Ein Blick nach Frankreich –

Frankreich steht ja oft im Ruf, hinterher zu sein, egal, ob es um Wirtschafts-, Justiz- oder Arbeitsmarktreformen geht. „C’est mieux chez Angela“ („Angela

[Merkel] macht das besser“) muss sich die Regierung von François Hollande oft kritisieren lassen, und der bewundernde, manchmal neidische Blick nach „outre-Rhin“ (auf die andere Seite des Rheins) ist weitverbreitet.

Wer allerdings die Lage der Mediation in Deutschland und in Frankreich vergleicht, der wird überrascht sein: Denn während Deutschland derzeit noch mühsam mit der ZMediatAusbV-E (Entwurf einer Rechtsverordnung über die Ausbildung zum zertifizierten Mediator) herumdoktert, existieren in Frankreich – jedenfalls teilweise – klar definierte Ausbildungsstandards, und das schon seit etlichen Jahren: So müssen etwa Mediatoren in Familiensachen ein spezielles Diplom erwerben sowie 560 Ausbildungsstunden und mindestens 70 Praxisstunden nachweisen können.

Die „médiation judiciaire“ (etwa: „gerichtliche Mediation“) wurde durch ein Gesetz vom 8. Februar 1995 (!) eingeführt, damals schon mit einer ersten Definition der Mediation und einem Anforderungsprofil an Mediatoren – lange vor dem Europäischen Verhaltenskodex für Mediatoren (2004) und der EU-Mediationsrichtlinie (2008). Und eine „ordonnance“ (etwa: Rechtsverordnung) vom 16.11.2011, die auf einem Gesetz vom 17.05.2011 zur Vereinfachung und Verbesserung der Rechtspflege beruht, räumt der Mediation einen zentralen Stellenwert als „alternative Möglichkeit der Streitbeilegung“ ein.

Wie es typisch ist für die Grande Nation, hat sich die Mediation nicht „bottom-up“ und/oder aus einem Bedürfnis des Wirtschaftslebens nach raschen, zufriedenstellenden Lösungen entwickelt, sondern „top-down“: „Mediation“ steht in Frankreich vor allem für die vom Gericht verfügte Mediation: dies gilt für Familiensachen genauso wie für Zivil- und Wirtschaftsstreitigkeiten; daneben gibt es spezielle Verfahren für Arbeitssachen, die vom einfachen Kündigungsstreit bis hin zu Mega- und Dauer-Mediationen an den notorisch streitgeplagten Pariser Flughäfen gehen.

Das erkennende Gericht bestellt einen Mediator (der wiederum bei diesem Gericht als Mediator gelistet sein muss), definiert dessen Auftrag und legt sogar das Honorar des Mediators fest. Miet-, Nachbar- und Konsumentenstreitigkeiten werden nicht an einen Mediator delegiert, sondern einen „conciliateur de justice“, einen ebenfalls gerichtlich bestellten, ehrenamtlichen Schlichter.

Das jüngste Produkt dieser „médiation judiciaire“ ist die Einführung eines neuen Artikel 127 in die französischen Zivilprozessordnung: Der entscheidende Richter der 1. Instanz für eine Wirtschaftssache kann anordnen, dass die Unternehmen eine gütliche Einigung mittels ADR oder Mediation versuchen (Dekret 2015-282 vom 11. März 2015), es sei denn, zwingende rechtliche Gründe stünden dem entgegen. Zwar handelt es sich um eine „Kann“-Bestimmung; da aber wohl jeder Richter daran interessiert ist, seinen Aktenberg abzubauen, ist durchaus anzunehmen, dass viele Gerichte von dieser Möglichkeit Gebrauch machen werden – die Mediation wird so de facto ein Standard der Streitschlichtung.

Während die gerichtlich initiierte Mediation in Frankreich sehr etabliert ist, entwickelt sich die „médiation conventionnelle“  (also die vertraglich basierte, parteiautonom vereinbarte Mediation) erst allmählich. Hier fallen zwei Dinge auf: Erstens, die angebotenen (und sehr teuren!) Ausbildungen sind stark am US-amerikanischen Harvard-Prinzip ausgerichtet und beschränken sich auf die facilitative und die evaluative Mediation. Zweitens, die bestehenden Mediatoren-Vereinigungen setzen sich mit Nachdruck für eine Formalisierung und Vereinheitlichung der Mediatoren-Ausbildung ein.

Einer der Wortführer ist hier das Centre de Médiation et d’Arbitrage de Paris (CMAP), 1995 von der Pariser Handelskammer ins Leben gerufen. Das CMAP veröffentlicht jährlich eine „Mediationsstatistik“ seiner eigenen Fälle (für 2014 vermeldete das Zentrum eine Erfolgsquote von 73%) und es ist auch auf EU-Ebene aktiv: Das CMAP koordiniert das von der EU-Kommission initiierte Pilotprojekt „Go to Mediation!“, dessen erklärtes Ziel eine Vereinheitlichung der Mediations-Standards in den Mitgliedsstaaten ist.

Was bedeutet das für deutsche Mediatoren? Zum einen, dass sehr verschiedene Wege zur Mediation führen. Und dass die französischen Kollegen im Zweifel formalistischer und magistraler denken und handeln – ein wichtiger Punkt für die (Co-)Mediation deutsch-französischer Konflikte.

Dorothea Seckler, Paris
Presentation du mediateur.pdf
Photo by lcarissimi (Pixabay)