation, wie auch Thesen und Fragen mit hoffentlich ausreichendem Zündstoff zu formulieren, die wir dann in der anschließenden Diskussion näher beleuchten können.

Auf dem Mediationskongress im vergangenen Jahr habe ich mich mit der Frage auseinandergesetzt, welche unterschiedlichen Ausbildungsformen die Mediation in der Zwischenzeit erfahren hat. Hierbei auch mit der Frage, wie hilfreich es ist, eine Vielzahl unterschiedlicher Mediationsfachrichtungen zu erschaffen, damit letztlich dasselbe zu tun, was wir zumindest im rechtlichen Bereich in den letzten Jahrhunderten auch vollzogen haben. Allerdings ohne ein klare Abgrenzung, worin nun wirklich die Unterschiede der einzelnen Mediationsarten zu finden sind.

Und so stehen wir heute vor der Situation, dass der Mediationsinteressierte sich von einer Vielzahl von unterschiedlichsten Mediationen umgeben sieht, um in diesem Geflecht den spezialisierten Spezialisten in Mediationen für sein spezielles Verfahren zu finden.

Bereits im letzten Jahr haben wir darüber gesprochen, dass dies dem ursprünglichen Gedanken der Mediation, nämlich ein einfaches Verfahren zu schaffen, in dem direkt in der jeweiligen Konfliktsituation der Medianten angesetzt wird, zuwiderlaufen könnte.

Basis waren in der klassischen Mediation die Freiwilligkeit, die Autonomie der Medianten, die Neutralität und Allparteilichkeit des Mediators, die Eigenverantworltlichkeit der Medianden für den Inhalt der getroffenen Vereinbarung und der Wille der Medianden an einer konsensualen Lösung. Und die Transparenz all dieser Kriterien für die Medianden.

Es sollte durch die Mediation ein neuer Raum geschaffen werden, in dem sich die Medianden mit Hilfe des Mediators selbst einen Rahmen geben, innerhalb dessen sie unter Entfaltung ihrer Autonomie eigenverantwortlich und selbstbestimmt eine konsensuale Lösung für das Problem erarbeiten können. Unter Berücksichtigung all der Kriterien, die für sie eine besondere Bedeutung bei diesem Konflikt haben könnten.

Mit der Schaffung neuer Arten von Mediationen war dann die Einschränkung des einen oder anderen dieser Basispunkte verbunden. Es gab Einschränkungen bei der Freiwilligkeit- z.B. bei der gerichtsinternen Mediation, auch der Allparteilichkeit- z.B. bei In-House Mediationen.

Natürlich ist es sinnvoll und prozessökonomisch, streitige Angelegenheiten durch einvernehmliche Lösungen zu beenden. Natürlich ist es wirtschaftlich nützlich, durch In- House Mediationen zusätzliche Kosten zu vermeiden. Und natürlich ist es , wirtschaftlich betrachtet, sinnvoller, Problemfelder in der Wirtschaft schnell und kostengünstiger zu bearbeiten.

Doch stellt sich die Frage, ob dies wirklich noch im Interesse der klassischen Mediation liegt, oder ob nicht wirtschaftliche Nützlichkeitserwägungen in der Zwischenzeit diese Basispunkte der Mediation weit verdrängt haben.

Denn dann, wenn das Hauptinteresse des Mediators an einer wirtschaftlich nützlichen Lösung orientiert ist geht es weniger um die Autonomie der Medianden, die Freiwilligkeit oder die Allparteilichkeit.

Denn dann ist möglicherweise die wirtschaftliche Nützlichkeit der Punkt, der eine Allparteilichkeit ausschließt, da dieser Fokus eine neutrale Einstellung des Mediators bereits in sich verbietet und verhindert. Und auch der Punkt, der eine autonome Entscheidung der Medianden bereits im Ansatz verhindern könnte.

Und diese wirtschaftliche Nützlichkeit zielt in zwei Richtungen: nämlich zum einen in Bezugnahme auf das Ergebnis, zum anderen in Bezugnahme auf die Verfahrensdauer.

Die Haltung des Mediators, sein persönlicher Zugang zur Mediation ist wohl der hauptsächliche Gradmesser und das hauptsächliche Werkzeug, das aus einer reinen Verhandlungssituation eine Mediation zu schaffen imstande ist. Und wenn diese Haltung sich vorwiegend an der wirtschaftlichen Nützlichkeit- durchaus im Interesse der Medianden- orientiert, so ist möglicherweise bereits an dieser Stelle der Rahmen, innerhalb dessen sich die Mediation entfalten kann, eingeengt durch die wirtschaftliche Nützlichkeit.

Was in sich gesehen nicht einmal schlimm sein mag, wenn dies transparent ist für alle Beteiligten.

Problematisch ist , meines Erachtens, dann aber die Frage, ob in einem Raum, der von vornherein durch wirtschaftliche Nützlichkeit- für wen auch immer- eingeengt ist, überhaupt noch eine Autonomie der Medianden entfalten kann.

Und ob es sich dann bei einer Mediation unter solchen Rahmenbedingungen überhaupt noch um eine Mediation handeln kann, oder ab dann nicht lediglich eine Verhandlung unter Einsatz bestimmter Verfahrenstechniken vorliegt.

Was auch nicht schlimm wäre, wenn es denn transparent wäre für die Beteiligten.

Also möchte ich nun kurz näher den Begriff der „Autonomie“ beleuchten.

Der Begriff der Autonomie kommt aus dem griechischen, der „Autonomia“, was bedeutet : sich selbst Gesetze gebend, Eigengesetzlichkeit, Selbständigkeit.

Je nach Fachbereich oder Zusammenhang bedeutet es auch Selbständigkeit, Unabhängigkeit, Selbstverwaltung oder Entscheidungsfreiheit.

Autonomie besteht in der Regel im Rahmen eines Systems.

In früheren Beiträgen, bei der Auseinandersetzung in den Uranfängen der Mediationsbewegung, ob und inwieweit Mediation ein Teil des Rechtssystems ist oder nicht, hatte ich mich von diesem Blickpunkt aus bereits mit dieser Frage auseinandergesetzt.

Meine These zum damaligen Zeitpunkt, an der ich bis heute festhalte, lautet, dass Mediation lediglich innerhalb eines Rechtssystems Bestand haben kann, denn nur hier und nur hieraus erklärbar, kann eine Autonomie überhaupt entstehen. Somit ist Mediation nicht eine Art Eigenverfahren, welches neben einem Rechtssystem bestehen würde, sondern ein in das Rechtssystem integrierter Bestandteil.

Wie in der Zwischenzeit die verschiedenen Herausgestaltungen unterschiedlicher Mediationen nahezu durchgängig zeigen, ist es auch das, was vorwiegend von den Medianten gewollt wird. Es soll eine rechtsverbindliche Lösung geben, die es nur dann geben kann, wenn auch innerhalb eines bestehenden Rechtssystems die Akzeptanz der getroffenen Lösungen gegeben sein soll.

Aber Autonomie hat in seiner Begrifflichkeit noch weitere Bedeutungen, über diesen systemischen Ansatz hinaus.

In der Psychologie wird das Spannungsverhältnis zwischen Fremdbestimmung- der Heteronomie- und der Selbstbestimmung, der Autonomie, betrachtet.

Während die Entwicklungspsychologie die Entwicklung des Kindes thematisiert, das eine frühe Bindung zu einer erwachsenen Person zustande bringt, um später zu einer Person zu reifen/zu werden, die autonome Entscheidungen zur eigenen Lebensplanung und zur Gestaltung zu treffen imstande ist.

Für eine sozial eingebundene Person stehe eine teilweise Fremdbestimmung nicht im Widerspruch zur eigenen Entwicklung. Dies soweit, dass dort thematisiert ist, dass eine ausgeprägte Selbstbestimmung sogar Probleme bereiten kann, wenn sie aus sozialer Perspektive als soziale Isolation oder als Nutzlosigkeit betrachtet wird.

Und hier haben wir nun wieder den Begriff der Nützlichkeit.

Dieser steht allerdings -in diesem Zusammenhang gesehen- in einem Gegensatz zu dem, was in einer Mediation eigentlich erreicht werden sollte, gehen wir zurück zu den Uranfängen der klassischen Mediation.

Hier ging es einmal darum, dass Menschen mit Hilfe des neutralen Dritten, des Mediators, in den Stand versetzt werden, eigenverantwortliche Lösungen für ihre jeweils konfliktträchtige Situation zu finden, dies im Austausch mit einem oder mehreren anderen.

Diese Lösungen sollten konsensual sein, damit sollte in einer gemeinsamen Arbeit ein weiteres, allen Interessen dienendes Lösungspotential gefunden werden kann.

Wenn wir die Mediation weiterhin mit den Parametern von Geschwindigkeit, Billigkeit und wirtschaftlicher Nützlichkeit überziehen, schneiden wir ihr dann nicht den von uns allen ursprünglich einmal gemeinten Sinn ab?

Kommen wir hiermit tatsächlich überhaupt noch zu Lösungen, wenn beiden beteiligten Medianten – ich nehme den Basisfall – nicht für eigene Interessen, sondern lediglich für das Interesse einer wirtschaftlichen Nützlichkeit agieren?

Ist es das, was wir innerhalb der Mediation mit der Autonomie zu erreichen suchen?

Als wir in den Anfängen der Mediation losgezogen sind und uns näher mit diesem Thema beschäftigt haben, war eine Begeisterung dafür spürbar, endlich ein Instrument an der Hand zu haben, dass den einzelnen Menschen aus strikten und starren gesetzlichen oder gesellschaftlichen Regelungen herauslöst.

Haben wir diese jetzt ersetzt durch das Gebot einer wirtschaftlichen Nützlichkeit?

Dienen wir jetzt in unseren Mediationen diesem Regelwerk, statt dem Interesse der Medianden an autonomen Lösungen?

Bis hierher möchte ich festhalten, dass nach den bisher von mir vorgestellten Definitionen der Autonomie festzuhalten bleibt, dass diese sowohl nach der psychologischen, rechtlichen, politischen sowie auch der philosophischen Definition eine Grenzziehung hat.

Stellt sich somit auch die Frage, ob möglicherweise diese Grenze, die früher gesellschaftliche Werte waren, oder die Ethik innerhalb einer bestimmten Gesellschaftsordnung oder die Regelwerke innerhalb eines Rechtssystems über die Mediation nunmehr ersetzt werden sollen durch die wirtschaftliche Nützlichkeit.

In meiner ersten Mediationsausbildung im Bereich der Familienmediation war diese Grenze zweifach vorhanden. Zum einen in den Interessen und Bedürfnissen des jeweilig anderen. Zum zweiten dann, wenn eine Rechtsverbindlichkeit geschaffen werden sollte, an den zwingenden und feststehenden Regeln des gesetzlichen Rahmens, innerhalb dessen diese rechtsverbindliche Vereinbarung eingebettet sein sollte. Dies ist in unserem Kulturkreis sicherlich z.B. die Grenze der Sittengemäßheit von Verträgen bzw. des Verbotes sittenwidrige Verträge abzuschließen.

Dann hat sich die Mediation gewandelt, als die Wirtschaft in zunehmendem Ausmaß dieses Feld für sich entdeckt hat. Denn die Uranfänge in unserem Kulturkreis liegen in der Familienmediation, nicht der Wirtschaftsmediation. Und plötzlich stand an erster Stelle nicht mehr das Interesse des einzelnen Menschen, solche autonomen Entscheidungen treffen zu können.

Sondern plötzlich hatten wir es zu tun mit der mehrfach bereits benannten wirtschaftlichen Nützlichkeit. Zu deren Gunsten wurden dann die Positionen der Freiwilligkeit eingegrenzt. Ebenfalls wurden Versuche unternommen, die Unabhängigkeit des Mediators neu zu definieren. Bis zu dem Punkt, zu dem selbst das innewohnende Interesse eines jeden einzelnen Menschen schon eine grundlegende Definition dadurch erhielt, weil man festlegte, dass es natürlich dem Interesse des einzelnen immer dient, wenn sich sein Konflikt möglichst wirtschaftlich sinnvoll und nützlich und schnell und damit kostengünstig regulieren ließe.

Und an diesem Punkt nun fand unter Umständen ein Austausch statt. Die Begeisterung in den Uranfängen der Familienmediation, zu Lösungen kommen zu können, die für alle Beteiligten fair waren von diesen auch als gerecht empfunden werden konnten, durch eine Einbeziehung ihrer Bedürfnisse und Interessen, war nun plötzlich überlagert.

Und vielleicht hatten wir an diesen Punkt eine neue „Heilige Kuh“ erschaffen, ein neues System, dem wir nunmehr dienen, das automatisch als ein höchst eigenes Interesse eines jeden einzelnen potentiellen Medianten betrachtet wurde: Die viel gerühmte wirtschaftliche Nützlichkeit.

Aber hätten wir dann vielleicht einen Rahmen gesetzt, der unter Umständen noch viel massiver den einzelnen Menschen einengt, als dies Recht und Gesetz in unserem Kulturkreis im Vorfeld je getan haben?

Denn dann hätten wir die emotionale Welt des einzelnen Menschen bearbeitbar gemacht, für den einzelnen Menschen, der sich im Rahmen einer Mediation um ein für ihn faires und für ihn als gerecht empfundenes Ergebnis bemüht, welches dann jedoch stets seine Grenze findet an der wirtschaftlichen Nützlichkeit. Und somit ordnen wir unter Umständen die emotionale Welt eines jeden einzelnen von uns der emotionalen Befindlichkeit der wirtschaftlichen Nützlichkeit unter?

Natürlich ist es sinnvoll, wenn sich gerichtliche Verfahren begrenzen lassen in ihrer Vielgestaltigkeit. Natürlich ist es auch sinnvoll, wenn große Konzerne nicht langwierige Verfahren bei Gericht führen müssen, sondern dies in einer wirtschaftlich nützlichen Weise, pragmatisch also, angehen und lösen.

Und, wenn wir ehrlich zu uns selber sind, die Wirtschaftsmediation ist derjenige Bereich der Mediation, der letzten Endes die meisten der hier Tätigen auch interessiert. Denn nur hier lässt sich wirklich auch viel Geld verdienen. Dies schlägt sich schon nieder in den Ausbildungskosten.

Nach wie vor ist die Familienmediation vergleichsweise günstig zu erhalten, wohingegen die Wirtschaftsmediation häufig doch eher die sehr viel teurere Ausbildungsvariante darstellt. Auch derjenige Part, in dem sich wesentlich mehr verdienen lässt als rein in der Familienmediation.

Genau damit gehen wir aber unter Umständen an dem eigentlichen Kern der Mediation vorbei. Denn nun geht es darum, sowohl die Ratio, wie die Emotio des einzelnen betroffenen Medianten möglichst rasch und zielorientiert der gesamten wirtschaftlichen Nützlichkeit im Tun des Verfahrens im Interesse der wirtschaftlichen Nützlichkeit für das Kollektiv unterzuordnen.

Und genau an dieser Stelle geht das verloren, was ebenfalls ursprüngliche Zielsetzung des Mediationsverfahrens gewesen war: Eine konsensuale Lösung, die von allen Beteiligten als fair und gerecht betrachtet wird.

Gerechtigkeit in seiner ursprünglichen Bedeutung meint, die Dinge ins Gleichgewicht zu bringen, die Dinge zu egalisieren. Gerechtigkeit bringt die Unausgeglichenheit des Lebens ins Gleichgewicht.

Um das aber schaffen zu können, ist eine klare Entscheidung zu treffen über Wahrheit oder Unrichtigkeit von Gedanken, von Ideen, von Erklärungen.

Um allerdings das tun zu können, ist es notwendig, sich genau mit den Bedürfnissen innerhalb der Mediation auseinander zu setzen. Und dies bedeutet Zeit, bedeutet Vermeidung von Beschleunigung. Und dies bedeutet an diesem Punkt aber auch, dass man Abschied nehmen muss von dem Gedanken, es müsse wirtschaftlich nützlich sein. Denn ansonsten geht es nicht mehr um Gerechtigkeit, sondern um wirtschaftliche Nützlichkeit.

Und vor allen Dingen bedeutet es eine Klarheit und Bewusstheit über diese Spannungsfelder. Ich bin nicht so naiv mir einzubilden, dass in der heutigen Zeit die Position der wirtschaflichten Machbarkeit und der wirtschaftlichen Nützlichkeit außer Betracht gelassen werden könnte. Aber dann braucht es zumindest eine klare Benennung dessen, was es ist.

Denn ansonsten werden Medianden in die Irre geführt, spüren diffus, dass das von ihnen in ihrem innersten Kern als gerecht Empfundene plötzlich auf einem anderen Altar geopfert wird. Und dies nicht lediglich in einem rationalen, nicht lediglich in einem dem gesetzten Recht folgenden Prozess, sondern in einem Prozess, in dem es genau um diese Bedürfnisse, diese innerste Interessen, dieses tief empfundene innerste Gerechtigkeitsgefühl eines jeden Einzelnen gehen soll.

Hier liegt auch, meines Erachtens, der große Unterschied zu den angelsächsischen Mediationsverfahren: unsere kulturellen Erfahrungswerte und Definitionen dessen, was Autonomie ist, unterscheiden sich hier wesentlich.

Genau an diesem Punkt fehlt es daher an einer Vergleichbarkeit.

Wenn dies unausgesprochen bleibt, wenn wir dies nicht mit unseren potenziellen Medianden besprechen und zum Thema machen, wenn wir als Mediatoren hier nicht ganz klar differenzieren und ganz klar auf dieses Spannungsfeld aufmerksam machen, dann lassen wir unsere potenziellen Medianden unter Umständen in die Irre laufen.

Und zurück bleiben vollkommen frustrierte Menschen, die sich plötzlich in einer doppelten Weise verraten fühlen.

Genau dies mag auch der Punkt sein, weshalb dieses Verfahren nicht in dem Maß nachgefragt wird, wie sich viele Mediatoren das wünschen.

Erst dann, wenn ich jedem einzelnen Medianden dieses Spannungsfeld aufzeige, ist er imstande, tatsächlich freiwillig sich auch in einen wirtschaftlich nützlichen Prozess einzuordnen. Aber jeder einzelne Mediand muss die Wahl haben dürfen ob er dies will, oder ob er dies nicht will. Und jeder einzelne Mediand muss sich darüber bewusst und im Klaren sein, in welchem Handlungsrahmen er was gestalten und erwirken kann.

Leider differenziert auch die Wirtschaft in diesem Bereich nicht ausreichend, mit den Folgen, die wir nun allesamt beobachten können an den großen Finanzplätzen dieser Welt.

Ohne Differenzierungen im Vorfeld, ohne genaues Hinsehen, worum es eigentlich geht, wurden Finanzinstrumente geschaffen, von der Politik abgenickt, da wirtschaftlich sinnvoll und nützlich, ohne wirklich zu hinterfragen, was hier eigentlich passiert.

Damit erlaube ich mir den Hinweis, dass diese Art des Vorgehens im Sinne einer wirtschaftlichen Nützlichkeit selbst im Urland dieser Nützlichkeit, der Wirtschaft, zu katastrophalen Ergebnissen führen kann. Zumindest für die meisten von uns, denn bekanntermaßen geht Geld nicht verloren, es wechselt lediglich den Besitzer. Und irgendwem nützt auch diese momentane Finanzsituation sehr wohl.

Und, dies ist die letzte These vor der sich anschließenden Diskussion, dass die Wirtschaft und der Mensch in seiner Ganzheit, also zumindest Ratio und Emotio umfassend, Systeme sind, die nicht vergleichbar sind.

Der angelsächsische Autonomiebegriff ist in seiner Grunddefinition nicht vergleichbar mit dem europäischen Autonomiebegriff, sondern verfolgt hier einen eher pragmatischen Ansatz.

Es mag sein, dass man sich gerade in Zeiten der Globalisierung diesen Strömungen gar nicht mehr entziehen kann. Was wir aber benötigen, ist zumindest eine Bewusstheit darüber.

In meinen Ausbildungen höre ich immer den Einwand, dies sei zu philosophisch, meist verbunden mit dem Hinweis darauf, es ging nicht um Philosophie, sondern darum, den Parteien schnell zu einer Lösung zu verhelfen.

Meines Erachtens ist die Bewusstheit über diese Themen und die Kenntnis hiervon allerdings notwendiges Instrumentarium eines jeden Mediators, damit er sich selbst in seinem Tun nicht in die Irre führen lässt. Diese Bewusstheit des Mediators über derartige Zusammenhänge, die sich in seiner Haltung ausprägt und widerspiegelt, ist meines Erachtens das einzig wirkliche Instrument, was aus einer Verhandlung eine Mediation zu schaffen vermag in dem anfänglich beschriebenen Sinne.

Oder man nimmt bei der Definition der Mediation endgültig Abschied von den Begriffen der Eigenverantwortlichkeit und der Autonomie.

Somit schließe ich ab mit einer Zusammenfassung der von mir aufgeworfenen Thesen, für die sich jetzt anschließende Diskussionsrunde, die ich recht provokativ nochmals kurz zusammenfasse:

  1. Kann Mediation in der heutigen Zeit überhaupt noch das leisten, was sie als die wichtigen Säulen der Mediation verspricht und anbietet?
  2. Kann die Schaffung eines weiteren, neben der philosophischen Grundlinie errichteten Rechtssystems zur Regulierung der Mediation diesen Widerspruch beseitigen?
  3. Benötigt Mediation unter Umständen einen autonomen Mediator und gibt es diesen in der heutigen Zeit überhaupt noch?

Liebe Kollegen und Freunde, ich hoffe, dass ich damit genügend Sprengstoff geliefert habe für die sich jetzt hoffentlich anschließende lebhafte Diskussionsrunde und bedanke mich für das geduldige Zuhören.