… vorgelegt vom H.d.M in Essen (Klaus-Hartmut Iltgen) anlässlich des 5.Kongresses „Integrierte Mediation“.

Klaus-Hartmut Iltgen

Mediatoren mit unterschiedlichsten Quellberufen wie Psychologen, Angehörige der steuerberatenden Berufe, der Heilberufe, Architekten, Richter und Anwälte, sowie weiterer Berufsgruppen, bilden in rasant zunehmender Zahl das hochqualifizierte, zertifizierte Potential für strukturierte Verfahrensführung bei Streitklärung und Beilegung mit win win-Effekt im außergerichtlichen und – wo nötig- im innergerichtlichen Bereich. Während der Justiz hoheitliche Aufgaben per Gesetz zugeschrieben sind und Gerichtsverfahren auf apodidaktischer, richterlicher Entscheidung durch Urteil oder Vergleich beruhen, nutzt die Mediation das hohe Gut der qualifizierten Interdisplinarität, um unter besonderer Berücksichtigung von Bedürfnissen, Interessen und Zielen der Konfliktpartner, eine eigenverantwortlich verfasste Vereinbarung zu erstellen, die auch im Hinblick auf die Zukunft eine faire Basis für friedliches und achtvolles Miteinander der Beteiligten zum Ziel hat.

Obwohl die Mediation in der Antike und der Folgezeit bekannt war und rege außerhalb der Gerichte praktiziert wurde, hat die Jurifizierung unserer Gesellschaft aufgrund diverser Systemfehler unter anderem durch „Rechtsschutzversicherungen“ und „Parteienvertretungen“ immer mehr um sich gegriffen. Während in Australien, Österreich, im vereinigten Königreich, in den USA und in vielen anderen Staaten die außergerichtliche und „gerichtsnahe“ Mediation fest im Gesetz und in der Gesellschaft verankert ist, wird in Deutschland erst aufgrund einer Richtlinie der EU-Kommission mit Terminsetzung auf Mai 2011 eine Gesetzesinitiative für Konflikte im grenzüberschreitenden Bereich ergriffen. Auf unterschiedlichsten Ebenen wird z.Zt. um eine gesetzliche Einbindung der Mediation in unser Rechtssystem gerungen. „Integrierte“ Mediation kann nur so verstanden werden, dass alle Mediatoren der verschiedenen Berufe Zugang nicht nur zu außergerichtlich anliegenden Mediationsverfahren haben, sondern selbstverständlich aufgrund der reinen Mediationslehre auch an Mediationen beteiligt sind, die aus begründetem Anlass (Ausnahme!) innerhalb des Gerichtes durchgeführt werden müssen. Der Gesetzgeber ist daher gefordert, solche rechtliche Rahmenbedingungen zu verfassen, die den besonderen Wert und die Erfolgsmöglichkeiten der Mediation in keiner Weise einengen. Folgende Notwendigkeiten sind durch den Gesetzgeber zu regeln:

Sicherung der Interdisziplinarität für alle Mediationsgebiete

Schaffung eines Qualitätsstandards durch Sammlung anonymisierter Fälle bei wissenschaftlicher Begleitung durch Universitäten, Fachhochschulen und privaten Forschungseinrichtungen. Zertifizierung bei einer staatlichen, neutralen Institution 3. Rechtliche Vorgaben an Gerichte, Kammern, Behörden, Anstalten des öffentlichen Rechtes, mittelbaren Staatsverwaltungen etc., als Vorspann zu drohenden gerichtlichen Verfahren, per Beschluss im Regelfall eine Mediation anzuordnen.

Die derzeitige Situation, beispielsweise bei den Familiengerichten ist nicht mehr hinnehmbar, wenn einerseits seit September 2009 Mediationen gem. § 135 FamFG angeordnet werden können, diese Möglichkeit außergerichtlicher Konfliktklärung bei Trennung und Scheidung incl. der Regelung von Scheidungsfolgen aber von den entscheidenden Familienrichtern nur bis auf wenige Ausnahmefälle wahrgenommen wird.

In Analogie zu § 135 FamFG ist vorrangig eine gesetzliche Regelung für die Mediation im Arbeitsrecht zu erlassen.

Beendigung der Gerichtsmediation unter anderem schon deshalb, weil sie einerseits systemfremd ist und die Entfaltung der interdisziplinären, externen Mediation massiv behindert. Auch das dringend notwendige Ziel einer Entlastung der Judikative und das Ziel der Kostenersparnis der öffentlichen Hand werden verfehlt. Das Fort- und Weiterbildungsangebot für Mediation sollte jedem Richter und Anwalt offen und frei zugänglich sein.

Integrierung des Schutzes vor Rechtsnachteilen für die Konfliktpartner und Mediatoren durch:

  • Hemmung der Verjährung (Verjährungsregelung)
  • Schaffung einer Vollstreckbarkeitsregelung
  • Schutz der Vertraulichkeit
  • Schaffung eines Zeugnisverweigerungsrechtes für Mediatoren
  • Beweismittelverwertungsverbot
  • Bestimmungen zur Neutralität / Allparteilichkeit
  • Schaffung einer Verfahrenskostenregelung, insbesondere einer Mediationskostenhilfe (MKH), in Analogie zur Prozesskostenhilfe (PKH)
  • Förderung der Streitkultur in unserer Gesellschaft als klärendes, friedschaffendes Element bei Meinungsverschiedenheiten, Konflikten und Streitigkeiten in diversen Bereichen, durch Integrierung entsprechender Erziehungsangebote in Kindergärten, Unterrichtsangebote in Schulen und Universitäten, sowie Fort- und Weiterbildungshinweise für den Berufsalltag.

Fazit: Mit der Wiederbelebung einer zeitgemäßen Streitkultur durch Mediation ist unserer Gesellschaft ein interdisziplinär besetztes, qualifiziertes Instrument der Konfliktklärung und -beilegung an die Hand gegeben, welches mit Umsicht und hohem Verantwortungsbewusstsein in unsere Rechtsordnung eingegliedert werden muss. Mediation kann besonders in Krisenzeiten, wie den gegenwärtigen, wesentlich dazu beitragen, dass: • Sich die Stimmungslage in der Öffentlichkeit und der Politik nicht weiter verschlimmert • die rasant zunehmenden gesundheitlichen Belastungen durch Streitigkeiten und Konflikte zurückgehen bzw. verhindert werden, u.a. auch durch präventive Mediation in div. Sozialeinrichtungen.

  • neurobiologische Erkenntnisse und Gesetzmäßigkeiten, ebenso wie die Psychologie, in das Fachgebiet der Konfliktklärung mit einbezogen werden
  • die Sozialsysteme eine erhebliche Kostenentlastung ohne dirigistische Eingriffe erfahren
  • Gerichte durch Mediationsbeschlüsse spürbar entlastet werden und in Folge von vermeidbaren Kosten die öffentlichen Kassen davon verschont bleiben
  • Angehörige der Rechtswissenschaften, wie Richter, Anwälte und Rechtswissenschaftler sich auf themata der Rechtspflege besser fokussieren können
  • Deutschland sich im internationalen Vergleich in Sachen Konfliktbewältigung als fortschrittlich positioniert.

Mediation ist ein streitkulturelles HIGHLIGHT des 21. Jahrhunderts!
Herzliche Grüße aus der Europäischen „Streit“-Kulturhauptstadt Essen 2010,
Klaus-Hartmut Iltgen