Präzision ist gefragt!

Ein Beitrag auf Anwalt.de gibt Anlass, den Eindruck über die Mediation richtig zu stellen. Er zeigt die Ungenauigkeit, mit der die Mediation üblicherweise beschrieben wird. Der Betroffene sollte wissen, worauf er sich einlässt, wenn er sich für die Mediation entscheidet. Die Mediation braucht ein solides Fundament, wenn sie nicht beliebig sein will.

Präzision und korrekte Aufklärung tragen dazu bei, dass das Fundament später sogar einen Wolkenkratzer tragen kann. Der zitierte Beitrag soll nicht kritisiert aber Anlass sein, Missverständnisse über die Mediation erst gar nicht aufkommen zu lassen.

Folgendes wird ausgeführt:

  • „Was sind die Vorteile einer Mediation?
    In dem Bewußtsein großer Teile der Öffentlichkeit ist anders als in Wirtschaft und Politik Mediation als Mittel zur Lösung von Problemen im mitmenschlichen oder wirtschaftlichen Bereich noch nicht verankert. Zum Teil mag dies auch damit zusammenhängen, daß der Begriff Mediation, welcher aus dem Englischen entlehnt ist und Vermittlung bedeutet, im Deutschen durchaus noch unbekannt oder sogar mißverständlich ist, weil er leicht mit Meditation verwechselt werden kann.“

Der Begriff kommt übrigens aus dem Lateinischen, wo Vermittelung auf die Mitte bezogen wird, weshalb auch Medi-zin und Medi-tation als gesunde Mitte der Mediation durchaus und gewollt nahe stehen. Im Englischen lässt sich der Begriff nur sehr schwer abgrenzen. Gibt man „Vermittlung“ im Wörterbuch ein, werden mediation, arbitration, intervention, … zur Übersetzung angeboten. Der Begriff Mediation ist übrigens in der Bevölkerung nachweislich bei mehr als 60% der Bürger bekannt. Die Frage ist, ob verstanden wird, was das ist und wozu man das brauchen kann. Die Frage ist auch, was denn da eigentlich vermittelt wird. Nach der Systematik der integrierten Mediation ist die Mediation eine Vermittlung von wechselseitigem Verstehen, während die Schlichtung auf die Vermittlung einer Lösung abzielt.

  • „Besser wäre es, man würde im Deutschen Begriffe wie Moderation, Vermittlung oder Schlichtung verwenden, wobei letzterer Begriff dem Wesen der Moderation allenfalls nahe kommt.“

Nein, bitte nicht!!! Das würede zur völligen Irritation führen, weil die Begriffe für Verfahren stehen, die nicht beliebig austauaschbar sind. Moderation und Schlichtung betreffen zwei völlig unterschiedliche Verfahrenstypen. Zugegeben, es gibt Ähnlichkeiten. Die Schlichtung kommt der Mediation allerdings überhaupt nicht nahe, weil der Schlichter, wie der Richter (nach den Erkenntnissen der integrierten Mediation), einen determinierenden Einfluss auf die Lösungsfindung nehmen. Der Mediator hingegen hat keinen determinierenden Einfluss. Sowohl die Schlichtung wie die Mediation sind Verfahren der Streitvermittlung, sodass der Begriff „Vermittlung“ zur Mediation ein Oberbegriff ist. Die Mediation baut ebenso wie die Schlichtung auf der Moderation auf und erweitert ihren Rahmen. Die einzige und beste Möglichkeit, Mediation zu präsentieren ist es also, den Begriff Mediation zu verwenden, ihn aber korrekt zu definieren und abzugrenzen.

Der Artikel will dann die Vorteile von Mediation gegenüber der juristischen Durchsetzung von Ansprüchen über Anwälte und Gericht darlegen. Die Ausführungen replizieren das, was landläufig über die Mediation gesagt wird und geben deshalb Anlass, die Sicht der integrierten Mediation zur Präzisierung und Vervollständigung gegenüberzustellen. Er führt aus:

  • „Was aber sind die Vorteile von Mediation gegenüber juristischer Durchsetzung von Ansprüchen über Anwälte und Gericht?“

Nur damit kein falscher Eindruck entsteht soll zunächst herausgestellt werden, dass es bei der Mediation in keinem Fall um die Durchsetzung einer Lösung geht. Die Mediation ist also – was oft auch angenommen wird – nicht etwa eine andere Art der Durchsetzung von Ansprüchen. Mediation ist die Suche nach einer Lösung, mit der beide Parteien gut leben können. Dann wird zu Recht die Freiwilligkeit herausgestellt:

  • „1. Mediation ist freiwillig
    Während zumindest der Beklagte oder Angeklagte mit einem gerichtlichen Verfahren überzogen werden, ohne sich gegen die Eröffnung des Verfahrens wehren zu können, es sei denn, sie unterwerfen sich, ist im Rahmen der Mediation die Teilnahme von Anfang bis Ende freiwillig. Jeder Teilnehmer kann frei entscheiden, ob ihm der neutrale Mediator gefällt und ob er sich unter dessen Anleitung einer Auseinandersetzung mit den Argumenten seines Problemgegners bzw. überhaupt mit diesem auseinandersetzen will. Jeder Teilnehmer kann zu jeder Zeit erklären, daß die Mediation beendet ist.

In erster Linie sollte sich die Partei für das Verfahren (die Vorgehensweise) entscheiden. Was ist jetzt der Vorteil der Freiwilligkeit? Dass die Partei den Prozess abbrechen kann den sie nicht will? Löst das ihr Problem? Würde sie eine andere Mediation anstreben, wenn sie bemerkt, dass sie den Mediator nicht will? Die Tatsache, dass alle Parteien jederzeit den Prozess beenden können erzwingt die gleiche Augenhöhe. Sie bewirkt, dass die eine Partei den Anderen nicht einfach übergehen oder totargumentieren kann. Jede Partei ist gehalten, die Verhandlung so zu führen, dass der Andere im Spiel bleibt. Das führt in gewisser Weise in ein sich selbst regulierendes System oder in einen sich selbst kontrollierenden Prozess. Die Freiwilligkeit überlässt die Kontrolle über den Prozess den Parteien, weshalb der Mediator darauf zu achten hat, dass sie diese Kontrolle korrelt ausüben können. Daraus folgt eine große Transparenz über den Prozess.

  • „2. Mediation ist (Mit-)Gestaltung
    Während in einem gerichtlichen Verfahren professionelle Anwälte für den rechtsunkundigen Beteiligten sprechen und der Richter letztendlich ein abschließendes Urteil spricht oder den Beteiligten eine Lösung vorschlägt, gestalten die Beteiligten an einer Mediation sowohl die sachliche Auseinandersetzung mit dem jeweils anderen als auch letztendlich die Lösung ihres Problems miteinander selbst. Es ist geradezu das Merkmal der Mediation, daß sich der neutrale Mediator zurückhält und den Beteiligten unter seiner „Moderation“ die Problemlösung überläßt. Dabei kann jeder Beteiligte seine Interessen, Vorstellungen und Ideen einbringen und auf dieser Basis eine Problemlösung mitgestalten.

In einer gewissen Weise gestalten die Parteien auch das Gerichtsverfahren mit. Was ist also das besondere an der Mediation, was macht diese Gestaltung so attraktiv? Es ist die gemeinsame Suche nach einer Lösung, wobei sich die Lösung nicht aus Vorgaben und Rechtsfolgen sondern aus den Bedürfnissen ergibt. Im Grunde zeichnen die Medianden eine fehlerfreie Welt, überlegen die Schnittmengen und wie man dorthin kommt. Das besondere ist, dass diese „heile Welt“ nicht vorgegeben ist und dass sie alle Aspekte einbeziehen kann, welche die Komplexität des Falles einfordert. In einer gerichtlichen bzw. juristischen Auseinandersetzung kommt es ausschließlich auf Fakten an und zwar nur auf die, die das Gesetz als entscheidungsrelevant ansieht. Diese Sicht fordert vom Mediator ab, dass er nicht nur wechselseitiges Verstehen vermitteln sondern auch die Komplexität erkennen und einbeziehen kann. Für in-Mediatoren ist das ein zentraler Ausbildungsaspekt, die den Kognitionsprozess (den Erkenntnisgewinn) in den Vordergrund stellt.

  • „3. Mediation ist schnell
    Mediation läßt sich an wenigen Tagen durchführen, während ein Prozeß Jahre dauern kann.

Diese Behauptung bedarf der Korrektur. Rechnet man die Prozesstage, reduziert sich der Prozess auch nur auf wenige Tage. Rechnet man die Dauer der Mediation kann es vorkommen, dass sich diese auch über Jahre erstreckt. Da werden Äpfel mit Birnen verglichen. Es gibt verschiedene Arten der Mediation (bei der integrierten Mediation als Modelle beschrieben). Die transformative Mediation dauert länger, weil sie Erkennntnisgewinne und Sichtwechsel ermöglicht. Allerdings ist sie zur Heilung des Konfliktes in der Lage. Dann ist zu bedenken, dass der Zustand in dem beide Parteien zur Mediation bereit sind, eine gewisse Konfliktreife voraussetzt. Wird diese Zeit in den Prozess mit eingerechnet, kann die Mediation sogar länger dauern als ein Gerichtsverfahren. Im Gegensatz zu diesem ist die Dauer aber von den Parteien selbst kontrollierbar. Richtig wäre es also zu sagen, dass die Prozessdauer von den Parteien kontrolliert werden kann. Es ist übrigens ein Wesensmerkmal der Mediation, dass sie verlangsamt. Die Mediation ist in der Lage, die Streitenergie in eine Motivationsenergie umzuwandeln. Die Parteien sollen aus dieser Motivationslage die Lösungen finden. Das erfordert manchmal ein Umdenken. Mediation stellt in Frage und wirft Fragen auf, die für die Parteien manchmal nicht ganz leicht zu beantworten sind. Das braucht Zeit. Die evaluative und facilitative Mediation hingegen ist schnell – wenn sie zustande gekommen ist. Dafür kann sie Probleme aber nicht den Konflikt lösen. Hier ist es dringend notwendig, die unterschiedlichen Mediationsmodelle gegeneinander abzugrenzen.

  • „4. Mediation ist kostengünstig
    Mediation verursacht nur überschaubare Kosten des Mediators, nicht hohe Kosten von Gerichten und Anwälten. Diesen Vorteil haben Rechtsschutzversicherungen längst erkannt und übernehmen in der Regel die entstehenden Kosten.“

Mediation ist KEINE Rechtsberatung. Rechnet die Partei also die Kosten des parteilichen Anwaltes hinzu, sieht das Budget wieder etwas anders aus. Dazu kommt, dass eine gescheiterte Mediation ergebnislos bleibt und die Kosten zu einem anschließenden Prozess hinzuzurechnen sind. Die Mediation wird in der Regel nach Stundenaufwand abgerechnet. Bei hohen Streitwerten ist das ein echter Gewinn. Bei niedrigen Streitwerten kann das zu einem unverhältnismäßigen Kostenaufwand führen. Der Mediator MUSS die Parteien darauif hinweisen und dementsprechend beraten. Dann können sie entscheiden, ob und gegebebenfalls welcher Weg für die den größten Nutzen bringt und was es ihnen Wert ist, dafür zu zahlen.

Was lernen wir?

Es macht keinen Sinn, die Mediation plakativ und verkürzt darzustellen. Das könnte zu falschen Entscheidungen führen. Es ist dringend notwendig, die unterschiedlichen Arten der Mediation zu differenzieren. Das ist ein Leistungsmerkmal, das die integrierten Mediatoren alle beherrschen. Sie kennen auch die integrierte Mediation, die bei hoch eskalierten Konflikten noch möglich ist und Wege in die Mediation aufzeigen kann. Der Mehrwert der Mediation ist ihre Kompetenz, den Konflikt in all seinen Dimensionen zu erkennen, um daraus zufriedenstellende und vor allem nachhaltige Lösungen zu gestalten. Hier werden nicht nur Fakten analysiert oder geprüft wer was falsch gemacht hat. Die Mediation regelt die Zukunft nicht die Vergangenheit. Betroffene mögen sich fragen: „Was habe ich davon, wenn ich Recht bekommen habe? Habe ich dann alles was ich brauche? Ist die Welt dann in Ordnung? Wird das mir zugesprochene Recht sich auch verwirklichen? Kann ich überhaupt erwarten, das mir das Recht zugesprochen wird?“. Werden diese Frage verneint, ist die Mediation konkurrenzlos. Nicht weil sie schneller oder billiger ist (was wie gesagt zweifelhaft sein kann), sondern weil sie eine Zukunft versprechen kann, auf die sich beide Parteien einlassen können.

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