War Jesus ein Mediator?

Wenn wir nach Vorbildern für die Mediation suchen, dann ist es an Weihnachten nahe liegend, die Frage aufzuwerfen, ob vielleicht sogar Jesus ein Mediator war. Unsere Recherche beginnt bei Google. Der Suchbegriff „War Jesus ein Mediator?“ bringt 3.480.000 Treffer. Das deutet darauf hin, dass diese Frage von Vielen gestellt wurde. Vielleicht lassen sich über dieses Interesse ja Kriterien für eine Nachfrage nach Mediation erkennen? Tatsächlich stoßen wir schnell auf den ersten Hinweis: Jesus war ein Mittler zwischen Gott und Mensch. Mediator dei, also Mittler Gottes, heisst auch eine Enzyklika, die am 20. November 1947 von Papst Pius XII. veröffentlicht wurde.

Der Begriff taucht also schon mal auf. Aber obwohl Mittler „in der Mitte“ bedeutet, bestehen doch Bedenken, dass Jesus ein Mediator war. In keinem Fall könnte er sich seit dem Inkrafttreten des Mediationsgesetzes als zertifizierter Mediator bezeichnen. Hier fehlen ihm die 120 Ausbildungsstunden.

Wir wollen der Frage aber trotzdem weiter auf den Grund gehen. Ein Mediator kann ja auch nach dem neuen Mediationsgesetz ein Mediator sein, wenn er nicht zertifiziert ist. Wir recherchieren also weiter. Wieder in Google, diesmal lautet die Abfrage „Jesus Mediator“. Wir erzielen 8.080.000 Treffer. Die meisten Treffer sind auf Englisch. Wir stoßen auf folgendes:

Jesus: Mediator of a Better Covenant. Das bedeutet: „Jesus: Mittler eines besseren Bundes“ wobei covenant in der nicht biblichen Bedeutung so viel bedeutet wie Vereinbarung. Das kommt der Sache doch schon näher. Allerings kommt Jesus in Uri Fishers „Getting to yes“ nicht vor.

Es wird aber noch spannender. Denn nur wenige Treffer weiter finden wir: „Who is Jesus?
Advocate and Mediator
„. Oups Anwalt und Mediator, gleichzeitig? Das geht doch gar nicht. Vielleicht war Jesus aber sogar ein integrierter Mediator? Wir müssen berücksichtigen, dass wir es hier mit Übersetzungsproblemen zu tun haben. Die ursprünglichen Begriffe stammen wohl aus dem Griechischen. Advocate geht auf Parakletos zurück und mag auch mit Helfer übersetzt werden. Das passt dann etwas besser in die Allparteilichkeit.

Jetzt scheint es auf den Punkt zu kommen. Wir finden den Beitrag: „What does it mean that Jesus is our mediator?“ Genau dass war ja unsere Ausgangsfrage. Der Beitrag führt aus: „Ein Mediator ist jemand, der zwischen den gegenüberliegenden Seiten als Vermittler fungiert, um eine Einigung herbeizuführen.“ Nun ja, das kann man vielleicht so stehen lassen. Wobei ein echter Mediator wohl Bedenken hat, zu sagen, er vermittele, um eine Einigung herbeizuführen. Er würde eher sagen, er vermittelt, um die Parteien in die Lage zu versetzen, sich zu einigen. Das mag aber als Spitzfinig gelten.

Dann wird weiter ausgeführt: „Ein Mediator versucht, einen Streit zwischen zwei Parteien mit dem Ziel der Beilegung eines Streitfalls zu beeinflussen.“ Hier bekommt ein echter Mediator wieder Bauchschmerzen. Das Wort beeinflussen hört er nicht so gerne. Obwohl eine Mediation stets auch irgendwie eine Beeinflussung ist. Allerdings lenkt die Beeinflussung auf eine Klärung hin, nicht auf ein bestimmtes Ergebnis. Aber vielleicht sollte man jetzt erst mal klären, was Beeinflussung überhaupt bedeutet. Das ist gerade aber nicht unser Thema.

Eine Mediation ist statthaft, wenn ein Konflikt oder wenigstens ein Streit zugrunde liegt. Hier führt der Beitrag aus: „Gott hat einen Streit mit uns, wegen der Sünde. Die Sünde ist die Übertretung des Gesetzes Gottes und bedeutet Rebellion gegen Gott … Die rechtmäßige Strafe für die Sünde ist die Ewigkeit in der Hölle“. Wenn das kein Konflikt ist? Wir haben also zwei Parteien. Auf der einen Seite Gott, der bestrafen will, auf der anderen Seite den Menschen, der nicht bestraft werden will. Das klingt dann mehr nach einem Täter Opfer Ausgleich als nach Mediation. Wobei wir wissen, dass auch hier die Grenzen fließend sind. Der Beitrag führt jetzt weiter aus, dass der Mensch aus eigener Kraft sich der Strafe nicht entziehen kann. Und dass er ohne einen Vermittler dazu bestimmt sei, die Ewigkeit in der Hölle zu verbringen. Ja tatsächlich, damit könnten Medianten beschrieben sein. Nun wird erläutert, worin die Vermittlung besteht. In der Mediation wäre es die Vermittlung des Verstehens. Das würde bedeuten, Gott versteht die Menschen nicht und die Menschen als gegnerische Partei verstehen Gott nicht. Dass Gott etwas nicht versteht ist kaum anzunehmen. Ich bin aber kein Theologe. Aber dieser Gedanke legt die Annahme nahe, dass hier etwas anderes vermittelt wird, als Verstehen. Es geht ja wohl auch nicht um Verstehen, sondern um Glauben. Der Beitrag führt weiter aus: „Jesus vermittelt, wie ein Verteidiger für seinen Mandanten“. Jetzt bekommt der Begriff vermitteln einen sehr unmediativen Einschlag. Wenn dann noch ausgeführt wird, „dass der Verteidiger die Strafe statt des Sünders auf sich genommen hat“, dann – so denke ich – würde niemand mehr Mediator werden wollen, wenn das Mediationsgesetz eine  derart lebensbedrohliche Schuldübernahme zum Wesensmerkmal der Mediation erhoben hätte. Allerdings könnte ich mir vorstellen, dass die Nachfrage nach Mediation in einem solchen Fall extrem gut ausfiele. In den weiteren Ausfürhungen heisst es dann, dass Jesus durch diese Strafübernahme die Voraussetzungen gesetzt hat, einen neuen Bund zwischen Gott und den Menschen zu ermöglichen. Es wird weiter ausgeführt: „Mit seinem Tod am Kreuz hat er die Sünde gegen Gerechtigkeit ausgetauscht“. Wir haben es also mit einem Mediator zu tun, der durch die Übernahme einer Schuld den Schulderlass und dadurch eine Einigung ermöglicht hat. Das ist sicher keine Mediation iSd Mediationsgesetzes. Ich bin mir auch nicht sicher, ob das Ergebnis eine win-win Lösung ist. Auch über die Nachhaltigkeit dürften Fragen offen geblieben sein. Denn wenn ich es richtig verstehe ist die Sünde damit ja nicht aus der Welt geschaffen worden.

Was wir lernen ist: Eine Vermittlung hat viele Gesichter. Nicht alles was so heisst ist eine Mediation. Aber auch das, was dann letztendlich doch keine Mediation ist, kann zu einer Einigung führen und etwas Gutes bewirken. Vielleicht ist es einfach nur eine Frage des Glaubens?

Wir wünschen Ihnen allen ein frohes und besinnliches Weihnachtsfest.