Wieder gibt es Diskussionen um die gerichtsinterne Mediation. Wie jetzt zu erfahren war, überlegt sich die Regierung, die gerichtsinterne Mediation kostenpflichtig anzubieten. Der Gedanke ist nicht neu. Er soll wohl einen unlauteren Wettbewerbsvorteil der gerichtsinternen Mediation aufheben. Eine Lösung des Problems wird sich aber auch mit diesem Konzept nicht herbeiführen lassen.

Die Herausforderung

Die gerichtsinterne Mediation soll zu einer Entlastung der Justiz beitragen. Sie soll auch zur Verbesserung der Streitkultur beitragen und die Nachfrage nach Mediation befördern.

Das Problem

Solange die gerichtsinterne Mediation als eine „reine Mediation“ organisiert wird, ist sie nicht mehr als die Erweiterung des Produktportfolios der Justiz. Die konventionellen Verfahren werden dabei nicht direkt verändert. Die Streitkultur verändert sich insoweit also gerade nicht. Ganz abgesehen davon, dass sich mit der Einführung eines neuen Produktes (Dienstleistung) keine Streitkultur verändern lässt. Erst recht nicht, wenn es sich um ein so genanntes low interest product handelt. Hinzu kommt, dass die Einführung eines neuen Produktes kostenintensiv ist. Das gilt auch dann, wenn für das neue Produkt im öffentlichen Haushalt keine expliziten Kostenstellen aufzuführen sind.

Das Dilemma

Je besser die Justiz funktioniert, desto höher wird die Nachfrage nach Justiz und umso geringer bleibt die Nachfrage nach außergerichtlichen Lösungsansätzen. Wenn es der Justiz darum geht, die Fallzahlen zu reduzieren, ist die außergerichtliche Streitbelegung die einzig wirksame Strategie. Ein Cross Selling in eigene, andere Produkte (gerichtsinterne Mediation) ist ein Instrument der Kundenbindung und bewirkt deshalb genau das Gegenteil. Andererseits haben die Justiz – oder wenistens einige Richter – das Bedürfnis, den Parteien eine befriedigende Lösung anzubieten. Sie erkennen, dass dies im Nullsummenspiel nicht ohne weiteres möglich ist. Auch haben die externen Mediatoren das Interesse, die Justiz als Schnittstelle und Multiplikator für die externe Mediation zu sehen. Mediation ist also ein Thema der Justiz. Ihre Anwendung in einem marktzugänglichen Produkt innerhalb der öffentlichen Verwaltung erscheint jedoch kontraproduktiv.

Die Lösung

Die Notwendigkeit zur Trennung von Gerichtsverfahren und Mediation basiert auf konfliktstrategischen Erwägungen. Sie ermöglicht kooperative Strategien in einem kooperativen Szenario. Auch verändert sie das Kommunikationsmodell in einer Weise, dass die Parteien aus dem Nullsummenspiel herausführt. Das Problem der Mediation ist – aus einer strategischen Sicht – jedoch, dass die Erkenntnis und die Bereitschaft für ein Positivsummenspiel erst in der Mediation hergestellt wird. Die Parteien müssen sich also für eine Mediation in einem Moment entscheiden, wo sie sich gedanklich noch im Nullsummenspiel befinden. Die besten Chancen, die Parteien zu einem kooperativen Denken im Sinne eines Positivsummenspiels zu lenken, hat der erkennende Richter (siehe hier). Anstatt die Parteien über die Mediation zu informieren und sie zu ihr zu überreden, kann er die Methoden der Mediation anwenden, um die Erkenntnisprozesse bei den Parteien auszulösen. Dies gelingt, wenn der erkennende Richter nach der in der integrierten Mediation beschriebenen Migrationsstragie verfährt und anmediiert. Die Effizienz und Umsetzbarkeit dieser Vorgehensweise wurde im Gutachten von Prof. Dr. Neuert aber auch mit anderen Projekten außerhalb des Familienrechts belegt. Die integrierte Meditaion bietet somit einen allseits befriedigenden Ausweg aus dem Streit um die gerichtsinterne Mediation.

Dem Gesetzgeber ist wiederum anzuraten, sich mit Regulierungen zurückzuhalten und den Modellen eine Chance zu geben, sich im Sinne der Mediation zu entwickeln.

Diese Aufforderung gilt übrigens neben den bereits geäußerten, allgemeinen Erwägungen über die Sinnhaftigkeit einer gesetzlichen Regelung in einem bürgerautonomen Verfahren (siehe hier). Die Idee der integrierten Mediation führt zu einem win-win Ergebnis und somit zur Auflösung des Dilemmas und zwar aus folgenden Gründen:

  • Die Richter können Mediation anwenden (als integrierte Mediation). Sie finden also die Befriedigung eines guten Ergebnisses und eines leichteren Verfahrens.
  • Die Verfahrenserleichterungen stehen nicht nur bei der gerichtsinternen Mediation, sondern in jedem Verfahren zur Verfügung. Nur diese breitflächige  andere Umgehensweise mit konfrontativen Verfahren kann zu einer Veränderung der Streitkultur führen. Sie erfasst den Umgang mit Konflikten im allgemeinen und nicht nur abgekapselt in speziell dafür vorgehaltenen (wenigen) Verfahren.
  • Auf diese Weise kann sich mediatives Denken verbreiten. Die Parteien haben die Gelegenheit, Erfahrungen zu sammeln. Aufwändige Zwischenverfahren (wie die Einrichtung eines Court Agents nach Kroatischem und Niederländischem Modell oder das Angebot des erwzungenen, kostenlosen Informationsgesprächs erübrigen sich.
  • Der Bedarf nach einer externen Mediation wird aus dem Erkenntnisverfahren selbst und unmittelbar generiert. Die Verweisung in eine externe Mediation wird erleichtert, weil die Parteien eine konkrete Vorstellung davon bekommen, wie dieses andere Verfahren mit welchem Ergebnis abschließen kann und wie sich dieses Ergebnis zu dem aus einer Konfrontation resultierenden Ausgang verhält.
  • Die Vergleichrate bei konventionellen Verfahren wird steigen. Die Richter werden wzischen Konsens- und Kompromissvergleichen unterscheiden können. In den Fällen, in denen die Richter ihre Verhandlungsgrenzen erreichen, ist der Weg in die externe Mediation vorgegeben und als natürliche Konsequenz aus dem bisherigen Verhalten abzuleiten. Die Nachfrage nach der externen Mediation wird deshalb ebenfalls gestärkt. Die Parteien müssen kein Gerichtsverfahren anstrengen, um in den Genuss einer reinen Mediation zu kommen.
  • Die Überlegung, auch für die Mediation Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, erübrigt sich.
  • Cross selling und Kundenbindung an die Justiz werden vermieden. Die Unklarheit der Abgrenzung der Dienstleistungen zwischen der gerichtsinternen und der externen Mediation wird beseitigt, weil eine Abgrenzung der Produkte nicht notwendig ist.
  • Das Mediieren etabliert sich im Bewusstsein der Bevölkerung. Aus diesem Bewusstsein entsteht der Bedarf nach Mediation und somit eine gesteigerte Nachfrage nach der externen Mediation. Das Gericht nimmt seine Schnittstellenfunktion also dennoch wahr.

Die Umsetzung

Dass und wie die integrierte Mediation umsetzbar ist, ist inzwischen in verschiedenen Projekten unter Beweis gestellt worden. Die integrierte Mediation hat Migrationsstrategien entwickelt und Konzepte, wie die Mediation auch im feindlichen Umfeld angewendet werden kann (siehe hier). Entgegen der oft vertretenen Auffassung genügt es nicht, lediglich mediative techniken anzuwenden.

Wir werden das Thema auf unserem Kongress in Berlin am 1. und 2. Oktober vertiefen.