Mit dem Beitrag „Falsche Mythen der Mediation“ wurde bereits auf einige Ansichten hingewiesen, die ein schiefes Bild von der Mediation ergeben und bedingen. Grund genug, nochmals den Blick auf die Mythen zu richten und weitere falsche Mythen aufzuführen.

Es gibt nur DIE Mediation

Mediation ist nicht gleich Mediation. Es gibt verschiedene Gestaltungsformen und fließende Übergänge. Verschiedene Ausgestaltungen sind die evaluative Mediation, die facilitative Mediation, die transformative Mediation und wenn man so will die integrierte Mediation. Fließende Übergänge gibt es zur Schlichtung (evaluative Mediation) und zur Moderation (facilitative Mediation). Es ist deshalb falsch, beispielsweise zu behaupten, ein Mediator dürfe keine Vorschläge unterbrieten. Diese Anforderung steht erstens nicht im Gesetz  und ist zweitens der evaluativen Mediation nicht fremd. Wenn über Mediation sidkutiert und gestritten wird, dann sollte man also zunächst klären, um welche Art der Mediation und welche Erscheinungsform gerade gesprochen wird.

Die Parteien sind alleine nicht in der Lage, ihren Streit zu regeln

Diese Behauptung stammt leider aus dem Mund der Ministerin (siehe „Streit um Etiketten„). Politiker sollten ihre Bürger besser kennen. Schon nach Stuttgart 21 äußerten sich manche überrascht über den Sachverstand ihrer Bürger. Die Überraschung ist scheinbar wieder in Vergessenheit geraten. Man sollte die Auffassung über Kompetenz und Unvermögen der Bürger wenigstens nicht derart pauschalieren und statt dessen überlegen, wann die Parteien warum daran gehindert scheinen, ihre Probleme selbst zu lösen. In den meisten Fällen sind die Menschen durchaus und ohne weiteres in der Lage, Lösungen zu finden und ohne professionelle Hilfe umzusetzen. Manchmal sind es die Politiker und die Gesetze die sie daran hindern. Das sollte man nicht vergessen. Es gibt viele Menschen, die in ihrem ganzen Leben weder einen Anwalt, noch einen Richter oder gar einen Mediator gesehen haben.

Es führt zu einem Rechtsverlust, wenn eine Partei ihren Anspruch nicht geltend macht.

Das Gegenteil ist der Fall. Die Nichtgeltendmachung eines Anspruchs ist Ausübung eines Rechts und keinesfalls ein Rechtsverlust. Worauf es ankommt ist die Klärung warum welcher Ansoruch nicht geltend gemacht wird.

Parteien können einen gerichterlichen Vorschlag nicht ablehnen

Dieses Argument wird als Argument benutzt, warum ein Richtermediator kein Mediator sein sollte. Es wird behauptet, er könne aus seiner Rolle als Richter nicht wirklich heraustreten und die Parteien würde in ihm auch als Richtermediator stets die richterliche Autorität sehen und sich deshalb allzusehr an ihm orientieren. Ob und wie der Richter mit den Rollen als Richter und Mediator zurecht kommt, ist eine Frage der Ausbildung. Dass die Parteien sich nicht trauen, einen richterlichen Vorschlag abzulehnen entspricht nicht der Realität. Zumindest ist diese Behauptung nicht belegt.

Die Richtermediation ist eine verdeckte Subventionierung

Das ist nicht unbedingt ein falscher Mythos aber eine zu differenierende Behauptung. Wenn die Justiz nach Wegen sucht, Prozesse anders als durch Urteile zu erledigen, dann ist dies unter dem Eindruck der inflationären richterlichen Arbeitsbelastung schon mal unter dem Gesichtspunkt der Notwehr zu beurteilen. Die Art und Weise wie die Einigung zustande kommt ist dabei eher unerheblich. Aus Gründen der Einigungsqualität ist sie es nicht. Hilfreich ist die Differenzierung zwischen Konsens und Kompromissvergleich. Ob die Justiz zur herbeifgührung derartiger Konsensvergleiche wirklich auf die Abtrennung des verfahrens und die Überleitung in eine Gerichtsmediation angewiesen ist, wird von der IM bezweifelt. Jedenfalls bedeutet das Angebot einer Gerichtsmediation die Erweiterung des Produktportfolios der Justiz, die mit Steuergeldern finanziert wird. Daraus ergibt sich zweifellos eine Wettbewerbsverschiebung. Ob die Subventione für den Steuerzahler unter dem Strich eine (unzulässige) Belastung darstellt oder nicht, entscheidet sich aber erst bei einem Kostenvergleich. Keine Frage dass die Auslagerung des Verfahrens kostengünstiger wäre. Das gilt aber nur, wenn dies für die Parteien in Betracht käme. Mithin wäre die Lösung, dass die Gerichte anstatt eines Cross Sellings generell auf die Mediation als Alternative hinweisen.

Mediation soll die Streitkultur verbessern

Solange die Mediation als Produkt gesehen wird und nicht als Haltung, Einstellung oder denkweise, ändert sich die Kultur ganz sicher nicht. Eine Kultur definiert sich nicht über den Konsum, wohl über das verhalten und die Einstellung, die zum Konsum führt. Wenn also die Mediation als Produkt eingeführt wird, um Kultur zu verändern, dann gelingt das nur, wenn dieses Produkt sich einer Nachfrage erfreut, die es als ein generell verwertbares Modell identifiziert und nachgeahmt weerden will. Das aber wollen die Berufsverbände ganz offensichtlich nicht. Sie fokussieren die Nachfrage. Die Kulturveränderung ist das Alibi.

Es gibt nur EINE Konflikttheorie

Leider nicht. Es gibt zig Konflikttheorien und diese auch noch aus den unterschiedlichsten Disziplinen. Eine einheitliche Konflikttheorie gibt es erst recht nicht.   Würde man die Mediation als eine Wissenschaft verstehen, dann wäre es an ihr eine einheitliche interdisziplinäre Konflikttheorie zu entwickeln.

Gesetze sind dazu da, um befolgt zu werden

Gesetze machen Sinn. Leider können sie nicht jeden Einzelfall bewerten und beurteilen oder vorausplanen. Die Frage ist: Sind wir der Diener des Rechts oder ist das Recht der Diener des Menschen. Wenn wir das Recht als Diener des Menschen verstehen, dann sind wir in der Lage, das Recht besser zu verstehen und wir sind motiviert es umzusetzen. Das gleiche gilt für die Standards zur Mediation. Sie sind kein Selbstzweck und kein Dogma. Sie geben Orientierung und Anleitung. Sie sollten nicht missbraucht werden für politische Zielsetzungen.

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