Man sollte sich mit dem Gedanken vertraut machen und ihn immer präsent haben, wenn es um die Mediation geht: Die Mediation ist anders. Sie erfordert ein Umdenken. Laotses Weisheit: „Der Weg ist das Ziel“ oder Schiefersteins „Tanz mit dem Moment“ kommen ihr nahe.

Mediation ist Prozessmanagement

Prozedural betrachtet steht bei der Mediation die Entwicklung, der Prozess an und für sich, im Vordergrund nicht das Ergebnis. Die Ergebnisoffenheit ist für Viele bereits eine befremdliche Vorstellung. Die Mediation ist als ein Suchspiel konzipiert. Ihr geht es darum, eine (noch bessere, alles berücksichtigende) Lösung zu finden. Das Ergebnis ist die gefundene Lösung. Sie entwickelt sich aus dem Prozess. Ein weiterer Unterschied zu herkömmlichen Verfahren, ist die vom Verfahren gelöste Wirksamkeit des Ergebnisses. Verfahrensfehler haben also keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der getroffenen Vereinbarung. Die Wirksamkeit einer getroffenen MAV (Mediationsabschlussvereinbarung) wird durch eine fehlerhafte Mediation weder suspendiert noch außer Kraft gesetzt. Konsequent ergeben Verfahrensfehler keinen rechtlichen Anlass zur Anfechtung der Abschlussvereinbarung. Eine Anfechtung wäre nur bei einer Täuschungshandlung des Mediators als Werkzeug der zu begünstigenden Partei nach § 123 Abs. 2 BGB denkbar. In Betracht kommen jedoch Sekundäransprüche (Ansprüche auf Schadensersatz gegen den Mediator).

Verfahren und Ergebnis sind unabhängig voneinander

Für die Mediation mag der Grundsatz herausgestellt werden, dass das Verfahren und das Ergebnis zwei rechtlich voneinander zu unterscheidende Zustände sind. Die Parteiautonomie liefert den Schlüssel für das Verfahrensverständnis. Die Kommunikation ist das Mittel. Das Denken beschreibt den Weg. Die Mediation ergibt das nicht enumerative „Wie“. So gesehen verwundert es, dass die Richter eine gesetzgeberische Erlaubnis eingefordert haben, um in einer bestimmten Art und Weise denken und kommunizieren zu dürfen. Die Vorschrift des § 287 Abs. 5 ZPO, die dem Richter ausdrücklich eine mediative Methodik erlaubt

[4], ist deshalb am besten vor dem Hintergrund der politischen Auseinandersetzung nachzuvollziehen. Unter kommunikativen Gesichtspunkten wäre eine derartige Regelung nur dort angebracht, wo eine formelle Kommunikation der informellen Kommunikation jeglichen Atem nimmt. Das ist im deutschen Prozessrecht jedoch nicht der Fall. Hier steht dem Richter ein ausreichender Kommunikationsrahmen zur Verfügung, mit dem es tatsächlich möglich ist, eine gütliche Beilegung des Streites zu erzielen.

Äpfel und Birnen

Die Mediation mit konventionellen Verfahren zu vergleichen oder sie an ihnen zu messen ist wie der Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Wegen ihrer Andersartigkeit ist es irritierend, wenn die Mediation an konventionellen Verfahren ge­messen wird. Besonders wenn die geübten Verfahren ein abweichendes Kommunikationsmodell aufweisen und ein anderes strategisches Konzept verfolgen. Die Mediation fordert ein atypisches „Spiel“ ein. Diesen Kontext zu ignorieren, wäre so, als würde man Schach (Nullsummenspiel) mit dem Gefangenendilemma (Nicht-Nullsummenspiel) vergleichen, um dort schließlich die Regeln des Schachspiels zur Anwendung zu bringen. Dass die Mediation, spieltheoretisch betrachtet, als ein so genanntes Plus- oder Positivsummenspiel vorzuhalten ist, ist einer der gravierendsten Unterschiede zu allen konventionellen Verfahren und vielen Kooperationsformen.

Mediation ist keine Rechtsprechung

Und sie sollte es auch niemals sein. In der Mediation wird kein Recht gesprochen. Damit unterscheidet sich die Mediation grundlegend von der Gerichtsbarkeit und der Schiedsgerichtsbarkeit. Anders als die Mediation wird die Schiedsgerichtsbarkeit im Rechtsstaatsprinzip und nicht in der Privatautonomie verortet[10]. Sie ist materiell Rechtsprechung[11] und in der ZPO (§§ 1025 ff ZPO), mithin in einem öffentlich-rechtlichen Kontext, geregelt; auch wenn es sich dabei nur um ein selbständiges Seitenstück der ZPO handelt[12]. Die Annahme, es handele sich bei der Schiedsgerichtsbarkeit um ein rein prozessrechtlich zu bewertendes Institut, ist herrschend[13].

Die Mediation hat mit Rechtsprechung ganz und gar nichts zu tun. Selbst dann nicht, wenn sie als eine Alternative zum Gerichtsverfahren etabliert wird und ihr die offizielle Kompetenz eingeräumt sein soll, ein solches zu ersetzen. Allerdings impliziert die Annäherung zur Justiz die Gefahr, dass die Mediation (wie die Schiedsgerichtsbarkeit) im Rechtsstaatsprinzip verortet wird, selbst dann, wenn sie dort nicht hingehört.

Herleitung der Lösungen

In die Rechtssprache übersetzt wäre die Lösung mit der rechtsfolge eines Gesetzes gleichzusetzen. Anders als im Recht wird die Lösung bei der Mediation aber gerade nicht aus einer Rechtsfolge, sondern aus dem zu erwartenden Nutzen abgeleitet. Während die Konfliktlösung im Gerichtsverfahren durch die Entscheidung hergestellt wird, ist die Regelung in der Mediation nicht die Voraussetzung, sondern die Folge der gefundenen Konfliktlösung. Die in der Abschlussvereinbarung [457] zum Ausdruck kommende Regulierung dient also bereits zur Verwirklichung der gefundenen Lösung. Auch insoweit unterscheidet sich die Mediation von allen konventionellen Verfahren und der darin verwirklichten Form eines lösungsorientierten Denkens. Die Beispiele mögen bereits davon abraten, nicht kompatible Grundsätze konventioneller Verfahren als Gebrauchsanleitung für die Mediation heranzuziehen. Irritationen sind die Alternative. Sie ergeben sich schon heute aus der Verwendung des Gegenstandsbegriffs im Tätigkeitsverbot, aus der unpräzisen Terminologie [880], aus der von der Schiedsgerichtsbarkeit übernommenen Institutionalisierung und aus der Übernahme von Maximen des Zivilprozesses.

Privatautonomie vs. Hoheitlichkeit

In einem hoheitlich organisierten Verfahren, dem die Parteien mehr oder weniger ausgeliefert sind, bedarf es erzwingbarer Regelungen über die Anwesenheitspflicht, die Mitwirkungspflicht, die Wahrheitspflicht, den Anspruch auf einen gesetzlichen Richter, Regelung zur Besorgnis der Befangenheit und über Rechtsmittel. In der Mediation bedarf es keiner Abwehrrechte. Hier behalten die Parteien in jeder Lage des Verfahrens die Kontrolle. Das Prinzip der Freiwilligkeit garantiert Ihnen diese Macht. Die in der Literatur[14] aufgeworfene Frage nach der Anwendbarkeit des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs [836] ist deshalb von vorne herein abwegig und nicht zur Mediation passend. Die Auflösung der Frage, wonach rechtliches Gehör nicht zu gewähren sei, macht das Ergebnis noch weniger stimmig. Es würde den Mediator vom Zuhören entbinden und selektives Zuhören erlauben. Ein weiterer Unterschied zwischen der Mediation und anderen Verfahren ist der Umgang mit Macht. In der Mediation gibt es kein (originäres) Machtgefälle weder zwischen den Parteien noch im Verhältnis des Mediators zu den Medianden oder den Dritten. Die Andersartigkeit der Mediation erfordert nicht nur ein Umdenken, sie ermöglicht es auch. Allerdings wird man ohne ein Umdenken der Mediation nicht gerecht. In keinem Fall sollte die Mediation an anderen Verfahren gemessen werden, ohne dass diese zuvor mit den Eigenarten der Mediation verglichen wurden.

Mehr dazu in „Mediation (un)geregelt