Kennen Sie § 1 Abs. 3 BORA?

Die Rolle der Rechtsanwälte in der Mediation kann verschieden sein:

  • Sie können als Mediatoren auftreten
    (Dann werden sie Anwaltsmediatoren genannt. Sie agieren aber als Mediatoren und nicht als Rechtsanwälte)
  • Sie können als Parteivertreter auftreten
    (etwa Justiziare die für die von ihnen vertretene Firma handeln. dann sind sie die Medianden)
  • Sie können als Berater innerhalb und außerhalb der Mediation auftreten. Dann sind sie „Dritte“ iSd MediationsG.
  • Der Rechtsanwalt kann auch als solcher tätig sein, aber mit den Methoden der Mediation arbeiten. (Analog dem Güterichter). Für dieses Modell hat die IM schon seit langem ein Konzept entwickelt. (RA als integrierter Mediator).

Umstritten ist die Frage, ob Rechtsanwälte ein überlagerndes Berufsrecht haben. Eine Auswirkung wäre z.B. das Zeugnisverweigerungsrecht und die Aussageverweigerung im Strafverfahren. Nach der hier vertretenen Auffassung ist das MediationsG lex spezialis (also vorrangiges Recht). Wenn ein Anwalt sich als mediator anbietet, ist er demzufolge Mediator und dem MediationsG unterworfen. Dort ist die Schweigepflicht des Mediators abweichend (und zugegebenermaßen nicht so umfassend wie beim Rechtsanwalt) geregelt.

Der Anwaltsmediator

Der Begriff ist ein Widerspruch in sich, was die mediation anbelangt. Die Praxis entwickelt daraus ein Berufsbild. Der Gesetzgeber unterstützt sie dabei. Das Rechtsdienstleistungsgestz legalisiert den Widerspruch (siehe zum Begriff und zur Problematik „Der Anwaltsmediator„).

Der Parteivertreter

Besonders in Wirtschaftsmediationen geschieht es recht häufig, dass der Rechtsanwalt (etwa der Syndikusanwalt) als Vertreter einer Partei in die Mediation entsandt wird. In dem Fall ist der Anwalt Mediand. der Mediator muss sehr genau unterscheiden, ob und inwieweit er die Interessen der Partei wahrnehmen kann. Der Begriff „Interesse“ wird von Anwälten oft anders verstanden als von Mediatoren. Deutlicher wird der Unterschied, wenn statt von Interessen von Motiven gesprochen wird.

Der beratende Anwalt

Sinnvoll und hilfreich ist die Mitwirkung des beratenden Anwalts in der Mediation. Voraussetzung ist jedoch, dass sich der Anwalt mit der mediation gut auskennt. Wenn er sich in einer Gladiatorenrolle sieht, kann er jede Mediation (zer-)stören oder wenigstens erschweren. In und neben der Mediation ist der Anwalt Berater der Partei. Innerhalb der mediation ist es seine Aufgabe, darauf zu achten, dass der Mediator korrekt arbeitet (sein Handwerk beherrscht). Neben der Mediation ist es seine Aufgabe, die rechtlichen Grenzen und Möglichkeiten aufzuzeigen. Es ist herausfordernd für ihn, lediglich seine rechtliche Würdigung abzuliefern, auch wenn er meint, das Recht könnte für die partei bessere Ergebnisse erzielen. Diese Beurteilung ist indes eine der Partei, nicht die des Anwalts. Er soll darauf hinweisen und die Partei mit diesem Wissen wieder in die Mediation entlassen. Der Mediator weiß dies in die Mediation und den Interessenausgleich einzubeziehen. Die Praxis sieht leider anders aus. Parteien und Mediatoren sind also gut beraten, wenn sie einen Anwalt einschalten, sich zu vergewissern, dass er sich auch in der mediation wirklich gut auskennt. Der Titel „Anwaltsmediator“ ist dafür nicht wirklich ein Indiz.

Der Anwalt als integrierter Mediator

Die BORA ist die Berufsordnung der Rechtsanwälte. § 1 Absatz 3 BORA besagt:

„Als unabhängiger Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten hat der Rechtsanwalt seine Mandanten vor Rechtsverlusten zu schützen, rechtsgestaltend, konfliktvermeidend und streitschlichtend zu begleiten, vor Fehlentscheidungen durch Gerichte und Behörden zu bewahren und gegen verfassungswidrige Beeinträchtigung und staatliche Machtüberschreitung zu sichern“. 

Damit ein Rechtsanwalt konfliktvermeidend, also deeskalierend und streitschlichtend tätig werden kann, muss er einiges über Konflikte wissen. Die Mediation vermittelt dieses Wissen, allerdings of nur im Rahmen der isolierten Anwendung wie bei der „reinen Mediation“. Die IM beschreibt die Anwendung auch virtuell (als Konzept) und als Form (verfahrensintegrierte Mediation). Einem Anwalt, der IM Mediator ist, kann man vertrauen, dass er nicht nur den § 1 Abs. 3 BORA kennt, sondern dass er diese Anforderung auch umzusetzen vermag.

Klärungsbedarf

Eine der wichtigsten Anforderungen ist die Klarheit der Rolle, in der sich der Anwalt gerade bewegt. Es genügt nicht auf den Briefkopf zu schauen. Auch wenn dort „Anwalt & Mediator“ steht, heisst das noch lange nicht, dass der Anwalt mediativ arbeitet. Es ist die Aufgabe des Anwalts seinem Mandanten oder dem Medianden seine Arbeitsweise offen zu legen. Statt also auf den Titel zu achten, sollte man auf das Profil des Anwalts (seine Selbstbeschreibung) achten. Was passiert, wenn die Rolle nicht geklärt ist beschreibt der Haftungsfall. Mit dem Inkrafttreten des Mediationsgesetzes sollte die BORA auch dahingehend geändert werden, dass der Rechtsanwalt darauf zu achten hat, dass der mediator keine Fehler begeht und dass er die Mediation ggfalls von außen unterstützt. Der erwähnte Haftungsfall ist ein Hinweis darauf, was passiert, wenn der außenstehende Anwalt gegen die Mediation arbeitet, statt sie reparieren zu helfen.