Zahlen sind starke Argumente …

wenn man welche hat. Sieht man davon ab, dass das Mediationsgesetz zunächst einmal in Ausführung der in der EU-Richtlinie vorgegebenen Verpflichtungen entstanden ist, muss man doch konzidieren, dass es sich auch bemüht, dem Ziel der Richtlinie die „gütliche Beilegung von Streitigkeiten zu fördern, indem zur Nutzung der Mediation angehalten und für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Mediation und Gerichtsverfahren gesorgt wird.“ näher zu kommen.
Was die Richtermediation anbetrifft, kann die Bundesregierung allerdings derzeit offensichtlich in keiner Weise überschauen, inwiefern eine Förderung sinnvoll ist, was die Antworten auf eine Kleine Anfrage (die Fragen werden in dem Antwortschreiben wiederholt) einer Fraktion zeigt.

Nicht sehr grob zusammengefasst ist der Bundesregierung zwar bekannt, dass es Richtermediationen gibt, ansonsten aber „liegen hierzu keine belastbaren Erkenntnisse vor.“ Angesichts der Frage 9 (Finanzen) muss spätestens klar werden,dass auf Dauer die Richtermediation keinen Bestand haben kann (und offiziell ja ohnehin nur als Übergangslösung gedacht war). Mir ist nicht vorstellbar, dass sich Richtermediationen finanziell für die Länder rentieren könnten. Von anderen Bedenken ganz abgesehen.

Umso wichtiger und sinnvoller scheint mir die Förderung der außergerichtlichen Mediation zu sein.

Der Prozess sollte die ultima ratio eines Konflikts oder Streits sein. So gesehen könnte die gerichtsnahe Mediation sozusagen als Notbremse angesehen werden, ein Versuch, zu retten, was noch zu retten ist.

Ich möchte mich jedoch an dieser Stelle nur auf eine realistische Möglichkeit beschränken, mit der mit Hilfe des Mediationsgesetzes in zweierlei Hinsicht ein großer Schritt getan werden kann, ohne dass irgendwelche Risiken eingegangen werden müssten.

Mit der wichtigste und gleichzeitig empfindlichste Lebensbereich in unserer Gesellschaft ist die Familie. Ganz besonders, wenn es zur Trennung und Scheidung der Partner kommt. Nicht von der Trennung als solche gehen die zerstörerischen Kräfte aus, die ganz besonders auch die Kinder betreffen, sondern von deren Folgen, juristisch ausgedrückt, der streitigen Folgesachen. Diesbezüglich gehe ich von einem allgemeinen Konsens aus.

Nachfolgende Grafik verdeutlicht ein bedenkliches Bild. (2001 – 2009)


Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 2.2

Die Anzahl der Scheidungen (mit Versorgungsausgleich – Bereich unten) liegen schwankend zwischen 200.000 und bis zu ca. 280 000 Fälle (durchschnittlich also 240.000 Fälle). Die Anzahl der anhängigen Folgesachen (Bereiche darüber) liegen bei etwa 350.000. Insgesamt sind die Zahlen relativ konstant (2001 und 2008 z.B.: nahezu gleich). Die Zahlen für 2009 liegen nur bis August vor, da ab 01. September das FamFG in Kraft getreten ist und ab diesem Zeitpunkt derzeit noch keine Zahlen zur Verfügung stehen.

Betrachtet man sich nun nur die signifikantesten Zahlen zur Erledigungen der Folgesachen, so ergibt sich für 2009 folgendes Bild:

Vor den Amtsgerichten – Familiensachen – Folgesachen

  • Streitige Urteile 23.812 (22,23 %)
  • a) Vergleiche 49.320
  • b) Klage/Antrag Zurücknahme 21.870
  • c) Ruhen/Nichtbetreiben 12.121

a) + b) + c) = 83.311 = (77,77 %)

Würde man hier noch berücksichtigen, dass weitere 26.944 Fälle auf (mir nicht bekannte) „andere Weise“ erledigt wurden, so ergäbe sich eine nichtstreitige Erledigungsquote von 82,23 %!. Bei Berufungs- und Beschwerdeverfahren bei den Oberlandesgerichten (nur Urteil, Vergleich und Zurücknahmen berücksichtigt), ergibt sich schon hieraus eine nichtstreitige Erledigungsquote von 85,18 %.

Somit kann wohl festgehalten werden, dass ein enormer Bedarf an nichtstreitiger Erledigung auf einem Gebiet besteht, das nach Bekunden nicht nur aller Politiker, zum Kernbereich unseres Staates gehört. Das rechtfertigt in meinen Augen einen etwas mutigeren Schritt.

Dem Argument, dass Flächendeckend nicht genug Mediatorinnen und Mediatoren zur Verfügung stehen, über die Möglichkeiten einer Mediation aufzuklären, möchte ich entgegen halten, dass in der Begründung zum Gesetzentwurf des FamFG zu § 135 ausgeführt wurde, „Es ist davon auszugehen, dass aufgrund der vorliegenden Vorschrift die Familiengerichte mit der Zeit eine zunehmend größere Übersicht über das insbesondere in ihrem Bezirk vorhandene Angebot an Dienstleistungen der außergerichtlichen Streitbeilegung erhalten.“ Heute genügt ein Blick in die Gelben Seiten des Telefonbuchs, um sich einen Überblick zu verschaffen. Und das ist jedem Paar, das sich scheiden lassen will, zumutbar.

Weiter zur Begründung zu § 135 FamFG: „Durch das Erfordernis eines Informationsgesprächs soll die Erörterung über die Möglichkeiten einer außergerichtlichen Streitbeilegung über Folgesachen sichergestellt werden.“ Weder § 135 FamFG, noch die jetzt vorgesehenen weiteren Soll- und Kannvorschriften können diesem Erfordernis gerecht werden.

Ich stimme voll zu, wenn zu § 135 FamFG weiter bemerkt wird: „Durch eine Information etwa in Form eines Merkblatts würde der Zweck der Vorschrift nicht erreicht.“

Ich befürchte allerdings, dass die jetzt vorgesehenen Regelungen noch nicht einmal an die Wirksamkeit eines zwingend zu übergebenden Merkblattes heran reichen.

Bernd Bohnet