Rede der Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bei der 1. Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung:

Herr / Frau Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen!

In einer wegweisenden Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht bereits 2007 festgestellt (ich zitiere): „Eine zunächst streitige Problemlage durch eine einverständliche Lösung zu bewältigen, ist auch in einem Rechtsstaat grundsätzlich vorzugswürdig gegenüber einer richterlichen Streitentscheidung“. An diesen Grundsatz knüpfen wir mit dem eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung an.

Die Mediation als eine Methode, in geordneter und konstruktiver Weise mit Konflikten umzugehen, ist besonders geeignet, die Verantwortung der Bürgerinnen und Bürger für sich selbst und andere zu stärken. Deshalb wollen wir die Bürger ermuntern, ihre Streitigkeiten vornehmlich eigenverantwortlich zu lösen. Bislang ist die Mediation gesetzlich weitgehend ungeregelt. Nunmehr verpflichtet uns die EU-Mediationsrichtlinie zum Handeln. Anders als bei den meisten anderen Gesetzesvorlagen, die im Deutschen Bundestag behandelt werden, betreten wir hier jedoch rechtliches Neuland. Das bedeutet: Wir konnten nicht auf vorhandenen Strukturen aufbauen, sondern mussten das Mediationsgesetz von Grund auf neu entwickeln. Deshalb haben wir im Rahmen einer Expertengruppe namhafte Vertreter aus Wissenschaft und Praxis in die Vorarbeiten einbezogen. Eine wichtige Hilfestellung lieferte uns auch das vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht im Auftrag meines Hauses erstellte rechtsvergleichende Gutachten. Hierdurch konnten wir wertvolle Informationen über die Erfahrungen anderer Länder mit der Mediation gewinnen und bei der Erarbeitung des Entwurfs berücksichtigen. Meine Damen und Herren, auch im Bereich der Mediation treffen sehr unterschiedliche Auffassungen aufeinander, die nicht leicht in Einklang zu bringen sind. Bei der Schaffung des Regierungsentwurfs haben wir die verschiedenen Interessen abgewogen und darauf hingewirkt, diese in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei haben wir uns auch davon leiten lassen, möglichst wenig in die Entfaltung der Mediation als einem noch in der Entwicklung befindlichen Konfliktlösungsverfahren einzugreifen. Ich freue mich sehr, dass der Gesetzentwurf ein breites und überwiegend positives Echo bei den Verbänden und in der Gesellschaft gefunden hat. Auch die Länder begrüßen die mit dem Entwurf verfolgte Zielrichtung. Gleichwohl will ich nicht verhehlen, dass der vorgelegte Entwurf auch in der Kritik steht, die sich vornehmlich auf einige wenige, allerdings bedeutsame Punkte konzentriert. Ansprechen möchte ich zunächst das Thema der gerichtsinternen Mediation: Die von verschiedenen Seiten erhobenen Forderungen nach einer Abschaffung dieser Mediationsform teile ich nicht. Die gerichtsinterne Mediation ist in den letzten Jahren eine feste Größe an deutschen Gerichten geworden. Erfolgsquoten von bis zu 74 Prozent bei Konfliktbereinigung sprechen für sich. Mit dem Mediationsgesetz stellen wir den Ländern das notwendige Instrumentarium zur Verfügung, die gerichtsinterne Mediation fortzuführen. Allerdings wollen wir den richterlichen Mediatoren auch keine weitergehenden Befugnisse einräumen als ihren außergerichtlich tätigen Kollegen. Bei der Prüfung und Umsetzung von Vorschlägen aus dem parlamentarischen Bereich, die auf eine weitere Förderung gerade der außergerichtlichen Mediation abzielen, wird mein Haus gerne unterstützend tätig werden. Allerdings dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, dass die finanziellen Rahmenbedingungen unseren Gestaltungsmöglichkeiten enge Grenzen setzen. Unterschiedliche Auffassungen bestehen auch hinsichtlich der Frage, wie die Aus- und Fortbildung der Mediatoren und damit der Zugang zur Mediatorentätigkeit geregelt werden soll. Hier haben wir die verschiedensten Modelle intensiv geprüft, wie zum Beispiel die Schaffung von Zulassungsvoraussetzungen oder einer staatlichen Anerkennung. Am Ende haben wir uns gegen eine detaillierte gesetzliche Regelung entschieden. Damit wollen wir gewährleisten, dass der Mediation als ein noch stark in der Entwicklung begriffenes Verfahren genügend Entfaltungsspielraum verbleibt, und zugleich neuen bürokratischen Strukturen entgegenwirken, die mit erheblichen Kosten verbunden wären. Die Qualität der Mediation und die Transparenz auf dem Mediatorenmarkt soll im Interesse der Verbraucher durch die Schaffung eines privaten Zertifizierungssystems gefördert werden. Wir zählen damit – ganz im Sinne eines liberalen Ansatzes – in erster Line auf die Kraft der Selbstregulierung durch die Berufsgruppen und Verbände. Meine Damen und Herren, unsere Zivilgesellschaft erfordert die Weiterentwicklung von modernen und effektiven Methoden autonomer Konfliktbeilegung. Ich bin mir sicher, dass wir mit dem Gesetz diese Entwicklung befördern und damit einen nachhaltigen Beitrag zur Verbesserung der Streitkultur in Deutschland leisten werden. Hierfür bitte ich um Ihre Unterstützung.