Experten streiten über Gesetzentwurf zur Förderung der Mediation. So lautete der Titel der Pressemitteilung über die Sitzung des Rechtsausschuss (Anhörung) – 25.05.2011 in Berlin. Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktlösung (17/5335) ist unter Experten umstritten. Nachfolgend lesen Sie eine mit Kommentaren versehene Fassung (Kommentare in Kursivschrift):

Das Wort Streit ist schon in der Einleitung der Pressenmitteilung dominant. Nicht etwa weil es um Streitschlichtung geht, sondern weil die Streitschlichter über verschiedene Meinungen streiten. Unsere Studenten lernen, dass es sich nicht lohnt über Meinungen zu streiten. Noch weniger lohnt es sich über Fakten zu streiten. Das gilt natürlich auch dann, wenn es um die Mediation geht.

Während einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses bildete insbesondere die neben der außergerichtlichen und der gerichtsnahen Mediation vorgesehene gerichtsinterne Mediation einen Streitpunkt.

Bei diesem Streitpunkt sollte man sich vor Augen halten, dass das Gesetz die gerichtsinterne Mediation nicht vorschreibt, aber möglich macht. Es ist dann letztlich die Angelegenheit der Gerichte, ob und wie sie das Angebot umsetzen. Und es ist eine Entscheidung der Nachfrage, ob das Angebot angenommen wird. Die freien Mediatoren sehen in ihm eine Bedrohung. Die gerichtsinterne Mediation könnte ihnen den Markt streitig machen. Der Gedanke ist nicht falsch, wird so von der Justiz aber nicht gesehen.  Bei kritischer Betrachtung wird das Angebot einer gerichtsinternen Mediation die Nachfrage schon deshalb verändern, weil die Justiz ihre Kompetenz erweitert. Hinzu kommt, dass die Justiz in Deutschland einen guten Ruf besitzt. Das ist der Grund, warum es die Mediation hier schwerer hat als in Amerika, wo die Justiz teuer und schlecht berechenbar ist. Verbessert die Justiz ihren Ruf, gibt es noch weniger Grund ihr fernzubleiben. Sie erschwert damit indirekt die Nachfrage nach Mediation. Andererseits ist sie aber auch ein Wegbereiter. Dadurch ermöglicht sie die Nachfrage nach Mediation.

Einig waren sich die Experten hingegen in der Feststellung, dass die im Entwurf genannten Ausbildungs- und Fortbildungsregelungen für Mediatoren erweitert werden müssten.

Erweitert bedeutet, dass eine Mindestausbildung gesetzlich vorgeschrieben wird. Man will verhindern, dass sich jemand nach einem Wochenendkurs als Mediator bezeichnet. Das ist an und für sich nichts schlimmes. Was aber, wenn er auch noch eine Mediation anbietet und was ist wenn er dabei scheitert? Der Ruf der Mediation scheint auf dem Spiel zu stehen. Es sind Befürchtungen, um die gestritten wird. Aber welche Befürchtungen sind das? Die Angst, dass eine Friedensbemühung scheitern könnte und deshalb von vorne herein verhindert wird oder die Sorge, dass Dilettanten das eigene Angebot beeinträchtigen könnten oder die Befürchtung, dass Schnellanbieter den „Seriösen“ den Ausbildungsmarkt streitig machen? Der Streit ließe sich vermeiden, wenn die Fakten über das Nachfrageverhalten bekannt sind.

Die ersatzlose Streichung der Regelungen zur Einführung der gerichtsinternen Mediation forderte Michael Krämer, Vorsitzender Richter am Landgericht Mühlhausen. Er lehne es ab, solch ein ”kommunikationswissenschaftliches Schlichtungsinstrument aus fiskalischen Gründen an den Gerichten einzuführen“, sagte Krämer.

Das ist eine sehr rigorose Auffassung. Sie klingt deshalb schief, weil der Richter einen Schlichtungsauftrag hat. Wie sonst als mit den Mitteln der Kommunikation soll er ihm nachkommen? Die Frage ist also nicht ob der Richter ein kommunikationswissenschaftliches Schlichtungsinstrument benutzt. Die Frage ist, ob die Justiz zu dem Zweck ihr Portfolio erweitern sollte. Es gibt Alternativen.

Es sei zudem auch verfassungsrechtlich nicht haltbar, wenn künftig die Landesregierungen entscheiden sollen, ob eine gerichtsinterne Mediation angeboten wird. ”Der Bundesgesetzgeber muss dies regeln“, betonte er. Für eine ”Umschichtung“ der gerichtsinternen Mediation zum Güterichtermodell sprach sich Michael Plassmann, Rechtsanwalt und Mediator aus Berlin aus.

Das Kind bekommt einen anderen Namen. Auffällig ist, dass man über Verfahren im Sinne von Dienstleistungsangeboten streitet. Nicht über Ziele, Werte und das Selbstverständnis der Konflikthelfer. Angeblich geht es doch um eine Verbesserung der Streitkultur.

Die vom Gesetzgeber gewollte Verschwiegenheit des Mediators sei bei einem ”Richtermediator“ nicht immer zu erreichen, da dieser gleichzeitig in bestimmten Fällen zu einer Anzeige verpflichtet sei.

Die Vertraulichkeit ist zweifellos eingeschränkt im Gericht. Bei genauem Hinsehen ist sie es auch in der Mediation. Es gibt keine absolute Vertraulichkeit. Ist es letztlich aber nicht die Entscheidung der Parteien, wie viel Vertraulichkeit sie benötigen? Die Diskussion erscheint überflüssig, solange die Parteien das Verfahren wählen können. Wenn ihnen die Vertraulichkeit wichtig ist, können sie das Angebot ablehnen.

Die flächendeckende Einführung des Güterichtermodells würde hingegen den Richtermediatoren die Option eröffnen, ihre Mediationskompetenz, ”die unzweifelhaft vorhanden ist“, einzubringen, ohne in Rollenkonflikte zu gelangen.

Da gibt es auch andere Möglichkeiten, diese Kompetenz einzubringen. Wie wäre es mit der integrierten Mediation?

Gänzlich anderer Meinung ist der Deutsche Richterbund. Dessen Vertreter Oliver Sporré lehnte sowohl eine Abkopplung als auch eine Umbenennung der gerichtsinternen Mediation ab. Bei 60 bis 70 Prozent der Fälle würde auf diesem Wege eine gütliche Einigung erlangt, sagte er. Wolle man das Verfahren von dem Gesetzentwurf abkoppeln, ….

Die gerichtsinterne Mediation ist vom Gerichtsverfahren (im Sinne des Erkentnisverfahrens) abgekoppelt. Es ist ein separates Verfahren, das allerdings aus dem Erkenntnisverfahren erwächst, genau wie die externe Mediation.

… nehme man dem Ganzen das Zugpferd weg, so Sporré. Auch eine Umbenennung sei nicht nötig: ”Wir machen Mediation“, machte er deutlich.

Man kann über die gerichtsinterne Mediation denken, wie man will. Fakt ist, sie macht Mediation populär. Fakt ist auch, dass Richter, die eine Mediatorenausbildung haben dies auf die eine oder andere Art zur Anwendung bringen. Spannend ist, dass Modelle gegeneinander gestellt und in einen Wettbewerb gebracht werden. Warum lässt man das nicht vom Kunden entscheiden? Je größer das Angebot, desto größer die Auswahl. Man mag über die Wettbewerbsbedingungen diskutieren. Sie sind ungleich verteilt zwischen der externen und der Gerichtsmediation.

Der Gesetzentwurf würde ohnehin schon aufgrund von ”Einwänden von Interessenverbänden“ die gerichtsinterne Mediation zugunsten der anderen Mediationsarten beschneiden. ”Das bedeutet eine Schwächung der Rechtsordnung in Deutschland“, sagte Sporré.

Zunächst sei anzumerken, dass die gerichtsinterne Mediation keine Mediatiosnart ist. Es bezeichnet lediglich die Art und Weise des Mediationsangebotes. Die gerichtsinterne Mediation ist ein isoliertes Verfahren, wie die außergerichtliche Mediation auch. Die zur Anwendung kommende Mediationsart wird eher eine evaliuative sein, als eine transformative. Der Unterschied zwischen beiden Varianten der Mediation kommt sehr schön in dem Filmbeitrag von Recht brisant zum Ausdruck. Die Gerichtsmediation führte zwar zum Abschluss des Verfahrens nicht aber zu einer Bereinigung der Beziehung der Kontrahendinnen zueinander, ganz anders als die ebenfalls dargestellte aussergerichtliche Mediation, welches eine transformative Mediation war.

Mediation ist die Suche nach Lösungen, nicht die Suche nach Recht. Die Rechtsordnung wird also nicht dadurch beschnitten, ob die Gerichte eine Mediation als Dienstleistung anbieten oder nicht. Sie wird aber beschnitten, wenn die Entscheidungs- und Vertragfreiheit des Bürgers eingeschränkt wird.

Dass Mediatoren ”frei wie private Gesangslehrer“ ihre Tätigkeit ausüben dürften, kritisierte Wilfried H. Hausmanns, ehemaliger Präsident des Oberlandesgerichts Rostock.

Hier fasziniert nicht nur die gewählte Metapher, sondern auch die Formulierung „ausüben dürfen“. Sinn macht die Frage nur, wenn sie mit der gewerblichen Ausübung der Mediation verknüpft wird. Anderenfalls wäre auch die private Streitvermittlung als Friedensinitiative nur möglich, wenn sie an Bedingungen geknüpft wird. Der Krieg übrigens kennt solche Eingangshürden nicht. Warum erschwert man nicht den Weg in den Krieg und erleichtert den Weg in den Frieden? Wenn man der Bevölkerung das Singen nahe bringen wollte, wäre man froh über private Gesangslehrer. Will man aber dass die Bevölkerung nur Opern singen darf, dann ist das mit den privaten Gesangslehrern tatsächlich ein Problem.

Der Entwurf sehe weder ein Zulassungsverfahren noch eine Zertifizierung vor. Die Aus- und Weiterbildung jedoch der Eigenverantwortung zu überlassen sei ”ungeeignet“, urteilte Hausmanns. ”Wir brauchen ein Sicherungsinstrument, um zu einer allgemeinen Wertschätzung zu gelangen“, forderte er.

Mit der Wertschätzung das ist so eine Sache. Man kann sie nicht erzwingen, nicht geben und nicht nehmen. Wertschätzung entspingt der inneren Haltung. Sie lässt sich nicht über ein Sicherungsinstrument herstellen. Der Wunsch nach Absicherung ist selbst Ausdruck einer inneren Einstellung und somit Teil der Wertschätzung. Wobei Misstrauen eher auf eine Geringschätzung deutet. Gemeint sind Qualitätsmaßstäbe.

Seiner Kritik schlossen sich weitere Experten an. So sprach sich Professor Reinhard Greger von der Universität Erlangen-Nürnberg dafür aus, eine Zertifizierungsmöglichkeit zu schaffen, die zwar nicht die Voraussetzung für die Arbeit als Mediator bilden solle, jedoch als Anreiz dienen könne, sich weiterzubilden.

Das ist eine wichtige Differenzierung. Mediation als eine streitschlichtende und friedensbildende Maßnahme darf nicht eingeschränkt werden. Eine Differenzierung zwischen der beruflichen Mediation und der Mediation im übrigen wäre also angebracht.

Auch die Mediatorin Anita von Hertel betonte die Bedeutung der Ausbildung für die Mediation. Nach Angaben der Berufsverbände seien dafür mindestens 200 Stunden nötig. ”Das geht nicht an einem Wochenende“, sagte von Hertel. Die von den Verbänden festgelegten Standards müssten Grundlage dieser Ausbildung sein, forderte sie.

Anita von Hertel ist für den DFfM aufgetreten. Dort haben die Verbände (auch integrierte Mediation) sich auf eine 200 stündige Ausbildung geeinigt. Wir müssen uns aber im Klaren darüber sein, dass dies lediglich eine Quantifizierung ist und kein Qualitätsmerkmal. Allerdings wissen wir, dass es tatsächlich nicht möglich ist, Mediation an einem Wochenende zu lernen. Ein Wochenende wäre gerade ausreichend, um ein Gefühl dafür zu vermitteln, was Mediation wirklich ist.

Ansonsten würden ”die Hoffnungen in eine gute Mediation enttäuscht“.

Um wessen Hoffnungen geht es? Dem Kunden ist die Mediation im Zweifel völlig egal. Für ihn kommt es auf die Lösung an. Nicht darauf, ob sie nach den Regeln der Kunst zustande gekommen war oder nicht. Die „gute“ Mediation ist deshalb ausschließlich eine Frage des Berufsethos. Leider ist ein solches, ebenso wenig wie ein Profil des Mediators noch gar nicht definiert.

Wie die Mehrzahl seiner Kollegen sprach sich auch der Fachanwalt für Familienrecht, Christoph C. Paul, für die Etablierung einer Mediationskostenhilfe aus. Das Argument, dafür stehe kein Geld zur Verfügung, sei wenig überzeugend, befand er. Schließlich könne dadurch etwa im Falle von Scheidungen der Weg der Mediation gegangen und gerichtliche Verfahren vermieden werden, was zu einer Verminderung der Ausgaben für die Prozesskostenhilfe führen würde.

Es gibt viele Wege, wie sich Prozesskostenhilfe und somit die Staatsausgaben verringern lassen. Ein Weg wurde z.B. im Gutachten von Prof. Dr. Neuert aufgezeigt. Ob die Gewährung von Mediationskostenhilfe dazu beiträgt erscheint zumindest fraglich, weil sie zunächst zusätzliche Kosten aufwirft. Die Rechtsschutzversicherungen beispielsweise haben den Familienbereich aus dem Versicherungschutz ausgeklammert. Das hat sicher einen Grund. Welche Kosten entstehen und eingespart werden können, setzt eine Kostenanalyse voraus. Das sind klärbare Fakten, die weder einen Streit noch Spekulationen erfordern. Die Mediationskostenhilfe birgt aber noch ein anderes Problem in sich. Durch die Gewährung dieser finanziellen Unterstützung wird die Mediation zu einer Staatsangelegenheit. Die staatliche Kontrolle der Mediation wird dadurch also eher noch ausgedehnt. Die Prozesskostenhilfe ist beispielsweise an eine Prüfung der Erfolgs und des Rechtsschutzbedürfnisses geknüpft. Das ist gut nachvollziehbar. Immerhin verwendet der Staat Steuermittel für diese Leistung. Wie soll die Erfolgsprüfung bei einer Mediation aussehen? Wird es dann auch vorgeschriebene Honorare für die Mediatoren und gesetzliche Gebührensätze für die Mediation geben? Prozesskostenhilfe wird gewährt, weil der Staat eine Rechtsgarantie übernommen hat. Mediation hat mit Rechtsgarantie aber nichts zu tun.

Es drängt sich die Frage auf, worum streiten die Experten eigentlich wirklich? Spannend ist auch, dass sich wenigstens nach dieser Pressemitteilung niemand für Vielfalt, Transparenz, Aufklärung, Bildung und die freie Auswahl des Kunden eingesetzt hat.

Die ausgeführten Fassungen der Redebeiträge finden Sie hier