Es gibt einige Glaubenssätze, die sich in der Mediation wie Mythen eingeschlichen haben. Nicht immer treffen sie den Kern. Manche dieser Glaubenssätze bedürfen deshalb als falsche Mythen der Korrektur.

Eine Einigung ist besser als eine Entscheidung

Hinter dieser Äußerung verbirgt sich die Vermutung, dass die Parteien stets mit dem einverstanden sind, was sie vereinbaren. Das ist aber nicht immer der Fall. Wäre es so, gäbe es beispielsweise keine Vertragsreue. Umgekehrt kann es sein, dass die Parteien beide ein Urteil akzeptieren. Ist eine beidseitig akzeptierte Entscheidung schlechter als eine Einigung, die beidseitig akzeptiert wird? Es kommt doch nicht auf die Art des Ergebnisses an, sondern darauf, wie die Parteien damit zu Recht kommen.

Die Mediation ist besser, billiger und nachhaltiger

Diese These hängt davon ab, um welche Art der Mediation es sich handelt. Eine transformative Mediation beispielsweise ist recht aufwändig. Eine einstweilige Anordnung vor Gericht ist sofort zu erwirken. Wenn wir die Konfliktreife einkalkulieren, also die Zeit die die Parteien benötigen, um sich aktiv für eine Mediation zu entscheiden, ergibt sich ebenfalls eine andere zeitliche Kalkulation.

Die Mediation ist eine Alternative zum Gerichtsverfahren

Alternative würde bedeuten, sie ist eine freie Wahl. Aus der Sicht der Partei ist das Verfahren aber Bestandteil ihrer Konfliktstrategie. Die Wahl ist also situationsabhängig. Die Mediation ist deshalb eine Konsequenz aus dem (scheiternden, eskalativen) Gerichtsverfahren.

Die Subsumtion ist eine Methode der Streiteskalation

Es ist nicht die Methode die eine Eskalation bewirkt, sondern die Art und Weise ihrer Verwendung. Genausowenig wie ein Schussgerät eine Mordwaffe ist, wenn sie nicht als solche verwendet wird. Wenn die Subsumtion zur Eskalation führt, ist sie falsch verwendet worden. Die Methode an und für sich ist wertfrei und unschuldig.

Juristen bedürfen einer Gehirnwäsche

Es ist als ein Phänomen zu beobachten, wenn manche Juristen nach einer Mediationsausbildung meinen, man müsste die Juristen von ihrer ausbildungsbedingten Engstirnigkeit durch eine Gehirnwäsche befreien, damit sie in die Lage versetzt werden, eine Mediation durchzuführen. Verrät diese Auffassung nicht wieder ein entweder oder Denken? Das juristische Denken findet Raum in der Mediation. Eine Gehirnwäsche würde diesen Raum auflösen und die Mediation einschränken. Allerdings muss man in der Mediation die verschiedenen Denkweisen trennen.

Die Mediation wird am besten von Juristen ausgeübt

Dieser Mythos wird hin und wieder, manchmal hinter der vorgehaltenen Hand, geäußert. Große ADR Gesellschaften in den USA beispielsweise beschäftigen ausschließlich Juristen, am liebsten ehemalige Richter, wenn Sie ihren Kunden ein Mediationsangebot unterbreiten. Die Aussage, dass die Mediation am besten von Juristen ausgeübt werden könne, stammt natürlich von Juristen. Wie die vorangegangenen Ausführen belegen, macht es tatsächlich einen Unterschied, aus welchem Herkunftsberuf der Mediator stammt. Die pauschale Bewertung ist jedoch unangemessen. Sie offenbart eine bevorzugte Methodik und Denkweise. Es ist eine unter vielen. Was besser und schlechter ist, sollte der Mediand entscheiden (können).

Die Mediation wird am besten von Psychologen ausgeübt.

Dieser Mythos ist genauso unangemessen wie der, dass die Mediation am besten vom Juristen ausgeübt werde. Die Mediation kombiniert beide Welten auf eine beeindruckende Art und Weise.

Die richterliche Mediation ist autoritär

Immer wieder hört man die Kritik an der berufsnahen Ausübung der Mediation. Richtern wird vorgehalten, dass sie sich nicht von Lösungen und Bewertungen befreien können und Einfluss auf die Parteien nehmen – schon weil sie sich von der richterlichen Autorität beeindrucken lassen. Wenn dieser Vorwurf stimmt bedeutet es nicht mehr, als dass die Ausbildung unzureichend ist. Ein Mediator, der sich wie ein Mediator fühlt und verhält, hält sich mit Meinungen zurück – aber auch mit solchen Vorurteilen.

Die Mediation ist freiwillig, ein Gerichtsverfahren nicht.

Viele Mediatoren beschreiben das Gerichtsverfahren als ein unfreiwilliges Verfahren. Für sie bedeutet der direkte oder auch der indirekte Zwang zur Teilnahme ein unfreiwilliges Prozessieren. Ohne über die Freiwilligkeit zu philosophieren und die Frage aufzuwerfen, inwieweit der Handlungsdruck die Medianden unfreiwillig in die Mediation treibt, soll ein wesentlicher Unterschied zwischen der Freiwilligkeit in der Mediation und der Freiwilligkeit in einem Gerichtsverfahren herausgestellt werden. In der Mediation manifestiert sich die Freiwilligkeit in der Möglichkeit, die Mediation jederzeit zu verlassen. Dieses Recht ist untypisch für Dienstverträge und durch eine juristische Klausel im Mediationsvertrag einzuräumen.

Die Mediation ist fair, das Gerichtsverfahren ist es nicht

Es scheint eine Auffassung vorzuherrschen, wonach die Parteien sich zwar in einer Mediation fair zu verhalten haben, im Gericht aber nicht. Das ist ein großer Irrtum. Gerade das Gerichtsverfahren ist auf Ehrlichkeit und Fairness angewiesen. Wäre es anders, müsste die Falschaussage und der Prozessbetrug nicht unter Strafe gestellt sein. Der Unterschied liegt darin, wie Fairness und Ehrlichkeit und Offenheit eingefordert werden.

In der Mediation geht es nicht um das Recht

Doch in den Phasen 1, 2, 4 und 5 kommt rechtliches Denken zum Ausdruck. Die Mediation ist ein Rechtsschöpfungakt.

Konsens ist im Gericht nicht möglich

Viele Mediatoren glauben, ein Konsensvergleich sei im Gericht nicht möglich. Konsequent wäre es zu sagen auch nicht in der Demokratie. Konsens bezieht sich dort auf das Verfahren. Er ist aber auch hinsichtlich des Ergebnisses möglich.

Das machen wir doch schon immer so

Einvernehmliche Lösungen gibt es auch vor Gericht. „Das machen wir doch schon immer so“. Vergleiche vor Gericht sind aber oft nur Kompromisse.

Mediation ist ein Instrument der Demokratie

Da habe ich Bedenken. Demokratie ist ein Prinzip der Partizipation. Es ist ein Machtprinzip. Angeblich geht die Macht vom Volke aus. der Konsens besteht indes nur über das Verfahren der mehrheitlichen Meinungsbildung, nicht über die Inhalte. In der Mediation besteht der Konsens sowohl über das Verfahren wie auch über die Inhalte.

Wir brauchen Gesetze um die Mediation einzuführen

Ein Gesetz bedeutet Fremdbestimmung. Eine Fremdbestimmung passt nicht gut zur Mediation. Sie ist sogar kontraproduktiv, wenn sie Dispositionen über das Verfahren eingrenzt und dadurch den Parteien entziehen. Die Mediation ist aus dem autonomen Verhandlungsmodell entstanden. Die Mediatoren wollen auf die Selbstbestimmungskompetenz der Medianden vertrauen. Wie kann es dann sein, dass jemand, der an die Autonomie der Menschen glaubt, deren Fremdbestimmung fordert?

Diese Haltung darf ein Mediator nicht haben

Wenn die Mediation ein parteiautonomes Verfahren ist, obliegt die Entscheidung den Parteien, welche Haltung sie akzeptieren können und welche nicht. Es ist die Aufgabe des Mediators, dies den Parteien zur Entscheidung zu stellen.

Wir Mediatoren sind bessere Menschen

Hier muss ein grundsätzliches Missverständnis vorliegen. Mit einer solchen Haltung stellt sich der Mediator auch über die Medianden. Ganz abgesehen davon taucht die Frage auf, was besser bedeutet und wer hat das zu beurteilen. Der Mediator ist jenseits von gut und böse, wenn er seine Rolle ernst nimmt. Wenn er Erfahrung hat dann weiß er, dass diese Haltung nicht nur im Verfahren der Mediation förderlich ist.

Mediation verbessert die Streitkultur

Es ist nicht die Mediation, die etwas verbessern kann sondern wie wir mit ihr umgehen. Besonders dann, wenn die Mediation wie im Beispiel der gerichtsinternen Mediation als die bloße Erweiterung des Portfolios der Justiz verstanden wird, verbessert sich keine Streitkultur. Im Gegenteil bleiben die konventionellen Verfahren der Justiz unverändert. Wäre es nicht angebracht sie zu reformieren anstatt andere Angebote vorzustellen?

Qualifizierte Mediatoren sind nur …

Die Qualifikation eines Mediators ergibt sich nicht aus seiner Ausbildung und der Ausbildungsdauer. Sie mag ein Indiz sein, nicht mehr. Die Qualifikation ergibt sich aus der Erkenntnisbereitschaft und Fähigkeit des Mediators. Aus der Fähigkeit des neutralen Wahrnehmens und des kritischen Reflektierens. Man mag diesen Maßstab zugrunde legen, wenn die Diskussion über die Mediation bewertet wird und man damit aufhört, falsche Mythen zu verbreiten und vorurteilsbehaftete Meinungen als Fakten zu verkaufen.

Kennen Sie auch Mythen, die der Korrektur bedürfen?

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