Am Sonntag zahlte meine Frau an einem der Kassenautomaten im Parkhaus eines Flughafens die Parkhausgebühr von 39 EUR, indem sie einen 50 EUR Geldschein in den Kassenautomat einschob. Die Maschine kassierte das Geld, brach den Vorgang jedoch ab mit dem Hinweis, die Parkkarte sei ungültig. Das Geld wurde jedoch einbehalten. Ich ging zur Zahlstelle. Hier waren schon einige andere Kunden vorstellig geworden. Sie hatten offenbar ein ähnliches Problem. Einer der Kunden meinte sogar, so etwas sei ihm bei diesem Parkhaus nun schon zum 6. Mal passiert.

Ich stellte mich an und konnte hören, worum es ging. In nicht nur einem Fall konnte ich den Unmut der Kunden spüren. Ich nahm auch die zunehmende Gereiztheit des Kassierers wahr – und natürlich die der Kunden. Manche fluchten vor sich hin, rügten die schlechte Behandlung und zeigten sich unverständig. Ich hörte, wie der Kassierer sagte „Ich lass mich doch nicht verarschen“. „Sie brauchen wirklich professionelle Hilfe“ war auch ein bemerkenswerter Kommentar. „Dann rufen Sie doch die Polizei, ich mach das jetzt selbst“, ging es weiter. Der Kassierer griff zum Hörer. Der Kunde verlangte die sofortige Ausfahrt. Der Kassierer verweigerte dennoch die Ausfahrt und bestand auf Zahlung. Der Kunde wies darauf hin, dass er sich von dem Kassierer genötigt fühle. Wie wir hatte er bereits gezahlt aber die Maschine konnte den Zahlungsvorgang nicht ordnungsgemäß abwickeln. Der Kunde hinterließ seinen Personalausweis und man schob sich Formulare hin und her. Dann ließ man sich wohl auf eine Rechnung ein. Hier hatte der Kunde wohl eine Formulierung, dass nicht gezahlt worden sei gestrichen, womit der Kassierer wiederum nichts anfangen konnte. Der Kassierer wollte den Vorgang irgendwie durchziehen. Seine einzige Lösung war, dass all die betroffenen Kunden zahlen müssten, bevor sie das Parkhaus verlassen dürften. Er war nur bereit, die Schranke zu öffnen, wenn eine Zahlung nachgewiesen war. Die Tatsache, dass die Kunden alle behaupteten, bereits gezahlt zu haben, nachdem der Kassenautomat das Geld nicht zurückgegeben hatte,  wurde lediglich insoweit gewürdigt, als sie ein Erstattungsformular ausfüllen sollten. Man wolle dann prüfen ob die Behauptung stimme und wenn sich eine Überzahlung herausstelle, dann gäbe es auch eine Erstattung. Die Schranke wurde jedenfalls erst nach dieser (aus der Sicht des Kunden) zusätzlichen, erneuten Zahlung geöffnet. Die Kunden konnten nicht einsehen, warum sie nochmals zahlen sollten. Die etwas angereizte Stimmung trug auch nicht wesentlich dazu bei, deren Bereitschaft zu fördern. Wir – wie gesagt – hatten das gleiche Problem. Allerdings nach der Reise waren wir nicht so streitlustig, eher müde. Wegen 50 EUR wollten wir uns auch nicht so einen Stress antun. Wir füllten also den Antrag aus. Interessant, dass es dafür schon einen Vordruck gab, dachte ich mir. Der vorformulierte Antrag sah vor, das Geld zu erstatten, welches von der Maschine angeblich nicht zurückgegeben wurde. Das Unternehmen behielt sich also vor zu prüfen, ob eine Überzahlung statt gefunden habe oder nicht. Dass bei dem Zahlungsvorgang Zeugen anwesend waren interessierte nicht. Interessant war auch, dass immer mehr Kunden zur Kasse kamen. Der defekte Automat wurde auch nicht gesperrt. Der Kassierer hatte keine Chance, sein Büro zu verlassen, weil die Schlange der frustrierten Kunden immer länger wurde. Während der Disput mit dem unwirschen Kunden und dem inzwischen abgehärmten Kassierer immer weiter eskalierte, zahlten wir weisungsgemäß und erneut an dem neben der Kasse stehenden anderen Kassenautomat, die 39 EUR. Diesmal mit Kreditkarte. Unser letztes Bargeld steckte ja in dem anderen Automaten. Dieser Automat gab nun keine Quittung aus. Nebenan verfolgten der Kassierer und der Kunde ihren Streit. Wieder fiel das Wort Nötigung. Das nicht nur einmal. Die Worte Nötigung und Polizei waren inzwischen wohl die am meisten verwendeten Worte. Der Kunde war nun überhaupt nicht mehr bereit irgendwas zu unterschreiben oder auszufüllen. Der Kassierer hielt noch dessen Personalausweis in der Hand. Er änderte seinen Ton und meinte nun, er wolle dem aufgebrachten Kunden doch nur helfen. Der Kunde sah das natürlich völlig anders. Der Kassierer hob nun an, uns die ganze Geschichte aus seiner Sicht zu schildern. Er meinte, der andere Kunde müsse doch nur die Zahlung durchführen, ob per Rechnung oder mit einer erneuten Zahlung, das sei doch egal. Der Kunde wolle sich aber auf nichts einlassen. der Kassierer verschwieg, dass der Kunde behauptete schon gezahlt zu haben. Was solle er denn jetzt machen, fragte der Kassierer. Es war keine wirkliche Frage. denn er führte fort, dass er, wenn nicht gezahlt werde, doch den Ärger von seinem Chef abbekomme. Ich bestätigte, dass auch ich der Auffassung sei, sein Verhalten erfülle den Tatbestand einer Nötigung. Ich selbst fühlte mich schließlich auch genötigt, war jedoch nicht bereit wegen 50 EUR so einen Stress zu verbreiten und nach der langen, erschöpfenden Reise noch Zeit für Verhandlungen mit jemandem zu führen, der offensichtlich nur strikte und wohl wenig kundeneinfühlsame Anweisungen befolgte. Der Ton wurde etwas persönlicher. Man griff sich an. Der Kunde wollte schließlich den Namen des Kassierers wissen, um sich zu beschweren. Seinen Namen hatte der Kassierer dem Kunden jedoch nicht nennen wollen. Uns nannte er ihn schon – wenn auch wenig selbstbewusst und undeutlich. Dem anderen Kunden sagte er, er könne seinen Namen bei der Geschäftsführung erfragen. Er müsse nur die Uhrzeit angeben. Man griff abwechselnd zum Hörer bzw. Handy und drohte mit Polizei. Nachdem der andere Kassenautomat bei unserem zweiten Zahlungsversuch nunmehr keine Quittung ausgeworfen hatte wandten wir uns wieder dem Kassierer zu. Eine kurze Diskussion war nötig, bis er dann meinte, er könne die Quittung auch per Hand ausfüllen. Das war ok für uns. Parallel dazu stritt er mit dem aufgebrachten Kunden weiter. Diesmal verlangte der Kassierer, dass wir bezeugen sollten, wie er doch dem anderen Kunden nur helfen wolle. Der Satz „Ich will doch nur helfen“ fiel jetzt ein paar Mal. Ich sagte, ich sähe dies anders und er möge uns jetzt die Quittung aushändigen. Er sagte: „Nur nachdem sie den Vorgang bezeugen“. Ich erwähnte, dass dies jetzt ebenfalls eine Nötigung sei und fragte, ob dies eine typische Herangehensweise bei der Problemlösung für ihn darstelle. Wir hätten Anspruch auf die Quittung und die wolle ich jetzt haben. Der Ksssierer gab dann die Quittung heraus. Wir fuhren weiter. Ich bin gespannt ob wir die 50 EUR erstattet bekommen.

Worum geht es bei dieser Geschichte und was hat das mit Mediation zu tun?

Die rechtliche Seite ist eigentlich ganz einfach zu bewerten. Das Parkhaus hat ein Zurückbehaltungsrecht, wenn nicht gezahlt wird. Hier ist das Problem, dass der Kunde die Zahlung behauptet, aber nicht beweisen kann. Ich hätte die Zahlung beweisen können, weil wir zu zweit waren und somit ein Zeuge anwesend war. In dem Fall kann also kein Zurückbehaltungsrecht ausgeübt werden. Im anderen Fall, wo Personalien per Ausweispapiere ausgehändigt wurden, dürfte auch kein Zurückbehaltungsrecht mehr bestehen. Ich denke in dem Fall auch, dass der Straftatbestand der Nötigung erfüllt ist.

Die kommunikative Seite ist jedoch spannender. Sie sieht etwas anders aus: Hier besteht das Parkhaus auf Neuzahlung. Das heisst, es misstraut der Behauptung des Kunden, dass er gezahlt habe. Umgekehrt erwartet es aber von dem Kunden, dass er ein hinreichendes Vertrauen aufbringt, dass die Mitarbeiter das Geld im Automaten finden, nicht in die eigene Tasche stecken und erstatten. Das Risiko eines fehlers des von dem Parkhaustreiber bereitgesetellten Automaten wird hier auf den Kunden umgelegt. Das kann der natürlich nicht verstehen. Das Misstrauen, das ihm entgegengebracht wird und die Riskoverlagerung werden als ungerecht und unangemssen verstanden. Das dem Kunden gegenüber entgegengebrachte Misstrauen ist die emotionale Schranke, die der Kunde überwinden muss, ohne dass darüber gesprochen wird. Statt über Schranken, Geld und Nötigung hätte man über Vertrauen reden können und vielleicht auch sollen. Es hätte nicht viel genutzt im Ergebnis, weil der arme Kassierer ja auch nur seinen Anweisungen gefolgt war. Es hätte aber Verständnis herstellen können und vielleicht nachvollziehbar machen können, warum das Unternehmen so reagiert.

Was lernen wir daraus?
Eine ganze Menge:

  • Man streitet über Lösungen statt über die eigentliche, die Aggression auslösende Schieflage (Misstrauen wird dem Kunden entgegengebracht aber Vertrauen seinerseits wird erwartet).
  • Macht (Schranke bleibt unten) wird eingesetzt, um eine naheliegende Lösung zu erzwingen. Die Befindlichkeit des Kunden bleibt dabei unbedacht (Kundenbindung). Erst wenn eine Kundenreaktion spürbar wird (falls das öfetr passiert und es sich herumspricht dass man dieses parkhaus nicht benutzen sollte) oder wenn ein kundenfreundlicher Mitbewerber auftritt, wird das Unternehmen seine Politik zu Gunsten einer nachhaltigeren, auf Kundenzufriedenheit statt auf die unmittelbare Zahlungsabwicklung achtende Lösung verändern.
  • Regeln (hier über die Abwicklung solcher Automatenfehler) sollten einen Spielraum lassen, der es erlaubt sich dem tatsächlichen Sachverhalt und den Befindlichkeiten der Kunden anzupassen.
  • Misstrauen (der Kunde könnte ja gelogen haben und ein Betrüger sein, wenn er seine Zahlung behauptet) steuert die Reglementierung über die Abwicklung der Fallbearbeitung.
  • Das Unternehmen sieht den Kunden nicht als ehrenwert an, sonst würden die Vordrucke einen anderen Inhalt haben.
  • Wir zahlen nur noch bargeldlos oder fahren in Zukunft mit dem Zug.
  • Ich werde stets Visitenkarten mit mir führen, die mich als Mediator ausweisen.

Ich denke, es ist ein überall zu beobachtendes gesellschaftliches Phänomen, dass wir Anderen eher misstrauen, als ihnen zu vertrauen. Dieses Parkhauserlebnis ist für mich eine Metapher dafür, welche Auswirkungen sich daraus ergeben. Misstrauen hat im vorliegenden Fall zu einer wenig kundenfreundlichen Abwicklung und Behandlung geführt. Wie wäre das Verfahren abgewickelt worden, wenn man dem Kunden grundsätzlich vertraut und unterstellt hätte, dass er tatsächlich gezahlt habe? Dann hätte sich das Unternehmen damit begnügt, die Personalien aufzunehmen die Zahlung zu prüfen und die Überzahlung zu erstatten, anstatt eine Doppelzahlung zu verlangen und die Kunden zu frustrieren. Würde der Kunde bei einer solchen Behandlung nicht gerne wieder das Parkhaus besuchen wollen?