III Die Mediation in der Resteverwertung.

Wie ich unter der Güterichter als Rechtsbrecher“ ausgeführt habe, halte ich die Einbeziehung des Güterichters in das streitige Verfahren für verfassungswidrig. Im Vorfeld der Sitzungen des Rechtsausschusses war zwar bekannt geworden, dass die gerichtsinterne Mediation entfallen und dafür der Güterichter in Anlehnung an die Modelle in Bayern und Thüringen eingeführt werden sollte, aber nicht, dass ausschließlich eine völlig neue Richterart kreiert wird.

Dies war zwar schon im Entwurf der Fall (Neufassung des § 278 Absatz 5 ZPO – Güterichter, statt Richter), rückt aber jetzt, nachdem die Alternative (gerichtsinterne Mediation) weggefallen ist, besonders in den Fokus. Noch dazu, weil der „Zweitrichter“, wie ich den im Gesetz nunmehr vorgesehenen „Güterichter“ nennen möchte, auch „für weitere Güteversuche“ (§ 278 Absatz 5 ZPO – neu -) eingesetzt werden soll und zugleich während seiner Tätigkeit nicht mehr das Ruhen des Verfahrens angeordnet werden muss.

Damit sind zwei Richter für ein streitiges Verfahren zuständig gemacht worden, wobei der Güterichterteil auch noch unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt werden soll. (§ 169 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG): „Die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse ist öffentlich.“ Als Teil des Streitverfahrens wird dies auch vom „Güterichter“ verlangt werden müssen. (Ausnahmen gibt es hauptsächlich nur in Familien- und Strafsachen.)

Der gesetzliche Richter, und das kann nur der zur Entscheidung befugte Richter sein, soll also an einem Teil seines Verfahrens nicht dabei sein, aber auch für diesen Teil die Verantwortung tragen müssen? Wenn es zu keiner Einigung kommt, ist das aber der Fall. Da hilft auch keine „pro forma“ durchgeführte, weitere Güteverhandlung durch den entscheidenden Richter.

Das Argument, dass es ja auch andernorts in der Zivilprozessordnung (hauptsächlich ist dies zur Beweisaufnahme der Fall) den beauftragten oder ersuchten Richter gibt, kann rechtlich nicht greifen, denn hier, wie unter II) ausgeführt, kann der Güterichter kein Prozessgericht sein oder einem Spruchkörper angehören.

Für den vorgesehenen „Güterichter“ gibt es keine gesetzliche Grundlage. (In der derzeit gültigen Fassung des § 278 ZPO kann nur ein Richter beauftragt oder ersucht werden). Vielleicht könnte man das Gerichtsverfassungsgesetz dahingehend erweitern, dass auch ein Güterichter als gesetzlicher Richter angesehen werden kann und dies in einem Güterichtergesetz näher regeln. Das hätte allerdings zur Folge, dass aus dem: „(1) Das Gericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein.“ des § 278 Absatz 1 ZPO ein m u s s wird. Und dies würde wiederum bedeuten, dass der Staat (hier die Bundesländer) dazu verpflichtet wird, die entsprechenden Richter zur Verfügung zu stellen, denn der Bürger hätte dann einen Anspruch auf den Güterichter und dessen Tätigkeit.

Eine Pflicht zur Vermittlung durch einen Richter kann es insofern schon nicht geben, als seine Tätigkeit nicht überprüfbar wäre. Es gehört aber zum Rechtsstaatsprinzip, dass die Tätigkeit (nicht nur) des Richters grundsätzlich von einer höheren Instanz kontrollierbar sein muss.

Sowohl das Modell in Thüringen, als auch das Modell in Bayern sind weitab von derlei Intentionen. Wie ich bereits zitiert habe, wird in Bayern der Güterichter außerhalb des streitigen Verfahrens eingesetzt und in Thüringen dies sogar anhand einer Grafik dargestellt. Man darf ruhig davon ausgehen, dass die Entwickler der Modellprojekte dies sorgsam bedacht haben und es ist mir völlig unverständlich, wie sich der Rechtsausschuss einstimmig (!) darüber hinwegsetzen konnte, noch dazu, ohne dies wirklich zu begründen.

Das wird auch nicht möglich sein, wenn man der eigentliche Intention des Gesetzgebers nachgeht.

Aus dem Gesetzestext des neuen § 278 Absatz 5 ZPO ergibt sich nichts, was der Güterichter eigentlich machen soll, kann und darf. (Der Klarheit wegen, beziehe ich mich hier nur auf diese Vorschrift. Andernorts wiederholt sie sich nur). Auch an anderen Stellen des Gesetzes und auch anderer Gesetze gibt es keine Anhaltspunkte.

Verbleibt also nur die die Methode der juristischen Auslegung, den Willen des Gesetzgebers zu ergründen, was, fachlich gesehen, nur ganz hilfsweise und nur für einen begrenzten Zeitraum angebracht ist.

Ein Anhaltspunkt für den gesetzgeberischen Willen bietet Seite 1 der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses unter B. Lösungen. Dort wird ausgeführt:

Im Interesse einer klaren gesetzlichen Abgrenzung der richterlichen Streitschlichtung von der Mediation werden die bisher praktizierten unterschiedlichen Modelle der gerichtsinternen Mediation in ein erheblich erweitertes Güterichterkonzept überführt und dieses auch auf die Verfahrensordnungen …“ (Hervorhebung durch mich).

Und worin liegt dieses besondere „Konzept“?

 Es ist auf Seite 17 der Beschlussvorlage in der Begründung zu § 1 Absatz 1 nachzulesen. Dort wird ausgeführt:

Während ein Richter in seiner Eigenschaft als gerichtsinterner Mediator sich jeder rechtlichen Bewertung zu enthalten hat und keinen Lösungsvorschlag machen sollte, kann der Güterichter u. a. rechtliche Bewertungen vornehmen und den Parteien Lösungen für den Konflikt vorschlagen.“

 Ich wiederhole: „.. kann der Güterichter u. a. rechtliche Bewertungen vornehmen …“ (Hervorhebung durch mich.).

 Dies ist die Schlüsselstelle, wo der Gesetzgeber seine wahren Absichten offenbart, sich aber nicht getraut, dies gesetzlich zu normieren, da dadurch offensichtlich wird, dass ständige rechtswidrige Übung legalisiert werden soll. Alles weitere, was über die Anwendungsmöglichkeiten der Mediation dann wortreich ausgeführt wird, ist reine Augenwischerei.

 Da ist die Mediation in der Resteverwertung.

 Was bedeutet es, wenn ein Richter während des streitigen Verfahrens „rechtliche Bewertungen vornehmen“ darf? (In keiner der Modellprojekte steht das ernsthaft zur Debatte, ganz im Gegenteil.)

 Abgesehen davon, dass der „Güte- oder Zweitrichter“ damit automatisch parteiische Handlungen vornimmt, denn die Beurteilung einer Anspruchsgrundlage für eine der Streitparteien ist eine solche und bleibt es, auch wenn er dasselbe hinsichtlich der anderen Partei macht und dies dann als Darstellung der Rechtslage kaschiert, ist es dem Richter grundsätzlich nicht erlaubt, das Streitgeschehen selbst in die Hand zu nehmen.

 Die weit verbreitete Unsitte vieler Richter, die Parteien damit einzuschüchtern und ihnen klar zu machen, dass ihr Prozess auch negativ ausgehen kann, wird jetzt noch dadurch verschärfend ermöglicht, dass der Richter auch noch als Berater tätig werden kann. Mit einer „rechtlichen Bewertung“ tut er das nämlich konkludent.

 Es geht dem Gesetzgeber einzig darum, noch mehr Vergleiche „auf Biegen und Brechen“ herbeizuführen. Als Resultat kann da noch nicht einmal ein Kompromiss, geschweige denn irgend ein Konsens heraus kommen. Höchstens Resignation vor der Gerichtsbarkeit, was ja heute schon an der Tagesordnung ist.

 Das hat nichts mit Förderung der außergerichtlichen Mediation zu tun, was sämtliche Abgeordnete als Absicht ständig wiederholen, und schon gar nichts mit Förderung und Verbesserung der Streitkultur bei den Bürgern.

 Oder sollen sie sich an dieser Trickserei ein Beispiel nehmen?