Bitte bekommen Sie keinen Schreck. Der Papst ist sicher kein Mediator. Das wird auch gar nicht von ihm erwartet. Das Gegenteil ist der Fall; schade eigentlich. Die Erwartungen an die Papstrede im Reichstag, der eigentlich ein Bundestag ist, waren hoch. Sie waren nicht hoch genug, um den Papst auf einer Metaebene zu wähnen, einer Ebene, die über den Dingen steht. Diese Ebene wäre – katholisch betrachtet – dann wohl doch zu hoch und sie ist – ebenfalls katholisch betrachtet – auch offenbar schon anders besetzt. Diese Ebene wäre – immer noch katholisch betrachtet – wohl auch ziemlich kontraproduktiv. Denn auf der Metaebene lassen sich keine Positionen ergreifen. Aber genau das wurde vom Papst erwartet.

Nun hatte er, folgt man der Berichterstattung, dieser Erwartung offenbar nicht entsprochen. Wenn er aber keine Position bezogen hat, machte ihn das dann nicht doch zum Mediator? Nein, würde man sagen, denn das war nicht sein Job.

Wie auch immer. Für die Ohren eines Mediators war das ein oder andere Zitat seiner Rede im Parlamentssaal durchaus von Interesse. NTV berichtete am 23.9. über die Papstrede. Markant war demnach zum Beispiel die Behauptung, dass das Mehrheitsprinzip in den Grundfragen des Rechts, in denen es um die Würde des Menschen und der Menschheit gehe, nicht ausreichend sei. Das ist übrigens auch eines der Themen auf dem Kongress “Vision Mediation” in Berlin. Wir meinen, die Mediatoren und die Politiker sollten, besonders wenn es um das Mediationsgesetz geht, nicht nach Mehrheiten suchen, sondern nach einem Konsens. Schließlich behaupten sie zu wissen, wie man das macht.

Dann beklagte der Papst in seiner vor allem philosophisch gehaltenen Rede, dass die Welt fast nur noch in Kategorien wissenschaftlicher Erkenntnisse bewertet werde. Auch diese Klage spricht für die Mediation, wo es neben der Sachebene auch eine Emotions- und Beziehungsebene gibt. In unserer Gesellschaft wird inzwischen alles evaluiert und alles wird bewertet. Für Alles gibt es ein Assessment. Wo bleiben die Intuition und wo das Vertrauen?

Die Rede des Papstes wird kritisiert, teilweise wurde sie boykottiert. Man hat Lösungen erwartet und eine klare Positionierung; warum eigentlich? Ok wir sind nicht in einer Mediation, da spielt die Eigenverantwortung also keine Rolle. Da kann man durchaus andere Verantwortlich machen.

Wie immer waren die Fans begeistert. Wie immer fühlten sich die Gegner bestätigt. So hat doch jeder bekommen, was er wollte. In gewisser Weise ist das doch auch eine win-win Situation. War das jetzt mediativ geplant?

Und dann war da der Heckenshütze mit dem Luftgewehr. Was sollte  uns das sagen? Er wurde verhaftet. Die Frage ist damit aber nicht beantwortet. Ein Demonstrant, der auf einem Plakat “Schweinepriester” geschrieben hatte, wurde wegen Beleidigung angezeigt. Ich frage mich, hat er damit eigentlich den Papst oder dessen Schäfchen beleidigt? Sicherlich waren die Kirche und die Missbrauchsskandale angesprochen. Das hätte man durchaus auch netter sagen können.

Überhaupt hätte man alles netter machen können. Die Abgeordneten hätten den Papst auch gar nicht boykottieren brauchen. Wenn sie sich ganz normal verhalten hätten, wären sogar noch mehr Sitze frei geblieben. So gesehen gab es doch noch eine große Respektbekundung gegenüber dem Papst. Was wir aber gelernt haben ist, dass die leeren Abgeordnetensitze durchaus mit Claqueuren aufgefüllt werden können. Das ist auch eine Botschaft. Warum, so frage ich mich jetzt, achtet man bei den Gesetzesabstimmungen nicht auch auf eine solche Botschaft? Ist der Papst etwa wichtiger als der Wähler?