Manchmal habe ich den Eindruck, dies ist der am meisten verwendete Satz von Mediatoren. Das ist keine Mediation! Nachdem er gefallen ist schließt sich eine Diskussion an, dass nicht sein soll was nicht sein darf, um in einem weiteren Schritt zu definieren, was wie zu sein hat. Ausgerechnet wir Mediatoren lassen uns auf dieses Spiel ein.

Natürlich ist es notwendig, sich darüber zu verständigen, was die Mediation genau ist und wie das Verfahren abzulaufen hat, damit es eine Mediation wird. Wir lernen aber auch, wie vielfältig das Leben ist und wie kreativ der Mensch sein kann. Wenn aus den Standards dann Gesetze und Vorschriften werden, die nicht mehr nur eine Orientierung geben sondern Ausschlüsse treffen, dann führt sich die Mediation selbst ad absurdum. Die Mediation soll ein autonomes, freiwilliges und eigenverantwortliches Verfahren der Streitparteien sein. Je mehr wir Mediatoren uns also den Kopf darüber zerbrechen, wann die Partei wie freiwillig an dem Verfahren teilzunehmen hat und unter welchen Bedingungen sie sich vertraulich äußert, desto weniger bemerken wir, wie wir das Verfahren und die darauf bezogenen Entscheidungen der Parteidisposition wieder entziehen. Die Eigenverantwortung wird in dem Moment eingeschränkt, in dem sie postuliert wird. Welches Menschenbild verbirgt sich hinter diesem Regelungswahn oder geht es dabei gar nicht um die Menschen?

Erinnern die Bemühungen um eine Professionalisierung der Mediation nicht auch an den römischen Prätor, den uns Prof. Dr. Haft in seinem Buch „Verhandlung und Mediation“
[1] vorgestellt hat? Dieser Prätor, so wird ausgeführt, habe das (juristische) Denken in Ansprüchen erfunden. Ihm sei es ganz und gar nicht darum gegangen, einen Beitrag zur Lösung der sozialen Konflikte der römischen Bürger zu erbringen. Er habe vielmehr nur sicherstellen wollen, dass die Bürger Roms im Streitfall zu ihm kämen und ihre Fälle nicht (autonom) untereinander austrügen. Er sei faul gewesen, weil er nicht lange nachdenken wollte, und zugleich machtbewusst, weil er, und nur er entscheiden wollte.
 
Es ist schade, wenn die Mediation den gleichen Weg geht und den Menschen in gleicher Weise professionell vorenthalten wird. Sie sollte stattdessen ermöglicht werden. Die Kunst der Streitvermittlung wird überall benötigt. Heute mehr denn je. Es ist an der Zeit, dass wir damit aufhören, in Konfrontationen zu denken. Die Mediation belegt, dass ein Konflikt auch kooperativ zu lösen ist und die Praxis zeigt, dass es viel mehr Anwendungsmöglichkeiten gibt, als die aktuelle Nachfrage glauben lässt. Sie erkennen den Bedarf nach einer mediativen Form der Streitvermittlung, sobald Ihre Grundeinstellung den Menschen als stets und grundsätzlich fähig ansieht, seine Probleme eigenverantwortlich und autonom zu lösen. Man muss ihm nur die Gelegenheit dazu geben. Es ist sicherlich möglich, den Menschen in ein Verfahren zu zwingen. Es wird aber nicht gelingen, ihm die Art und Weise seiner Konfliktbeilegung vorzuschreiben. Dazu verhilft eine annehmende Haltung besser als jede wissenschaftliche Ableitung einer Verfahrensbegrifflichkeit.
Letzten Endes entscheidet die Haltung nicht allein über das Gelingen der Mediation. Sie ermöglicht es auch, in Grenzbereiche vorzudringen, in denen die Mediation entsteht. In einem solchen Fall wird beispielsweise ein Berater ganz automatisch in ein moderierendes Gespräch überwechseln. Er wird mehr und mehr mediative Elemente zur Anwendung bringen. Die Parteien werden mehr und mehr befähigt, auf die hinter ihren Forderungen verborgenen Interessen zu achten. Muss der Berater das Gespräch jetzt abbrechen, weil er begonnen hat zu mediieren oder hat er die Anwendung mediativer Elemente zu unterlassen, damit sich das Gespräch am Ende nicht in einer Art von Mediation verliert. Darf er am Ende sogar eine Mediation mit Einschränkungen durchführen?
 
Ganz sicher stößt der Berater, den Sie sich auch in der Rolle des Richters, des Betriebsleiters oder sonst involvierter Personen vorstellen können, an die Grenzen seines Verfahrens. Er hat Weichen zu stellen. Bricht er die Beratung ab oder versucht er selbst eine Art Mediation? Die Entscheidung obliegt dem Einzelfall. Sie sollte in jedem Fall so ausfallen, wie sie den Möglichkeiten der Parteien am besten entspricht und nicht in erster Linie monetären, berufsständischen Interessen oder formalisierten Verfahrensregeln. Der Konflikt hat eine eigene Dynamik. Er unterwirft sich ganz sicher keinen Reglementierungen. Stellen Sie sich also der Herausforderung und leben Sie die Mediation in der Praxis. Die Integrierte Mediation[2] gibt Ihnen gegebenenfalls eine Hilfestellung. Sie beschreibt die Schnittstellen zur Mediation im kontradiktorischen Konfliktlösungsansatz. Die Erfahrung zeigt, dass sich auch hier ein mediatives Vorgehen etablieren lässt. Den kompatiblen Schlüssel finden Sie in ihrer Haltung wieder. In ihr kann die Mediation immer leben, egal wie man das Verfahren dann nennt.
 
Arthur Trossen


[1] Frijthof Haft, Verhandlung und Mediation, die Alternative zum Rechtsstreit, 2. Auflage, C.H. Beck Verlag
[2] www.in-mediation.eu, Skript „integrierte Mediation“ FU-Hagen